Technik-Analyse: The Witcher 2 - Xbox 360 und PC
Digital Foundry zeigt, dass The Witcher 2: Assassin of Kings auf der Xbox 360 nicht mit der PC-Version gleichziehen kann und warum sie trotzdem ein technisches Wunderwerk darstellt.
Als The Witcher 2007 erschien, gab es keinen Mangel an positiven Tests, aber die Nutzung von BioWares Aurora-Engine war für viele eine Enttäuschung. Wie antwortet Entwickler CD Projekt RED darauf? Mit einer State-of-the-Art-Engine, die eines der technisch hochentwickeltsten und schlicht schönsten Spiele antrieb, die der PC je gesehen hat: The Witcher 2: Assassins of Kings, erschienen im Mai letzten Jahres.
Viele glaubten, dass eine angemessene Konsolenumsetzung dieses Spiels schlicht unmöglich wäre, aber es ist in gewisser Weise nur passend, dass das Debüt der Engine von RED auf der 360 in vielerlei Hinsicht noch verblüffender ist als ihre Leistung auf dem PC. Es gibt natürlich verständliche Einschränkungen, aber der allgemeine Look kommt dem Vorbild schon sehr nahe. Der wahnsinnige Level an Details sowohl bei der Landschaft als auch bei den Charakteren, der immense Eindruck von Weite in den reichhaltig ausgestatteten, wunderschön animierten Umgebungen, die riesige Zahl an Post-Processing-Effekten und atmosphärischen Render-Effekten. In allen Bereichen, wo es zählt, liefert die 360-Fassung voll ab.
Das vielleicht Eindrucksvollste an The Witcher 2 ist, wie es mit Licht und Schatten umgeht. Alles wird dynamisch und in Echtzeit gerendert und eine Vielzahl von Lichtquellen kann jederzeit genutzt werden. Auch wird ein kompletter Tag/Nacht-Zyklus in den entsprechenden Umgebungen unterstützt. Nichts erscheint vorgerendert oder in die Level fest "eingebacken", wie es oft bei Konsolen-Titeln der Fall ist. Hier wurden keine Abkürzungen genommen. Eine Philosophie, die sich durch alle technischen Aspekte des Spiels zieht.
Das Beste daran ist, dass The Witcher 2 auf der Xbox 360 kein direkter Port ist. CD Projekt RED hat sich das Spiel ganz genau angeschaut und es durch die Bank noch einmal verbessert. Diese "Enhanced Edition" ist auf vielerlei Weise eine Neufindung des Spiels, vollgepackt mit Verbesserungen im Gameplay, bei der Grafik, dem Inhalt und der Technologie dahinter.
Beginnen wir mit einem Blick auf die Video-Eindrücke im direkten Vergleich mit einer 720p Vergleichs-Galerie. Behaltet im Hinterkopf, dass es bei diesem Vergleich einen Unterschied gibt: Es wird nicht nur die Xbox 360-Version mit dem ursprünglichen PC-Release verglichen, sondern auch dieser mit der PC-Enhanced-Version. Und auch dort gibt es eine ganze Menge an Unterschieden. Zwei Vergleiche in einem also und eines der erkenntnisreichsten Vergleichsvideos, das wir seit geraumer Zeit produziert haben.
Für diesen Test wurde der Digital-Foundry-Standard-Test-PC genutzt: Ein auf 3,33GHz übertakteter i7 in Verbindung mit einer NVIDIA GeForce GTX 680. Alle Einstellungen im Spiel wurden auf das Maximum gesetzt. Die einzigen Ausnahmen sind das Texturen-Down-Sampling und CD Projekt REDs auswählbares Übersampling, welches selbst auf High-End-System der Performance ordentlich zusetzt.
"Multiplattform-Entwicklungen nutzen normalerweise Texturen auf Konsolen-Level, die dann auf dem PC höher aufgelöst werden. Nicht so The Witcher 2, welches Texturen nutzt, die ganz klar entworfen wurden, um auf Spitzen-Display-Modi gezeigt zu werden."
Wie man es auf dem reinen Technik-Level erwarten sollte, gewinnt der PC leicht in einigen Bereichen. Die Textur-Qualität und das Filtering bewegen sich in einer ganz anderen Liga, als es auf der 360 der Fall ist. Das ist nicht überraschend. Spezialfälle mal ausgenommen, ist es der Standard für Multiplattform-Entwicklungen, das Artwork auf 720p abzustimmen und dieses dann für den PC einfach in einer höheren Auflösung zu rendern. Nicht so bei Witcher 2, wo die Entwickler klar darauf abzielten, bessere Ergebnisse für Auflösungen von 1680x1050 und höher zu liefern.
Hie gibt es so viel Details in den Texturen, dass es, lässt man es auf 720p laufen, manchmal einen schimmernden Pixel-Crawl-Effekt gibt. Möglicherweise eine Nebenerscheinung des Mangels an einem Multi-Level Anti-Aliasing und zu vielen Details für eine, für PC-Verhältnisse, sehr niedrige Auflösung. Wenn ihr die GPU-Leistung übrig habt, kommt hier das Übersampling als Option ins Spiel.
Der PC gewinnt auch mit Leichtigkeit, wenn es um die Qualität der Schatten geht und darum, wie viele von ihnen dynamisch in Echtzeit gerendert werden. Die Effekte profitiert nicht nur von hochpräzisen Buffern, sondern auch von der höheren physischen Auflösung. Die Performance-fressenden Alpha-Effekte wie Rauch, Nebel und Partikel laufen auf der Xbox 360 klar in niedrigerer Auflösung, wobei die sich überschneidende Geometrie häufig unschöne Treppchen und Kanten zeigt.
In anderen Bereichen sieht man auch die generell höhere Präsentationsqualität des PCs: Beiden Versionen nutzen Post-Process-Anti-Aliasing und der Effekt zeigt sich im Original-Release weit sauberer. Die Xbox 360 scheint Konsolen-Standard FXAA oder etwas sehr ähnliches zu nutzen. Textur- und Geometrie-Pop-ins und auch die Sichtweite fallen klar zugunsten des PCs aus, so wie man es erwarten würde.
Nichts davon schmälert aber die Leistung an sich. The Witcher 2 auf der Xbox 360 besitzt eine Mischung aus künstlerischer und technologischer Leistung, die man sonst bei AAA-Spielen der besten Entwickler im Business sieht, stets mit einem riesigen Budget dahinter. Die Realität ist, dass CD Projekt RED nicht einfach nur das Spiel umsetzte, sodass es auf der Xbox 360 läuft, sie haben es sogar verbessert. Die Enhanced Version bietet vieles: Der gesamte DLC des PC - dort ohne Aufpreis zu haben - wurde nahtlos in die Handlung eingebunden. Darüber hinaus verwöhnt euch diese Ausgabe mit einem hübschen neuen Intro und fügt ein paar neue Lokalitäten hinzu, die es auf etwa vier Stunden Extra-Spielzeit bringen. Auch überarbeitete es den im Original bereits vorhandenen Support des Gamepads in ein natürlicheres, intuitiveres und leichter zu nutzendes Interface.
Was jedoch in den Besprechungen der Enhanced Edition etwas zu kurz kam, ist, dass der Look des Spiels sich seit seinem ursprünglichen Release merklich veränderte. Wie man auf den Vergleichsbildern sehen kann, fallen besonders die Änderungen in der Ausleuchtung auf. CD Projekt RED scheint im Bereich des HDR-Rendering sehr viel sicherer geworden zu sein und als Ergebnis erscheint das Spiel in einer anderen Atmosphäre. Realistischer und natürlicher, weniger wie ein hochpräziser CG-Film.
"Diese Enhanced Edition ist weit mehr als eine übliche Spiel-des-Jahres-Inhaltssammlung. Es ist eine komplette Neubetrachtung des Originals in den Bereichen Grafik, Gameplay, Inhalt und Technologie. "
Die Wetterbedingungen wurden von Mission zu Mission geändert und es scheint eine Vielzahl von Änderungen bei den atmosphärischen Effekten zu geben. Es bleibt der Eindruck, dass die Entwickler sich weit mehr auf die organische Natur der Core Engine einließen und ein dazu passendes Licht-Modell entwarfen. Das Ergebnis ist einfach schön.
Es ist interessant, dass die Entwickler auch die Ausleuchtung der Charaktere überdacht haben. In der Original-Fassung gab es den deutlichen Eindruck, dass Geralt und seine Gefährten überbelichtet wurden, um sie stärker von den dunklen Umgebungen abzusetzen. Der Unterschied ist nun, dass sie sich natürlicher in den Hintergrund einfügen und dass dort, wo es nötig war, angemessene Lichtquellen platziert wurden. Damit nicht genug. In einigen Bereichen wurden sowohl bei den Leveln als auch bei den Charakteren Änderungen und sogar Überarbeitungen des ursprünglichen Artworks vorgenommen, was ihnen einen natürlicheren Look verleiht.
Während dieser Artikel entstand, konnte CD Projekt RED leider noch keine PC-Version der Enhanced Edition zur Verfügung stellen, um einen noch genaueren Vergleich vornehmen zu können. Es ist jedoch eigentlich ein glücklicher Umstand, lässt sich doch so die Leistung der Firma besser würdigen, dass sie ein schon gutes Spiel noch einmal verbesserte. Es ist besonders bemerkenswert, dass die Xbox-Version in gerade einmal 11 Monaten fertiggestellt wurde, selbst wenn etwa 100 Mitarbeiter dafür nötig waren.
"Die Xbox-Version von Witcher 2 wurde in 11 Monaten von etwa 100 Mitarbeitern fertiggestellt. Eine bemerkenswerte Leistung, bedenkt man die Größe des Unterfangens und die vorgenommenen Verbesserungen."
Natürlich ist das nicht das erste Mal, dass wir High-End-PC-Technik erfolgreich auf die Konsole umgesetzt sehen, Crytek gelang dies zuerst mit Crysis 2, und während dort der Großteil des visuellen Eindrucks den Weg auf die Xbox 360 und PS3 schaffte, blieb die Framerate vorsichtig gesagt variabel. Eine Situation, die sich ein paar Monate später mit dem ersten Crysis wiederholte. Reichhaltige Effekte in Verbindung mit harter Ausnutzung des Physik- und KI-Codes sorgen für Einbrüche der Performance und während es immer noch sehr gute Spiele sind, scheinen sie auf der älteren Konsolen-Hardware einfach nicht ganz "zu Hause" zu sein. Könnte es bei The Witcher 2 ein ähnliches Problem geben?
Um die Engine einem angemessenen Stress-Test zu unterziehen, wurden zwei verschiedene Performance-Analyse-Videos aufgenommen. Das Erste betrachtet den Kampf im Spiel. Dieser kommt in praktisch jeder Umgebung des Spiels vor, also wurden dichte Gameplay-Szenen gewählt, Massen von Gegnern und auch beides zusammen. Das Video endet mit dem ersten riesenhaften Boss. Wollt ihr den jetzt noch nicht sehen, solltet ihr das Video bei 5:50 beenden.
In Sachen Performance zielten die Entwickler auf den üblichen Konsolen-Standard ab. Die Framerate wird bei 30 Frames pro Sekunde gekappt, und wenn das Rendering das verfügbare 33,33ms Budget übersteigt, wird der V-Sync fallen gelassen und der Framebuffer wird gewechselt, sobald er fertig ist, statt auf den nächsten Screen zu warten, was in einem Screen-Tearing resultiert. Es ist, kurz gesagt, das gleiche "Soft-V-Sync", dass man bei Spielen wie Battlefield 3, Alan Wake und unter anderem bei fast allen Unreal-Engine-3-Spielen sieht.
"Ein High-End-PC-Spiel auf die 360 umzusetzen ist eine großartige Leistung und The Witcher 2 hat die Performance, um mit der visuellen Errungenschaft gleichzuziehen."
Dies ist auch die richtige Entscheidung bei diesem Spiel. Selbst wenn die 30FPS nicht ganz eingehalten werden, fühlt sich die Steuerung präzise und reaktionsschnell an. Es ist in Wahrheit auch sehr selten, dass man wirklich das Tearing des Screens sieht. Wahrscheinlich liegt dies an dem dezenten Farbschema und dem Mangel an sehr schnellen Bewegungen. Mehr Ähnlichkeiten zwischen zwei Frames erschweren es für das menschliche Auge, das Tearing wahrzunehmen und der Eindruck, den ihr haben werdet, geht schlimmstenfalls in die Richtung eines kaum sichtbaren "Wackelns", ganz im Gegensatz zu sonst auftretenden Bild-Artefakten.
Es ist selten, dass The Witcher 2 unter 28 FPS fällt. Durchaus eine Leistung, bedenkt man die Fülle der Eindrücke, die Zahl der umherwandernden NPCs und die zu jedem Zeitpunkt im Spiel vorhanden Effekte.
Die zweite Analyse widmet sich den Cutscenes. Ein Schlüsselelement in jedem modernen Adventure und etwas, mit dem ihr in The Witcher 2 eine ganze Menge Zeit verbringen werdet. Von ein paar FMV-Sequenzen abgesehen sind alle Szenen vollständig in der Engine gehalten, was für eine angenehme Konsistenz zwischen Storytelling und Spiel sorgt. Allerdings werden hier ein paar Rendering-Techniken eingeführt, die nicht im sonstigen Spielverlauf zu sehen sind, darunter höher aufgelöste Charaktermodelle und ein wechselnder, hochwertiger Depth-of-Field Effekt, der in der Enhanced Version deutlich dezenter ausfiel (360 vs. PC).
Allerdings hat die Nutzung dieser Technik Einfluss auf die Performance der Engine. Hier ist deutlich häufiger ein Tearing zu sehen und auch mehr Einbrüche der Bildrate, speziell in Szenen, wo eine Menge an Transparenzen ins Spiel kommt.
"Selbst wenn die 30FPS nicht ganz eingehalten werden, fühlt sich die Steuerung präzise und reaktionsschnell an. Es ist in Wahrheit auch sehr selten, dass man wirklich das Tearing des Screens sieht."
Die gute Nachricht ist, dass trotz der merklich niedrigeren Framerate das Tearing relativ unmerklich bleibt und das auch aus den gleichen Gründen wie zuvor. Dazu liegt es in der Natur der Szenen der "Redenden Köpfe", dass es nicht so viele Bewegungen gibt und die Charaktere führen kaum dramatische Gesten aus, sodass das meiste Tearing für das menschliche Auge kaum wahrnehmbar bleibt, was auch gut in dem Analyse-Video zu sehen ist.
Im Ergebnis ist klar, dass die Performance von The Witcher 2 auf der Xbox 360 dem Level des sonstigen visuellen Spektakels entspricht. Dies ist zwar eine PC-Umsetzung, aber auf einem Level, den man sonst von einem ausgesuchten First-Party-Studio erwarten würde, das das Spiel genau auf die Stärken der Konsole zuschneiden.
Vergleicht man es mit einer ähnlichen Technik, wie etwa der Anvil-Engine, die sich über die ersten vier Assassin's-Creed-Spiele hinweg weiterentwickelte, dann schlägt sich die Engine von CD Projekt RED im ersten Anlauf besser. Das zeigt sich in den Charakteren, den Details der Umgebungen, den Beleuchtungen und es läuft dazu noch besser.
Das i-Tüpfelchen dabei ist, dass alle diese Änderungen auch in die PC-Version in Form eines 11-GB-Patches zurückfließen, sobald die Konsolen-Version erschienen ist. In einer Zeit, in der Publisher nur zu glücklich sind, Geld für Online-Pässe, On-Disc-DLC, Avatare und ihre Items und Dashboard-Themes zu nehmen, schließt sich CD Projekt RED der Philosophie von Valve an, dass Spieler zu Wertigkeit hingezogen werden. Der polnische Entwickler gibt dieses umfangreiche Update gratis an alle Besitzer der PC-Version heraus.
Es ist ein Zug, der nicht nur Sympathien bei den bisherigen Besitzern des Spiels wecken dürfte, sondern auch viele Leute ermuntern dürfte, das Spiel zu kaufen. Und davon ausgehend, wie gut die schon die 360-Version aussieht, wird die PC Enhanced Edition etwas wirklich Besonderes.