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Die zwei Gesichter von Beyond: Two Souls

Vom Kammerspiel zu Stealth-Adventure – das muss man erst mal schlucken.

In der Kara-Demo trug Cage dick auf - mit Erfolg.

Als Beyond: Two Souls nur wenige Monate nach der spektakulären Kara-Demo (Bild) angekündigt wurde, wunderte es ein bisschen, dass die herzzerreißende Geschichte vom empfindsamen Robotermädchen nun doch keinen Platz in Quantic Dreams nächstem Projekt haben sollte. Schließlich stellte das mittlerweile schon legendäre "The Casting" Demo bereits 2006 in Ton und - nun ja - "Casting" die Weichen für Heavy Rain. Kara war dagegen nur eine einmalige Angelegenheit, soviel war schnell klar.

Zu der Zeit störte das auch nicht großartig, denn die verstörende Bildsprache einer kahlgeschorenen Ellen Page, die wortlos und offenkundig kaum zurechnungsfähig die Fragen eines besorgten Kleinstadt-Sherriffs an sich vorbeiziehen ließ, versprachen einmal mehr eine mysteriöse und unkonventionelle Geschichte, zumindest in der Welt der Spiele. Mit jedem neuen Material, das gezeigt wurde, entzauberte Quantic Dream das Projekt aber ein wenig mehr. Es sieht jetzt immer konkreter nach "Spiel" aus, mit dem Nebeneffekt, dass man irgendwie gar nicht mehr weiß, was Beyond nun sein will. Ich muss so langsam sagen, ich will Kara zurück!

Kehrtwende

Klar, mehr Willem Dafoe ist nie verkehrt, aber schon als Jodies geisterhafter Begleiter im zweiten gezeigten Gameplay-Schnipsel ein SWAT-Team auf kompromisslose Weise ausschaltet, nahm die Spielifizierung ihren Anfang. Einem Team, dessen letzter Titel dafür bekannt und beliebt ist, dass der Spieler ihn mit einem verschwindend geringen Bodycount beendete, sei es zwar vergönnt, sich in Sachen Gewalt auch mal ein wenig gehen zu lassen. Aber schade war es trotzdem, die dichte Stimmung harter Action weichen zu sehen.

Selbst den Drill zur Agentin erlebt man mit.

Doch auch hier dachte man noch: im Zweifel für den Angeklagten! Sicherlich ist Jodie verhältnismäßig wehrlos und ihr geisterhafter Beschützer hat in dieser Szene einfach etwas überreagiert. Was ließen sich mit einem so ungleichen Duo nicht für Geschichten erzählen? Eine glücklose, vom Leben geprügelte und daher irgendwo beschützenswerte Person und ihr großer, starker Freund. Nun, seit letzter Woche weiß man, dass Jodie von der CIA zum Killer ausgebildet wurde. Sogar nach Somalia schickte man sie für ein Attentat, das im fertigen Spiel an den Spieler weitergereicht wird und auf der E3 der Presse gezeigt wurde. Ich kann mich an kein Spiel erinnern, dessen Außendarstellung sich in nur einem Jahr dermaßen verändert hätte.

Vom stillen Kammerspiel sind wir offenbar mittlerweile bei einer französischen Version von Metal Gear Solid 4 angekommen, nur mit Kindersoldaten und Godmode. Die Steuerung ist im Vergleich zu Heavy Rain nun klassisch: Linker Stick laufen, rechter Stick Kamera, während euch ein freundlicher Achtjähriger mit Kalaschnikow (und vorhersehbarem Twist) zum Zielort lotst. Ein Druck der Kreuz-Taste und die kindsgesichtige Camo-Trägerin saugt sich an nahe Deckung heran. Aus dieser lassen sich Gegner häufig lautlos schlafen legen (Quadrat-Taste). Sind sie sich eurer aber gewahr, muss in den meisten Fällen Jodies Geisterfreund Aiden ran, der Gegner entweder übernehmen (die gelben), erwürgen (die roten) oder Dinge per Telekinese umwerfen und zertrümmern kann (die blauen).

Was Bond kann ...

Daraus ergeben sich klar farbcodierte Abläufe, die zu entschlüsseln zumindest in den gezeigten Szenen kein allzu großes Engagement erfordert. Den ersten Feind mitsamt seiner Deckung zerbröseln, den zweiten weiter links links erwürgen, schon könnt ihr eine Wand weiter vorrücken. Nun reicht die gespenstische Nabelschnur zwischen euch und Aiden bis zur Wache, die ihrem Kollegen am montierten MG den Rücken freihält. Die übernehmt ihr, um den Maschinengewehrschützen zu erledigen. Weiter im Text.

Das Spiel scheint von Vollkontaktkämpfen auf fahrbaren Untersätzen besessen zu sein.

Beyond: Two Souls - E3-Trailer

Auch scheint das Spiel von Vollkontaktkämpfen auf fahrbaren Untersätzen besessen zu sein. Bereits im letzten Trailer sah man eine durchaus nett choreografierte Prügelei auf einem Zug. In Somalia geht es auf der Ladefläche eines der Trucks zur Sache, während die Feinde von identischen Pick-ups auf euer Auto springen. Das Kampfsystem basiert nun auf etwas, das Quantic Dream nicht mehr als QTE bezeichnet wissen will: Die Zeit verlangsamt sich kurz und ihr vollendet mit dem rechten Stick die Bewegung, die Jodie gestartet hat. Da es hier aber scheinbar nur Erfolg und Misserfolg gibt und die Aktion von euch nur beendet wird, nicht aber bestimmt, scheint hier nur die Darstellungsform anders als in Heavy Rain. Die vergleichbaren Action-Sequenzen dort mochte ich zwar, allerdings waren es da auch verhältnismäßig wenige. In diesem Spiel habe ich schon drei von der Sorte gesehen - und wie hier einige Gegner tatenlos zusehen, wie Jodie das Karate-Kid gibt, ist stellenweise schon ein bisschen seltsam.

Andernorts sind die Parallelen zu Quantic Dreams letztem Spiel weiterhin unübersehbar. An einer Stelle muss ein von Aiden kontrollierter Feind behutsam ein Sturmgewehr aufheben, wofür nach bekannter Manier mehrere Tasten gedrückt und gehalten werden müssen. Eine Animation, die ganz wie in Heavy Rain auch zurückgespult wird, wenn man bei der Eingabe versagt. Und auch die ab und an etwas hölzernen oder zu pathosbeladenen Dialoge, die man von David Cage kennt, sind wieder mit dabei, auch wenn Page sie wirklich gut verkauft.

Nach dieser jüngsten Präsentation ist meine Vorfreude auf Beyond: Two Souls einer gewissen Verwirrung gewichen. Ein Heavy Rain konnte sich trotz aller Verfehlungen doch deutlich vom Rest der Spielwelt absetzen, glänzte in seinen ruhigen Momenten heller als alles andere, was in diesem Jahr herausgekommen war - in den Abendessen mit dem Sohnemann, in den Verhören durch die Polizei, im Gespräch mit einer an Alzheimer erkrankten alten Dame. Es lebte von Figuren, die durch und durch normal und weltlich waren. In Beyond reicht Quantic Dream das anscheinend nicht mehr. Jodie Holmes hat nicht nur eine unbezwingbare geisterhafte Entität im Schlepptau, die ihr das Leben ungewollt zur Hölle macht, sie ist auch selbst eine ziemlich unantastbare CIA-Agentin. Und ich weiß nicht, ob Quantic Dream ihrer Geschichte mit einer doppelt gefährlichen Protagonistin einen Gefallen getan haben.

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