Die Tyrannei von König George Washington – Die Schande – Test
Assassin´s Creed 3 kann mehr und jetzt traut es sich auch mal.
Sie haben gelernt. Ubisoft hat den Shitstorm nach Assassin's Creed 2 wohl nicht vergessen und das hier ist kein ausgeschnittener Teil des Hauptspiels, der jetzt nachgereicht wird. Es ist definitiv etwas ganz Eigenes. Ob es etwas Nötiges ist, steht auf einem ganz anderen Blatt, aber das ist bei Videospielen eh eine sehr relative Frage. Sei es, wie es ist, die nun mit dem ersten Teil "Die Schande" gestartete DLC-Trilogie "Die Tyrannei von König George Washington" ist eine ganz eigene Kiste und das in weit mehr Aspekten als nur der Handlung.
Diese ist ein guter Startpunkt, um darüber zu reden. Nur jetzt schon über sie zu sprechen, nachdem erst ein Drittel für euch zugänglich gemacht wurde, ist nicht ganz einfach. Ich kenne sie vollständig bis Teil 3 und ihr nicht. Logisch. Da ich natürlich nicht spoilere, ihr aber auch nach dem Durchspielen des nun verfügbaren Teils nur einen begrenzten Einblick haben werdet, starte ich mal mit: Es ist eine ziemlich coole Idee, die das Team Montreal hier insgesamt hatte. Sie haben einen Weg gefunden eine Geschichte zu erzählen, die vollständig von der Haupthandlung losgelöst, gleichzeitig aber auch extrem dicht mit ihr verknüpft ist. In der "realen" Imaginativ-Welt voller Assassinen, Templer und kosmischer Untergänge ist es ein Augenblick, in dem sich Millionen von Schicksalen entscheiden, ein vorüberrauschender Traum, der in einem Lidschlag alles zertrümmert und dann doch alles, wie es war, zurückließ. Auch wenn ich das Ende nur erzählt bekam und es nicht gesehen habe, klingt es so vernünftig wie clever. Das Team fand sogar einen passenden und glaubwürdigen Punkt, um das Ganze in ein reales historisches Ereignis einzubinden und ihm diesen eigenen, kleinen Assassin's-Creed-Touch zu geben.
Endlich Superheld
Gleichzeitig entfalten sich in diesem kreativen Befreiungsschlag eine Menge neuer Möglichkeiten und das keineswegs nur erzählerischer Natur. Wobei man diesen Aspekt wirklich nicht unterschätzen sollte, um es noch mal zu betonen. Er erlaubt es dem Spiel, das sich bisher zumindest pro forma an die Historie halten musste, diese aus den Angeln zu heben und ein neues Amerika zu erdenken. Auch wenn es aufgrund technischer Limitationen nur in den bekannten Gebieten der Frontier, Bostons und New Yorks bleiben muss. Neue Areale werdet ihr leider in der DLC-Reihe nicht betreten, aber die alten werdet ihr nicht wiedererkennen. Es ist eine brutale Welt, in der ein absolutistischer Washington mit eiserner Faust im Namen pervertierter Freiheit herrscht. Die Frontier - das einzige Gebiet des ersten Teils - ist ein brennendes Niemandsland, in der Militärpatrouillen von Blauröcken gnadenlos jeden Feind des neuen Königs aufspüren und jagen. Ihr seid nirgendwo sicher und eure neuen, alten Verbündeten - wie gesagt, keine Spoiler - allein können euch nicht retten.
Da jetzt alles erlaubt ist, geht Assassin's Creed einen Weg, den jeder Fan bestimmt im Vorfeld verdammte, der aber einfach nur konsequent und spielerisch der Richtige ist. Connor wird zum Superhelden. Seien wir ehrlich, er und jeder Assassine der Serie vor ihm war schon längst einer. Viele dieser Klettereien und Sprünge machen selbst trainierte Urban Runner nur einmal. Diese Mechaniken allein jedoch waren nach fünf Teilen mittlerweile ausgereizt, sodass Assassin's Creed 3 sie nur noch nutzte, weil ihm anscheinend nichts Besseres einfiel.
In jedem Teil des dreiteiligen Add-on erhaltet ihr nun eine neue Fertigkeit, die ihr euch nach ordentlichem indianischen Rauschmittelkonsum aus der Geisterwelt holt. Oder so ähnlich, mir ist nach Bethelnuss-Konsum nie Ähnliches wiederfahren, aber Connor fand sein Wolf-Totem und ist nun in der Lage, Geist-Wölfe zu rufen. Wenn schon Super-Powers, dann richtig. So gesehen ist es auch nicht weiter verwerflich, dass er im Austausch für sehr viel Lebensenergie in einen Wolf-Schleich-Zustand gehen kann, der ihn für seien Umwelt unsichtbar macht, solange er niemanden anrempelt.
Mächtig, mächtiger, zu mächtig
Im Hauptspiel würde ein solches Super-Stealth vieles obsolet machen, also muss natürlich die Opposition aufgerüstet werden. Ihr müsst beispielsweise ein Fort komplett ungesehen infiltrieren. Auf eurer Seite habt ihr neben der temporären Unsichtbarkeit die Möglichkeit, in dichtem Gras, das ihr natürlich strategisch verteilt findet, in Deckung zu gehen. Solange ihr nicht rennt, tut Connor dies automatisch und der umfangreichere Einsatz solcher Dinge ist endlich ein weiterer Schritt in Richtung Stealth, etwas das die Serie eh viel zu lange aufschob und auch in Assassin's Creed 2 viel zu zögerlich genutzt wurde. Nun ist es so richtig da und es fühlt sich großartig an, selbst wenn es noch weit von Thief und Co. entfernt sein mag. Gegen die Übermacht einen Kampf anzufangen, wäre dank des nach wie vor halbherzigen, zu leichten Kampfes auch möglich - wenn man besser ist als ich, was nicht so schwer ist. Nur sind die Missionsziele mit Stealth im Sinn aufgebaut und euer neuer größter Feind sind Hunde.
Kampfhunde können euch auch in der Wolfs-Form aufspüren und das über sehr große Entfernungen. Die Köter lassen sich auch nicht von hohem Gras beirren, aber jede Waffe zieht eine Aufrüstung zum Kontern nach sich und eure in diesem Falle ist das Auswerfen eines Kampfhund-Leckerlis. Die Biester lassen sich davon so gründlich ablenken, dass ihr schnell euere Position wechslen könnt, während Hundi genießt. Eure Geist-Wölfe dürft ihr wie die Assassinen zuvor in der Stadt einsetzen, nur weniger kontrolliert. Drei Wölfe sausen los und töten die nächsten drei Wachen. Eine kleine Geisterwelt-Smartbomb, wenn ihr so wollt.
Ohne ins Detail gehen zu können oder wollen - der nächste Test kommt bestimmt und das schon in einem Monat -, muss ich sagen, dass die erste Fähigkeit der Wölfe ok, aber noch nicht das Highlight dieser kleinen Reihe ist. Trotzdem bricht auch sie schon das Spiel deutlich auf und bringt durch das erweiterte Stealth spielerisch mehr frischen Wind in das Spiel, als es der gesamte dritte Teil an Land insgesamt bewältigte. Das Dumme ist nur, dass hier zu Beginn so viel davon ist, dass die Designer ihn an manchen Stellen nicht so richtig bändigen konnten. Ja, es mag ein Ausnutzen des Systems sein, wenn ich im Gras hocke und immer wieder warte, bis sich meine Geister-Wölfe-Power aufgeladen hat, um noch mal drei Wachen ins Jenseits zu befördern. Aber sorry, wenn ein Exploit so offensichtlich ist, dann nutze ich ihn auch. Und zusammen mit den großzügigen Grasbüscheln, in denen ihr euch vom Einsatz der Wolfs-Unsichtbarkeit erholt, wird vieles ganz schön einfach.
Aber es macht auch richtig Spaß, sich auf diesem Weg wie ein indianischer Racheengel aufzuführen, den keiner berühren kann oder auch nur sieht. Ein kleines bisschen Allmachts-Fantasie darf in einem Medium des inhärenten Eskapismus sein und einfach mal ordentlich durchzumarodieren macht da auch mal Laune. Wie ein Schatten hinter einem sadistischen General herzuhuschen, wie es ein Wolf tun würde. Ihm den heißen Atem den Nacken hinunterschießen zu lassen und auf den perfekten Moment zu warten. Oh, nein, sorry, zu warten, dass das Spiel euch erlaubt zuzuschlagen. Nicht alle alten Gewohnheiten sterben leicht und am Ende ist es trotz dieses ersten Ausbruchs immer noch Assassin's Creed.
Zwei bis drei Stunden Handlung und Hauptmissionen plus ein paar Nebenaufgaben der belangloseren Art erhaltet ihr für diese ersten zehn Euro, aber dieses Add-on lässt sich nicht so ganz in Spielstunden oder Missionszahl messen. Ubisoft fand einen schlüssigen Weg das inzwischen sehr eng gewordene Korsett der Serie zu lockern und sich die Freiheiten zu holen, die es euch erlauben, ein wenig mehr zu erleben und ihre Welt ein kleines bisschen auf den Kopf zu stellen. Es ist ein Auftakt und mit der zweiten Runde steigert es sich noch einmal deutlich, so viel sei verraten. Aber auch im Wolfspelz ist es ein frischer Wind, der euch um die neue, kalte Nase weht. Assassin's Creed kann mehr sein, es will wohl auch mehr sein. Und selbst wenn "Die Tyrannei von König George Washington" noch ein vorsichtiger Schritt ist und sein erster Teil, "Die Schande", kaum mehr als das Anheben des Fußes: Es ist einer in die richtige Richtung und ich hoffe inständig, dass die Entwickler den Mut haben, den Weg bis zum Ende zu gehen. Ich weiß nicht, wie es da aussieht, sie wahrscheinlich auch nicht, aber verdammt, würde ich es gerne herausfinden.