The Witcher 3: Welche Lehren sich aus dem 'Downgrade'-Fiasko ziehen lassen - Digital Foundry
Ehrliche Trailer.
Wenige Wochen vor der E3 arbeiten Entwickler und Publisher hinter den Kulissen ohne Unterlass, auf das es die Show ihres Lebens werden wird. Es wird neue Vorstellungen geben, Überraschungsankündigungen und lange erwartete Neuankündigungen. In vielen Fällen ist es die erste Gelegenheit, die größten Titel des kommenden Jahres selbst zu sehen. Ohne Zweifel gibt es fantastische Software auf PC und Konsole - aber gleichzeitig ist da doch der Verdacht, dass es da jede Menge an Marketing-Material geben dürfte, das dem Endprodukt nicht so ganz nahe kommt oder wenigstens die Qualität des finalen Spiels nicht ganz richtig wiedergibt. Selbst wenn die besten Intentionen dahinterstecken, es kann ganz schön nach hinten losgehen. Eine Lektion, die CD Projekt in den letzten Wochen lernen musste.
Für Digital Foundry selbst war es eine frustrierende Angelegenheit, dieser Geschichte zu folgen. Natürlich sahen wir auch die Foren-Postings und Imgur-Vergleichsbilder, wie ihr auch. Gleichzeitig jedoch, ohne direkten Zugang zum Spiel, der hier auch erst zu Release möglich war, gab es nichts Sinnvolles, was man zur Debatte hätte beitragen können. Da jedoch Robert Purchese beim Entwickler direkt vor Ort war, bei CD Projekt im Studio, hatte er die Gelegenheit, die Fragen zu stellen und die Standpunkte darzulegen.
Berties Geschichte dazu förderte sinnvolle und nachvollziehbare Gründe für die Unterschiede zum 2013er Enthüllungs-Trailer zutage und erinnerte uns daran, dass CD Projekt - wie auch die meisten anderen Spieleentwickler - im Herzen gute Menschen sind, die alles tun, um die bestmögliche Qualität abzuliefern. Es zeigt aber auch, dass Verschwörungstheorien dann am besten gedeihen - in diesem Falle, dass The Witcher 3 bewusst schöner gezeigt wurde als es eigentlich ist -, wenn Studio und Fans nicht miteinander sprechen.
Im Fahrwasser dieses Interviews haben diese Downgrade-Verschwörungsformeln ein wenig mehr Verständnis über die Herausforderungen zutage gefördert, denen sich ein Studio im Laufe der Entwicklung stellen und welche Kompromisse es eingehen musste. Es wird hier noch dadurch entschärft, dass das eigentliche Spiel zum Release noch herausragend ist, aber dennoch sind die außergewöhnliche Qualität des ersten Trailers und seine Nutzung im weiteren Verlauf der Marketing-Kampagne ein Problem. Ohne den Kontext dieses Interviews muss geradezu der Eindruck entstehen, dass CD Projekt seine ursprünglichen Ziele von 2013 nicht verwirklichen konnte und der beschränkte Einblick, den der Trailer im Verglich zum ganzen Spiel gibt, scheint die eigentliche Leistung von CD Projekt zu überschatten.
Was ist also wirklich passiert? Klar ist, dass Witcher 3 schon früh in der Entwicklung einer kompletten Veränderung seiner Core-Engine unterzogen wurde, um die Vision einer dynamischen, offenen Welt umzusetzen. Der erste Fehler war, diese Vision zu zeigen, bevor sie wirklich funktionierte. Das Studio wusste einfach nicht, ob das, was sie zeigten, wirklich möglich war, auch da die letzte Iteration der REDEngine noch tief in der Entwicklung steckte. Zu sagen, dass das, was man im 2013er Trailer sah, Spielgrafik wäre, war ein Fehltritt, da es definitiv nicht der Fall war. Zu der Zeit befand sich The Witcher 3 noch nicht in einem spielbaren Zustand.
Die folgenden Präsentationen waren repräsentativer für das, was es einmal werden sollte, aber der 2013er Eindruck blieb und verursachte die Probleme - vor allem seine weitere Verbreitung, über ein Jahr nachdem dieser frühe Code bereits abgehakt war. Es scheint, dass es nicht nur einen Mangel an Kommunikation zwischen CD Projekt und seinen Fans gibt, sondern auch zwischen den internen Abteilungen und der Marketing-Abteilung. Würden die Entwicklungsabteilungen wirklich Material absegnen, wenn sie wissen, dass dies frühe Eindrücke sind und nichts mehr mit dem tatsächlichen Material zu tun haben? Wusste die Marketing-Abteilung, dass das alte Material nicht erneut verwendet werden sollte oder suchten sie sich einfach etwas heraus, das cool aussah, um ihre neuen Videos noch etwas aufzuhübschen? Glaubten sie, dass es jemals ein Thema sein würde? Schließlich werden praktisch alle Spiele mit Material vermarktet, das deutlich besser aussieht als das Endergebnis.
Nachdem die Vision einer „Multi-Region Open-World" vorgestellt wurde, ist klar, dass das Spiel, das wir nun in den Händen halten, wenig mit dem ersten Prototypen gemein hat. Witcher 3 wurde jedoch während der Microsoft Show der E3 2014 auf der Xbox One präsentiert und hinter geschlossenen Türen auch auf dem PC. Schließlich veröffentlichte CD Projekt dieses Material und zeigte den Fans einen längeren Ausschnitt des Spiels in Bewegung. Was seltsam anmutet, ist, dass selbst mit 35 Minuten direktem Bildmaterial zum Vergleich die Downgrade-Diskussion noch nicht in Schwung kam. Dabei zeigte ab diesem Punkt CD Projekt sehr offen, wie ihr Spiel nun wirklich aussah.
Es gab Änderungen im Vergleich zu dieser Demo, die das Spiel im Guten wie im Schlechten veränderten, aber die Unterschiede sind gering. Die Geometrie wurde hier und da verändert, die Beleuchtung ein wenig anders gelöst und die Farbkorrektur weicht etwas ab. Auch wurde das Vegetations-LOD angepasst, um das Aliasing besser in den Griff zu bekommen. Es gibt aber nun auch eine größere Sichtweite, zusätzliche Vegetation und eine bessere Wind-Simulation.
Hier scheint es zu einer gewissen Trennung zwischen der der Reaktion der Spieler auf das Downgrade und der Reaktion des Entwicklerteams darauf zu kommen. Ab diesem Punkt zeigte CD Projekt das Spiel, während es entwickelt wurde, und es gab durch die Bank weg Lobpreisungen. Man darf annehmen, dass das Studio kalt von der negativen Reaktion erwischt wurde, als sich das Spiel der Fertigstellung näherte. Es ist eine Tatsache, dass das Studio im letzten Jahr sehr offen dabei war, das Spiel zu zeigen, aber trotzdem waren die Leute plötzlich schockiert, dass das Spiel nicht wie das 2013er Material aussah, obwohl das nun schon eine Weile offensichtlich war.
Das fertige Spiel ist sehr nah an dem, was 2014 gezeigt wurde und teilweise sogar im Vergleich verbessert. Aber trotz des fundamentalen Wechsels der Kern-Technologien tauchte im Rahmen des Marketings immer wieder Material auf Basis des abgehefteten Prototypens auf. Dieses Material würde der Stein um den Hals von CD Projekt sein, der sie nach unten zieht. Klar, im Nachhinein ist man immer schlauer, aber der beste Zeitpunkt, zu erklären, dass der 2013er Trailer auf nicht mehr relevanter Technik basiert, wäre die E3 2014 gewesen. Dass die Engine grundlegend überarbeitet wurde und dass das Endergebnis anders aussehen würde. Es wäre auch der richtige Zeitpunkt gewesen, den alten Trailer und all das dazugehörige Material in der Schublade verschwinden zu lassen.
Aber natürlich fanden 2013er Elemnte ihren Weg in späteres Marketing, zusammen mit frühen Screenshots, die das Spiel bewerben sollten, und das sorgt für Spannungen. Die Unruhe kommt also nicht ganz von ungefähr. Die physische Verpackung des Spiels nutzt Screens aus dem frühen Code, die nicht den eigentlichen finalen Code korrekt wiedergeben und auf den Werbe-Websites des Spiels findet sich ein Video-Hintergrund, der eine Reihe von Clips aus dem 2013er Material nutzt. Sogar einige der späteren Trailer - auch das E3-2014-Material - zeigt sowohl repräsentatives Material und Elemente aus dem vergangenen Prototypen.
CD Projekt sind sicherlich nicht die Schlimmsten, wenn es darum geht, nicht repräsentative Screenshots zu benutzen. Auf die eine oder andere Art gibt das Team sogar sein Bestes, um den echten Code zu zeigen. Aber die Idee, aufgeputschte Bilder zu nutzen, ist nichts Neues im modernen Videospielmarketing und es ist eine Gewohnheit, die sich dringend ändern muss. CG-Trailer sind sowieso sinnlos, während sogenannte „In-Engine"-Videos und Screenshots nur für Verwirrung und Aufruhr sorgen. Ein gutes Beispiel ist der letztjährige E3-Trailer zu Uncharted 4, angeblich „direkt von einem PS4-System abgegriffen". Er kam unter Beschuss, als das richtige Gameplay-Material durchaus anders aussah. Die unvorteilhaften Vergleiche sorgten dafür, dass der Glanz von einem beeindruckenden, in Echtzeit berechneten Code abfiel.
Generell sollte die Praxis der "Bullshots" - ultra-hochauflösende Screenshots, die niemals in Echtzeit laufen könnten - aufhören. Wenigstens sollte klar dabei stehen, dass es sich hier um „Artworks" handelt, im Gegensatz zu echten Screenshots. Diese Art des Marketings, Assets zu nutzen, die bewusst das Produkt viel besser aussehen lassen als es eigentlich ist, muss als das benannt werden, was es ist: Grundlegend und ohne Frage unehrlich. Direkt aus einem nicht mehr genutzten Prototypen abgegriffenen Bilder sind eine Sache und, wie bereits erwähnt, in diesem Falle mit hoher Wahrscheinlichkeit einfach ein simpler Fehler - ein Produkt einer unglücklichen Fehlkommunikation. Aber bewusst nicht repräsentative Bilder zu schaffen, ist noch eine ganz andere. Es hinterlässt den Eindruck, dass die Industrie verantwortlicher mit dem Material sein sollte, das sie nutzt, um Spiele zu produzieren.
Wir werden die E3-Präsentationen daher mit großem Interesse verfolgen. Es ist zehn Jahre her, dass Sony die PlayStation 3 zusammen mit den nun berüchtigten, überoptimistischen „Target Renders" vorstellte. Der Plattformanbieter wurde zu Recht für seine unehrliche Präsentation angeprangert und Killzone-2-Entwickler Guerrilla Games traf das Meiste dieser Kritik. In der Folge hat sich einiges geändert. Guerrilla Games besteht seitdem auf Live-Vorführungen der eigenen Spiele, zuletzt be Killzone: Shadow Falls Präsentation im Rahmen des PS4-Debüts im Februar 2013. Der Entwickler steht zu der Qualität seines Produktes und verfolgt einen „grundsätzlich in Echtzeit"-Ansatz, der, wo immer möglich, Standard sein sollte.
Das Gute ist, dass andere Entwickler dem zu folgen scheinen. Ubisofts Präsentation von Assassin's Creed: Syndicate hat das Blatt ein wenig zu den eigenen Gunsten gedreht, indem sie einen High-End-PC für die Präsentation nutzten, aber es sieht so aus, als sei es Code in Echtzeit, der auf für Endkunden verfügbarer Hardware läuft. Und egal ob PC oder Konsole, so sollte es sein. Spiele sehen heutzutage inzwischen durch die Bank weg so gut aus, dass sie nicht mehr aufgehübscht werden müssen. Und ohne eine grundlegenden Wechsel der Art, wie Spiele gezeigt werden, kommt man nicht umhin zu denken, dass die Industrie nur noch eine Sammelklage davon entfernt ist, dazu gezwungen zu werden.
Zusätzliche Berichterstattung, Traileranalyse and Assets von John Linneman.