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Die Schere im Kopf

Mehr Provokation, bitte!

Fallout

Grafiken aus dem letzten Jahrtausend

Diesen Klassiker brutaler Unterhaltung hole ich nur aus aktuellem Anlass hervor. Schließlich legt Bethesda gerade die legendäre Endzeitrollenspielreihe neu auf. Aber in jedem Fall ist Fallout schon immer ein Beispiel für geistreiche Geschmacklosigkeit gewesen. Dass dieses Spiel überhaupt möglich wurde, ist dem Genre postapokalyptischer Sciencefiction zu verdanken. Gleich zu Beginn erschallt das tragisch komische 'Duck-and-Cover'-Jingle, mit dem in den Fünfzigern in den USA Propaganda gemacht wurde. Filme wie 'Mad Max' und 'The Day After' findet man beim Spielen ebenso wieder. Und wie sich das für so ein Szenario gehört, muss man diese Welt als sinnlos gewalttätig darstellen. Schließlich ist allein der Atomkrieg schon das ultimative Beispiel für sinnlose Gewalt. Dass im Spiel dann Köpfe platzen, Jedermann flucht wie Matrosen und Literweise Blut fließt, ist nur logisch. Immerhin ist die gesamte Zivilisation schon in der Vorgeschichte abgeschafft worden.

Fallout, besonders der zweite Teil, ist auch berüchtigt für den schwarzen Humor. Das ist gut so - ob ich ein episches Rollenspiel komplett in verkrampft ernster Stimmung durchhalten würde, bezweifle ich. Und die Vorstellung, dass die Menschheit sich selbst ohne besonderen Grund fast komplett auslöscht, ist ja durchaus zum Lachen.

Super Columbine Massacre RPG!

Die Realität im SNES-Stil.

Warum ist das Spiel provokant? Einfach den Titel lesen. Ein rudimentäres PC-Spiel, hergestellt mit dem Tool RPG Maker, das sich zwischen Dokumentation und Satire mit den Taten von Harris und Klebold auseinandersetzt, die 1999 in ihrer Highschool erst 13 Menschen, dann sich selbst erschossen. Auf den ersten Blick klingt das einfach nur geschmacklos. Auf den zweiten ist es eine sorgfältige und intelligente Auseinandersetzung mit dem Ereignis. Der Entwickler Daniel Ledonne hat ganz bewusst versucht, Columbine in dem Medium zu erzählen, das schnell zum Sündenbock gestempelt wurde. Dabei macht er klar, wie dumm und rudimentär Videospiele ihrer angeblichen Wirkung gegenüberstehen. Aber er versucht auch ganz ernsthaft, Hintergründe und Motive der Täter zu beleuchten. Wenn man als Spieler tiefer in diese Welt eindringt, setzt Würgereiz ein.

Wenn man sich hingegen für Columbine interessiert, mitdenken will und einen starken Magen hat, ist das Spiel wirklich empfehlenswert; allerdings nicht für Kinder. Das hier keine Unterhaltung geboten wird, ist völlig klar. SCMRPG! 'spielt' sich wie ein philosophischer Essay auf dem SuperNES.

Defcon

Alle sterben!

Mir fällt kein gewalttätigeres Konzept ein: Die Menschheit auslöschen. Auf den roten Knopf drücken. 'Everybody Dies' klärt schon der offizielle Slogan auf. Und dann sitzt man seltsam losgelöst von den Geschehnissen wie im Kontrollzentrum vor dem Rechner, lässt Diagramme aufeinander los und liest befriedigt, wie viele Millionen Menschen man umgebracht hat. Wer dem Spiel das unheimliche Gewaltpotential vorwirft oder behauptet, es sei nicht ernst genug, der hat es wahrscheinlich nicht gespielt.

Anders als die meisten Strategiespiele, bei denen man Armeen in den sicheren Tod schickt, schleicht sich hier ein unheimliches Gefühl ein: Vielleicht ist das Spiel realistischer, als man denkt. Alles in Form schick leuchtender Vektorgrafiken vorgeführt zu bekommen, hilft, den Krieg nicht so persönlich zu nehmen.

Hail to the Chimp

Sieht so politische Satire aus?

Hängen politische Kommentare in den USA auf dem Niveau von Pinks 'Dear Mr. President' fest? Kontrovers ist in der aktuellen Diskussion um Videospiele oft Sex oder Gewalt, dahinter kommt wenig. Zuletzt hatte American McGee mit Bad Day LA versucht, die aktuelle Stimmung in den USA bissig zu kommentieren. Das ist ganz schlimm misslungen. Hoffentlich wird Hail to the Chimp da etwas tiefgründiger, und verwechselt nicht politische Satire mit Witzen über Körperflüssigkeiten.

Mal wieder wird das Tierreich bemüht, um uns in Fabelform die Absurdität des politischen Geschäfts vorzuführen. An den kleinen Häppchen, die man bisher zu sehen bekommen hat, lässt sich noch nicht viel Satire erkennen. Vielleicht reicht es diesmal wenigstens zu einem Spiel, das Spaß macht?

Tut sich was?

Ganz allein bin ich bestimmt nicht: Ich wünsche mir mehr Spiele, die nicht 'nur' unterhalten wollen, sondern die auch etwas zu sagen oder zu zeigen haben. Gute, dumme Unterhaltung ist viel Wert. Wenn man sich pauschal vor schwierigen Themen wegduckt, bleibt das aber alles, was wir bekommen. Und das ist mir auf Dauer zu doof.

Die angeführten Beispiele sind wirklich nur eine kleine Auswahl von Titeln, die vormachen, dass sich Provokation lohnen kann. Besonders in der Indie-Szene gibt es viel mehr. Vielleicht hat jemand Beispiele? Oder ist anderer Meinung? Nur zu.

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