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Die Welt des Witcher 3 setzt den Maßstab für eine kommende Generation

Es sind die kleinen Dinge im Leben: Wälder, Schluchten und die tosende See.

Als sich die Wiesen in die Ferne öffneten, als das Tal später steil abfiel und den Blick auf die Gebäude entlang der Klippe freigab, im Hintergrund die Majestät gewaltiger Bergmassive, passierte etwas, mit dem ich auf dieser GamesCom nie und nimmer mehr gerechnet hätte: Ich war wirklich und ehrlich beeindruckt.

Mehr als alles andere ist es ein Gefühl von Lebendigkeit und Glaubwürdigkeit, das sich mehr noch als das vielleicht im Angesicht von Skyrim nicht ganz so glücklich gewählte Thema der nordischen Welt durch die Präsentation zog. Die Halme im Wind, die beschäftigt wirkenden Bewohner und ihr Gestus, die Farben und die Bewegungen der Welt selbst, alles wirkte einfach „richtig". Details machen einen großen Unterschied und selbst mit einer ganzen Ladung solcher muss sich der aktuelle Einzelspieler-RPG-Platzhirsch schon ganz schön mühen, um auch nur in die Nähe dessen zu kommen, was die Polen von CD Projekt mit ihrem dritten Serieneintrag auffahren und zumindest in diesem halbstündigen Ausschnitt stichhaltig vorweisen können.

Standbilder werden dem Spiel kaum gerecht, erst in der Bewegung blüht es wirklich auf.

Mit der intensivste Augenblick war nicht unbedingt der Kampf gegen ein ausgesprochen Horror-verdächtig entworfenes, Hirschschädel-tragendes Monstrum - eine Kopfbedeckung, die ein durchgängiges Motiv in dieser Ecke der Welt zu sein scheint -, sondern eine kurze Seefahrt. Mehr als jeder einzelne Moment in einem Spiel mit einem solchen Hintergrund zeigte der kurze Ritt auf einer Ruder-Nussschale über gar nicht mal so stürmische Wellen, dass in dieser Umgebung Gefühle versteckt sind, die sie von euch abfordert. Man muss nicht wasserscheu sein, um sich Gedanken angesichts der ächzenden Bretter des Bootes zu machen, Sorgen, was wohl in den schwarzen Tiefen lauern mag, sollte Gerald wirklich kentern. Später, zurück an Land, zieht ein echter Sturm auf und ein Blick auf die tosende Gischt genügt, um zu ahnen, dass nun jeder Ausflug, egal mit welchem Boot, ein Abenteuer in sich darstellen würde.

In all seinen Details gelingt Witcher 3 damit etwas, das auch selten geworden ist: Es widersetzt sich der Beliebigkeit so manch anderer Spielwelt. Sicher, praktisch jede von ihnen wurde ebenfalls mit Aufwand, Sorgfalt und oft auch Liebe entworfen, aber das Ergebnis hier geht noch einen Schritt weiter. Gleichzeitig wirkt nichts beliebig, nichts zufällig und doch eben genau das. Es könnte genug sein, um eine Art Kreationismus-Theorie in Bezug auf Spielwelten zu entwerfen. Wer Witcher 3 sieht, beginnt an einen mystischen Schöpfer zu glauben, der seine Kreation im Anschluss von der Leine ließ und sie sich nun entfalten lässt. Gesteuert, aber gleichzeitig eben doch frei.

Kein Wetter um aufs Wasser zu gehen. Etwas, das euch das Spiel wie kein anderes durch seinen Wellengang vermittelt.

Trotz all dessen bleibt Geralt von Riva das Zentrum dieses speziellen Universums. Es ist kein Welt-zentrisches System, in dem sich das Geschehen um die Figur herum selbst entfaltet, ihr seid der Auslöser großer Dinge, die der wie immer etwas widerspenstige Held wie ein Fahrwasser hinter sich herzieht. Die Wilde Jagd, im letzten Teil schon angedeutet, zeigt sich endgültig in all ihrer Pracht, als sie ein Dorf nach dem anderen auslöscht, willkürlich tötet oder versklavt und mit ihrer eigenen Interpretation eines fliegenden Holländers so spurlos verschwindet, wie sie kam. Geralts Schicksal scheint mit der Jagd unzertrennlich verbunden und so jagt ihr eurerseits jedem Hinweis nach.

Natürlich ist nichts jemals einfach. Der direkte Weg ist schnell vergessen, zumindest in dieser Präsentation. Ob ihr das später auch so handhabt, ist natürlich ganz allein eure Entscheidung, die offene Spielwelt toleriert sowohl rasante Storyerfüller wie auch Nebenquest-Schlenderer. Letztere werden reichlich zu tun haben und die Gelegenheiten dazu auch nutzen, was wiederum mit der einmalig wirkenden Spieldichte zusammenhängt. Ein Monster macht die Gegend unsicher, also nutzt ihr eine leicht aufgehübschte Version von Geralts Detektiv-Sicht, um ihm nachzustellen. Der Kampf zwischen den Resten einer lange verfallenen Burg wäre in jedem geringeren Spiel eines der ganz großen Highlights. Hier soll es nur eine Prüfung am Rande auf dem langen, harten Weg eines Monsterjägers sein. Eine Art halbverwestes Mammut mit einem monströsen Geweih und einem genuin unheimlichen Schädel, das nicht nur ein paar handfeste weltliche Attacken beherrscht, sondern auch mittels Magie die gesamte Sicht verdunkelt, setzt Beherrschung des überarbeiteten Kampfsystems voraus. Dieses soll sich nun wesentlich flüssiger spielen, mit logisch kombinierbaren Attacken. In diese spielt erneut die einfache Magie ein, die Geralt beherrscht und nun deutlich mehr Eindruck hinterlässt, mit all dem Funkenflug des Feuerzaubers.

Natürlich ist jede Idylle trügerisch.

Das Biest muss sich den traditionellen Doppelschwertern und dem Zauber-Flammenwerfer geschlagen geben, stirbt aber nicht sofort, sondern nutzt seine eigene Magie für einen taktischen Rückzug, um euch ein andermal zu belästigen. Eine Quest, die später ihren Abschluss finden könnte. Genauso läuft es mit einigen Räubern, die einen Bauern in seiner Hütte bedrängen. Zieht ihr weiter, endet es hier. Tötet ihr sie jedoch, wird der örtliche Banditenchef wohl nach einem weißhaarigen Kämpfer Ausschau halten, um diese Rechnung zu begleichen und wer weiß, ob er dafür einen für euch günstigen Moment wählt. Erst einmal müsst ihr jedoch weiter und der Wilden Jagd folgen.

Die Suche führt in ein Dorf, das wie jedes Fantasy-Dorf Probleme hat. Die alten Waldgötter scheinen nicht glücklich und töten regelmäßig Bewohner, die sich dem umliegenden Gehölz zu sehr nähern. Ihr geratet mitten in den Disput, ob dies nun "nur" ein Monster oder doch heiliger Zorn ist und wie man damit umgehen sollte. In der Präsentation entschied man sich für den direkten Weg. Ein Biest treibt sein Unwesen und Biester lassen sich töten. Also zieht Geralt aus, muss jedoch feststellen, dass es sich zwar wirklich um Klingenfutter, aber mit einem Haken an der Sache handelt. Eine Frau aus dem Dorf wurde unwissentlich von dem Biest übernommen und sie muss sterben, damit die Bestie endgültig besiegt werden kann. Leider handelt es sich um die Auserwählte eures Auftraggebers. Wie wird er also handeln, sobald ihr diese freudige Kunde überbringt?

Der Kampf wirkt deutlich flüssiger als noch im Vorgänger, was gegen solche Gegner auch nötig ist.

Witcher 3 scheint, sollte dieser Abschnitt halbwegs repräsentativ sein, voll von solchen kleinen und großen Wendungen, losen Aufgaben und Wegen, denen ihr folgen könnt oder eben auch nicht. Das an sich, gerade in der dichten Spielwelt, wirkt ausgesprochen einladend, wobei ich aber auch sagen muss, dass die Quest an sich dann im Ablauf eher der allgemeinen Standardware entspricht. Findet drei Totems mit Detektivsicht, killt ein Monster, das frei herumläuft. Der Kampf war schon ganz ok und schließlich kann sich nicht jedes Ungeheuer pittoreske Umgebungen mit komplexen Fallen für sein geplantes Ende suchen. Aber es fühlte sich eben zu sehr genau danach an. Während der Rest der Umgebung ihren Weg zu gehen schien, hatte dieses Ding nichts anderes zu tun, als genau hier und jetzt auf euch zu warten.

Das könnte aber auch daran liegen, dass die Maßstäbe nach bereits einer halben Stunde so hoch gesetzt waren, dass eine normale Quest es nicht mehr reißen konnte. Denn eines steht fest: Es gibt derzeit nichts, das auch nur annähernd an Witcher 3 heranreicht. Alle Next-Gens da draußen mit all ihren Tricks schafften nicht, was der Eindruck dieser Spielwelt vermittelte. Einen echten Sprung in der Art, wie eine Umgebung sich wahrnehmen lässt. Dass all die kleinen und großen visuellen Tricks nicht nur da sind, sondern auch, dass die Details in sich so stimmig zusammengesetzt werden müssen, um diese Illusion zu erzeugen. Ich kann es ehrlich gesagt kaum erwarten, zu sehen, wie die anderen Ländereien der großen, weiten Witcher-Welt umgesetzt wurden und es ist ehrlich gesagt auch das einzige Spiel, bei dem ich aktuell diese Formulierung benutzen würde. Ich freue mich auf vieles, was demnächst so in die Laufwerke oder durch die Datenleitungen kommt. Aber wirklich gespannt bin ich nur auf Witcher 3. Kann es die bescheidenen Erwartungen erfüllen und wird es das Rollenspiel zu enden alle Rollenspiele? Oder wird es doch nur ein schönes Gesicht in der Masse, das einen wieder mal die Standard-Quests ablaufen lässt?

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