Die Ringe der Macht Staffel 2 bleibt ein blasser Schatten von Herr der Ringe
So viel Schönheit, wenig dahinter.
SPOILER zu den ersten drei Folgen von Staffel 2 von Herr der Ringe - Die Ringe der Macht.
Puh, drei Folgen zum Start, jeweils über eine Stunde, wenn man Credits, Recap und Vorspann mitrechnet. Lange haben wir auf Staffel zwei von Die Ringe der Macht gewartet, jetzt kommt es gleich knüppeldick. Im Grunde fasst das schon ganz gut zusammen, was mit dieser Serie trotz lobenswerter Ansätze nicht stimmte: Mehr ist nicht immer gleich besser.
Ich bin nicht einmal sicher, wo ich anfangen soll. Vielleicht beim Guten? Die Show sieht einmal mehr umwerfend aus. Sowohl in der Ausstattung – Kulissen, Szenenbild, Kostüme – als auch in den Effekten ist das hier unverändert kinoreif. Die Darsteller sind ebenfalls exzellent. Selbst in kleinsten Rollen sieht man noch Darsteller, die man gerne sieht. Peter Mullan (Tyrannosaur, Braveheart) als Zwergenkönig, Ciaran Hinds (München, Game of Thrones) als Dunkler Zauberer, Jack Lowden (Slow Horses, Dunkirk) als Sauron vor seiner Reinkarnation und Robert Aramayo als Elrond reißen sich den Allerwertesten auf. Mir gefällt auch der neue Gandalf, so er es denn ist, gespielt von Daniel Weyman und im Grunde ist die Liste der Leute, die mir positiv auffallen, ziemlich lang.
Wenn 'Tell, don't show' besser ist...
Doch Rings of Power ist und bleibt eine Erzählung, die man besser dem Reich der vagen Überlieferungen überlassen hätte. Als mythologischer Unterbau ist sie mächtiger Antrieb einer der größten Geschichten unserer Zeit. Hier, in minutiösen Einzelheiten ausformuliert, und mit bequemen Verkürzungen und viel Spektakelmuskeln von A nach B geschleppt, bis der Job erledigt ist – das nimmt dem Herrn der Ringe so viel von seiner geheimnisvollen Macht, dass es fast kriminell wirkt.
Gleiches gilt für Sauron selbst, der einfach nicht zum Blickwinkelcharakter taugt, in Folge eins dennoch als solcher herhalten muss. Wir haben es hier mit dem angeblich unvorstellbaren Bösen zu tun. Zuzusehen, wie er zu Beginn des zweiten Zeitalters von Adar und einer Horde Orks gemeuchelt wird und sich keine fünf Minuten später als schwarze Wurmsuppe Tiere und schließlich Menschen einverleibt, um schließlich als “Halbrand” vor uns zu stehen, ist wahnsinnig demystifizierend und das Gegenteil von bedrohlich.
Vollkommen trivialisiertes Böses bisher, denn irgendeiner muss es schließlich machen. Schleierhaft, warum dies niemandem im Produktionsteam auffällt. Ich will einen Sauron nicht in Angst oder Sorge sehen, weil ihn ein Warg ansabbert. Er sollte souverän sein, die Angst selbst, wenn nötig. Aber da wir Halbrand ja schon in Season eins noch Rest-Menschlichkeit gelassen haben, ist das wohl nur konsequent. Charlie Vickers ist kein schlechter Schauspieler, aber ich wünschte, sie ließen ihn mehr von der Leine. Aber gut, es ist noch ein wenig Zeit, Sauron die Hörner aufzusetzen.
In der letzten Staffel hatte ich mich noch damit arrangiert, hier die Pop-Version einer Herr-der-Ringe-Vorgeschichte zu sehen, wollte wissen, wohin die Reise geht. Aber nun ist klar – und ja, das hätte ich entschieden früher ahnen können! –, dass es auf wenig anderes abzielt, als die Leerstellen vor der legendären Kinotrilogie zu füllen. Dass das, erinnert man sich noch an alle Namen, dann mehr als nur ein bisschen vorhersehbar abläuft, liegt gewissermaßen in der Natur der Sache. Es geht noch recht interessant los, wenn es in Folge eins zwischen Galadriel und Elrond knarzt, weil Letzterer begründete Zweifel daran anmeldet, ob auch die Elbenringe so eine gute Idee waren. Dass die Serie diese Bedenken bis zum Ende der dritten Folge nicht vollends zerstreut, ist vermutlich die einzige interessante Idee dieser ersten drei Stunden Ringe der Macht.
"Dann ist das passiert, danach jenes, dann dies, bevor das geschah..."
Ansonsten sehen wir ohne großes Gefühl dafür, wie viel Zeit von einer Begebenheit zur nächsten verstrichen ist, viele, viele Szenen von Leuten mit sichtbarer Plot-Armor in vermeintlicher Lebensgefahr. Fast zufällig reiht sich ein Ereignis an das letzte, während man immer und immer wieder mit den Augen rollt, wie einfach es für Sauron ist, Celebrimbor zu täuschen. Zumal es die Elben in Lindon nach dem ersten, abgefangenen Boten offenbar nicht als nötig erachteten, vielleicht irgendwann nach dem Rechten zu sehen. Warum auch? Geht ja um nichts!
Einer nach dem anderen melden sie zwar Bedenken an, die Hilfe des angeblichen “Annatar” anzunehmen, aber weil wir längst wissen, wie das alles ausgeht – weil es sich spätestens seit 2001 untilgbar in unser Gedächtnis gebrannt hat –, weicht aus jeder Unterredung jegliche Anspannung. Und alles, was dazwischen passiert, schafft es nicht, das Interesse hochzuhalten. Szenen mit Estrid (Nia Towle) oder Elendil oder das Gewese in Numenor, mit dem idiotischsten Adler-basierten Missverständnis seit der unglückseligen Team-Building Exkursion eines Cousins zweiten Grades von mir… das alles lässt mich bitterkalt, was bei diesem Wetter auch wiederum ganz okay ist.
Am ehesten fiebere ich noch bei den Harfoots und Proto-Gandalf mit, wenngleich deren Ausflug nach Rhun ein wenig an unglaubwürdigen Kulissen krankte. Doch auch hier war schon vorher klar, dass ihre Verfolger mit ihrem genialen Plan, den Halblingen Gewalt anzudrohen, sollte der Istari nicht spuren, auf die Schnauze fliegen würden. Auch hier: Keinerlei Spannung oder Aufregung, abseits der zweifelsohne kunstvollen und bisweilen verschwenderisch hübschen Inszenierung.
Allein: Sie ist ohne Wert. All die Schönheit – einfach nur beachtliche Bilder, die, schön gerahmt, die Wände eines Hauses zieren, in dem man niemals wohnen wollen würde. Es entsteht der Eindruck, dass zwischen den Szenen, derer man Zeuge wird, rein gar nichts passiert, in dieser Welt. Es existiert nur, was man sieht. Schrödingers Mittelerde.
Die “Prequelisierung” von Herr der Ringe nach Star Wars Vorbild wäre damit komplett.