Digital Foundry: Die Technik der Wii U auf der E3
Ein technisch versierter Blick auf Nintendos neue Konsolen-Vorstellung.
Man kann durchaus sagen, dass das letztjährige E3-Debüt der Wii U mehr Fragen aufwarf, als wir beantworten konnten. Die Präsentation machte klar, dass Nintendo sich einmal mehr aus dem technologischen Wettrüsten heraushalten würde, das seine Wettbewerber Milliarden an Verlusten gekostet hatte. Und dass man sich auf ein Controller-gestütztes Konzept konzentrieren würde, dem man größere Mainstream-Chancen beimaß. Dennoch, eine Konsole, die sieben Jahre nach dem Debüt der Xbox 360 herauskommen würde, musste doch sicher irgendwie die Generationensprünge widerspiegeln, die die Technik seither gemacht hat? Die Demos legten allerdings Gegenteiliges nahe und heute, ein Jahr später, scheint sich daran nichts geändert zu haben.
Natürlich macht sich Nintendo nicht so viel aus technischen Spezifikationen - eine Einstellung, die die Firma gerne offiziell nach außen trägt. Seine Weltklasse-Entwicklerteams verfügen zudem über die beinahe unheimliche Fähigkeit, die Spiele auch auf schwächerer Hardware so gut aussehen zu lassen, wie sie sich spielen. Und die Möglichkeiten, die sich ihnen durch modernere Hardware eröffnen, sind schlicht immens.
Besonders die Assets, die Nintendo veröffentlichte, sind bemerkenswert "Low-Fi": Die firmeneigenen Screenshots bestätigen, dass selbst seine simpelsten Titel in 720p-Auflösung und ohne jegliches Anti-Aliasing laufen. Genau wie die Demos vor einem Jahr. Ein näherer Blick auf die Showcase-Titel, die Nintendo auf dieser E3 vorstellte, zeigt außerdem eine erstaunlich wackelige Performance, die so nicht von einer weit fortgeschrittenen Hardware kaum sechs Monate vor ihrer Veröffentlichung zu erwarten war. Dies können wir uns nur dadurch erklären, dass der zweite Bildschirm möglicherweise mehr Leistung zieht, als wir ursprünglich gedacht hätten.
Nintendos Nachfolger im Geiste zu Wii Sports - Nintendo Land - ist ein interessantes Beispiel dieser Inkonsistenz. Theoretisch betrachtet handelt es sich hier um ein "Heimspiel", bei dem Nintendo mit dem glänzen sollte, was es am besten beherrscht. Zwar sind Konzept und Charme immer noch vorhanden, die gewohnte 60FPS-Bildrate schwankt gelinde gesagt allerdings. Für einen visuell derart sparsamen Titel verwunderlich.
"Nintendo Land zielt auf eine Bildrate von 60FPS ab, ein zentrales Element roher Spielbarkeit von vielen Nintendo-Titeln."
Um dies zu zeigen, seht ihr hier unser erstes Analyse-Video, mit besten Empfehlungen von Spike TV deren HD-Übertragung diese Untersuchung überhaupt erst möglich gemacht haben. Auch wenn die Performance in den simplen Mini-Spielen recht stabil bleibt, beobachtet man in den Hubs häufig Einbrüche der Bildrate. Das Spiel ist eindeutig noch "work-in-progress", trotzdem sind wir immer noch ein bisschen perplex, warum es hier überhaupt Probleme geben sollte. Alles, was hier zu sehen ist, sollte eine moderne GPU eigentlich nicht besonders auf die Probe stellen. Wie dem auch sei, was wir hier unterdessen nicht sehen können, ist natürlich, was zur selben Zeit auf dem Tablet-Bildschirm des Controllers passiert. Nintendo Land machte allgemein regen Gebrauch von sowohl Split-Screen als auch dem zweiten Bildschirm. Und das dürfte selbst bei relativ simplen Spielen zumindest ein bisschen auf die Performance drücken. Das Pac-Man-artige Luigis-Mansion-Spiel hält sich insgesamt ziemlich nah an den 60FPS, aber rechnet zugleich auch einen separaten, zweiten Blickwinkel für den zweiten Controller, während das Zelda-Sub-Spiel drei Perspektiven auf den Hauptbildschirm bringt und einen vierten Blickwinkel auf dem Tablet generiert.
Wenig überraschend für eine Serie, bei der eine stabile Bildrate so großen Beitrag zu der unantastbar guten Steuerung leistet, lieferte New Super Mario Bros. U genau das, was wir erwartet hatten: felsenfeste 60FPS von Anfang bis Ende (wenn man mal von einem anscheinend vermasselten Schnitt im Video absieht). Und es sah mit einer Wagenladung Charakter und toller Art-Direction tatsächlich sehr, sehr nett aus.
Nintendo weiß, dass der Launch-Erfolg seiner Hardware durch einen neuen Titel seiner wichtigsten Marke kräftig angeschoben wird. Und obwohl wir keinen Zweifel daran haben, dass dies hier ein tolles Spiel wird, ist es doch ein bisschen enttäuschend, dass bisher wir kein Mario-Galaxy-artiges neues Spiel gesehen haben. Da Shigeru Miyamoto ein neues Zelda mehr oder weniger für eine lange, lange Zeit ausgeschlossen hat, gab es auf der E3 vonseiten Nintendos nichts, was angemessen demonstriert hätte, wozu die Hardware in den Händen einiger der fähigsten First-Party-Studios der Industrie in der Lage ist.
"New Super Mario Bros. U stellt die Wii-U-Hardware wohl kaum auf die Probe, wird aber in Sachen Charme und Spielbarkeit sicher überzeugen. "
Was wir jedoch bekommen haben, war das glorreiche Pikmin 3, das niemand anderes als Miyamoto höchstpersönlich vorführte. Dem Spiel tropft der Charme aus jeder Pore. Dank einer Kombination aus stylischem, charismatischem Artwork und wundervollen Animationen der Welt und ihrer Bewohner sieht es einfach fantastisch aus. Zudem bekamen wir hier einige der modernen Post-Processing-Effekte zu sehen, mit denen Nintendos Grafiker experimentiert haben. Es tat gut, zu sehen, wie überzeugend der Effekt implementiert war.
Unsere Analyse bestätigt, dass Pikmin 3 mit recht stabilen 30 Bildern pro Sekunde läuft und nur gelegentlich leicht in niedrigere Bereiche absackte, wenn Effekte die Hardware etwas mehr belasteten. Dies deckt sich allerdings nicht mit den Berichten von einem nicht näher genannten Firmensprecher, der auf der Messe versprach, das Spiel würde mit 60 Bildern pro Sekunde ausgeliefert. Der Framebuffer weist deutlich in Richtung 720p ohne Anti-Aliasing, auch wenn einige Szenen implizieren, dass unter Umständen eine Art Post-Process-Kantenglättung angewandt wurde.
Von allen Nintendo-Titeln wies Pikmin 3 die meisten modernen Eigenschaften in Sachen Grafik auf. Die 30FPS legen dabei nahe, dass die Hardware im Grunde keinen fundamentalen Sprung gegenüber dem darstellt, was die Current-Gen-Konsolen bieten. Natürlich ist bis zum Release noch mit einiger Optimierung zu rechnen, allerdings ist es sehr unwahrscheinlich, dass die allgemeine Performance sich radikal steigern wird.
"Pikmin 3 zeigt sich grafisch schon von aufwendigerer Seite. Aber bei der Bildrate begnügt man sich mir 30FPS und nähert sich damit den Gamecube-Vorgängern an. "
Die E3 2012 gewährt uns außerdem einen ersten Blick darauf, wie die Third-Party-Hersteller die Wii-U-Hardware einsetzen. Die Kombination aus einer Drei-Kern IBM-CPU und einem modernen AMD Grafik-Kern ist eine interessante Wahl, weil es Abwärts-Kombatibilität mit Wii-Spielen ermöglicht und gleichzeitig einige Charakteristika der Architektur der Xbox 360 teilt.
Hier ein schnelles Round-Up auf Basis der kürzeren Clips, die wir bei der Nintendo-Konferenz zu sehen bekamen, von Spielen, die bereits als PS3- und Xbox-360-Versionen existieren oder sich in der Entwicklung befinden. Da es sich nicht um Live-Gameplay auf Basis direkter Feeds von der Konsole handelte, können wir natürlich wenig über die Aussagekraft des Materials sagen. Im Fall von Mass Effect 3 gehen wir davon aus, dass die PC-Version genutzt wurde.
- | Ungefähre Performance |
---|---|
Darksiders 2 | 15-60FPS |
Mass Effect 3 | Filmsequenzen 30FPS, Gameplay 60FPS |
Tank Tank Tank | 30FPS |
Tekken Tag Tournament 2 | Filmsequenzen 30FPS, Gameplay 60FPS |
Trine 2: Director's Cut | 30FPS |
Ninja Gaiden 3: Razor's Edge | 30FPS |
Aliens: Colonial Marines | 30FPS |
Assassin's Creed 3 | 30FPS |
"Wii U wird sicher einige großartige Nintendo-Spiele ermöglichen. Aber wird der Fokus auf Current-Gen-Technik in dieser Zeit des Umbruchs nicht die Anziehungskraft auf Third-Party-Entwickler schmälern?"
Die neue Armored Edition von Batman: Arkham City war der offensichtliche Fokus für Nintendo. Rocksteadys Klassiker wurde um eine Reihe Wii-U-exklusiver Features ergänzt, die sich im Kern um den Einsatz des Tablets drehten, wann immer man mit Bruce Waynes "wundervollen Spielzeugen" hantierte. Das Spiel ist jedoch auch aus anderen Gründen wichtig, denn es ist unsere erste Chance, zu sehen, wie sich die Unreal Engine 3 auf der neuen Hardware schlägt. Wir haben einige der Direct-Feed-Clips der Nintendo-Konferenz analysiert und sind zu interessanten Ergebnissen gelangt.
Unreal-Engine-3-Spiele sind auf Xbox 360 und PS3 in der Regel auf 30FPS beschränkt und verzichten auf V-Sync, wann immer das Spiel unter diese Grenze fällt. Die bisherigen Versionen von Batman: Arkham City folgen diesem Schema, obwohl der TriOviz 3D komplett ungelocked ist, was zu Bildraten bis zu 45FPS resultiert (360). Im normalen 2D-Modus wird auf 30FPs beschränkt, um die allgemeine Konsistenz des Erlebnisses zu gewährleisten.
Auf der Wii U war die gesamte Präsentation von Anfang bis Ende mit V-Sync versehen. Es machte sich definitiv das Gefühl breit, dass die Performance etwas darunter litt, denn es stotterte ab und an spürbar. Allerdings sollte man den ganzen Walkthrough gesehen haben, um etwas mehr Kontext zu erhalten. Denn auch auf dem zweiten Bildschirm spielte sich gleichzeitig Einiges ab.
"Batman: Arkham City ist unser erster Ausblick darauf, was die Wii U mit der Unreal Engine 3 zu leisten imstande ist. Schon ein oberflächlicher Vergleich enttarnt viele Unterschiede zu den bereits veröffentlichten Versionen des Spiels."
Arkham City ist ein interessanter Fall, weil wir hier ein Spiel vor uns haben, das den Entwicklern dank seiner PC-Version eine ganze Reihe Verbesserungen zur Verfügung stellt. Viele davon sind DirectX-11-basiert und damit fast sicher außer Reichweite der Wii-U-Grafikkarte. Aber es gibt eine Reihe Variablen, auf die auch die Designer der neuen Version zurückgreifen könnten - Draw-Distance und dergleichen.
Wir haben eine Reihe Bilder vom Wii-U-Material gemacht, das Warner Bros. Veröffentlichte und gingen zurück zur ursprünglichen PC/Xbox-360/PS3-Version, um eine Idee von der Richtung zu bekommen, die die Entwickler einschlugen.
Zunächst dieses Vergleichsbild von Two-Faces Geplänkel mit Catwoman. Hier stellen wir in der Wii-U-Version eine offensichtliche Steigerung der Textur-Auflösung fest. Und etwas, das wir in unserem ursprünglichen Face-Off nicht festgestellt hatten: Die PC-Version lässt diese Szene in Echtzeit laufen, während die Xbox-360- und die PS3-versionen Offline Renders als FMV einspielt, was etwaige Defizite in der Bildqualität erklärt.
Der Vergleich des verlustreichen Wii-U-Grabs mit makellosen HDMI-Captures macht es unmöglich, festzustellen, ob die Wii U hier in Echtzeit rechnet oder nicht. Aber es lässt tief blicken, dass die zusätzlichen Details selbst bei diesen Defiziten noch klar sichtbar sind. Selbst wenn die Wii U hier ein Offline Render abspielt, würde das bedeuten, dass brandneue Assets eigens für die Wii-U-Ausgabe erstellt wurden, die die 25GB Blu-ray-Platz weiter füllen würden - das ist etwas, das wir nicht einmal bei der PS3-Version beobachten konnten.
"Die düsteren FMVs der Konsolenversion von Arkham City erscheinen in der Wii-U-Ausgabe deutlich klarer."
Hier wird es richtig interessant: Im nächsten Bild, dem von dem explodierenden Glockenturm nach Batmans erster Begegnung mit Harley Quinn, kann man erkennen, dass die Entwickler der Wii-U-Fassung ihre eigene Richtung einschlagen. Die Xbox 360-, PS3- und DX11-Versionen auf maximalen Einstellungen in 1080p gleichen sich sehr. Auf der neuen Nintendo-Konsole gibt es hingegen einige Änderungen.
Zunächst einmal gibt es grundlegende Unterschiede beim Beleuchtungsmodell. Die Positionierung ist anders, einige Lichtquellen kamen hinzu, andere wurden entfernt. Auf der Wii U gibt es zudem anscheinend Motion Blur, andere Einstellungen beim Atmospheric Rendering und einige brandneue Assets. Nicht nur hängen jetzt Banner vom Turm, auch einige neue Texturen sind zu sehen. Es gleicht tatsächlich mehr dem Look Gebäudes, als man sich ihm im ersten Kapitel des Spiels nähert, um Catwoman zu retten.
Die Szene sieht komplett anders aus. Doch obwohl wir Neue Details erkennen, sind auch Einschnitte zu verzeichnen. Die Draw-Distance scheint deutlich niedriger zu sein, während in mittlerer Distanz einige Gebäude fehlen und einige kleinere Szenen-Details hinzugefügt wurden, etwa Wassertürme. Auch einige dünnere Geometrie ist nicht mehr vorhanden. Wir ziehen hier keine voreiligen Schlüsse bis wir selbst Hand anlegen konnten, aber es deutet einiges darauf hin, dass einige Elemente entfernt oder hinzugefügt wurden, um sich an die Gegebenheiten der Hardware anzupassen.
Wir sind uns außerdem ziemlich sicher, dass die 720p-Präsentation der Konsolenversionen um FXAA oder einen gleichwertigen Anti-Aliasing Post-Process ergänzt wurde. Dieser scheint in alle Gameplay-Ausschnitten aktiv zu sein, in der Detektivsicht aber deaktiviert zu werden. Die PS3- und 360-Gegenstücke bieten keinerlei Kantenglättung.
"Verbessertes Anti-Aliasing, LOD-Anpassungen und Textur-Unterschiede. Auch abseits der Tablet-Spielereien sollte die Arkham-City-Wii-U-Analyse sehr interessant werden. "
Die Berichte, die Wii U sei deutlich leistungsstärker als die erste Welle an Titeln vermuten lasse, dauern an und legen nahe. Sie legen nahe, dass bisher gesehene Beispiele auf unfertiger Hardware, mit noch nicht kompletten Tools erstellt worden sind, von Entwicklern, die das Gerät noch nicht gut kennen. Im Fall von Arkham City ist es unseres Wissens nach Warner Bros. Studio in Montreal, dass sich um die Umsetzung kümmert, während Rocksteady sich um seine eigenen Projekte kümmert.
Dennoch: Um den anstehenden Wechsel von den aktuellen HD-Konsolen zu ihren enorm verbesserten Nachfolgern zu überleben, braucht die Wii U einiges an Kraft, um die Generationen-Kluft zumindest teilweise zu überbrücken. Die E3 lieferte jedenfalls kaum Indizien dafür, dass die rohe Power, die dafür nötig ist, zur Verfügung steht. Wenn es hier darum geht, die Hardware gut genug kennenzulernen, um das Maximum aus ihr herauszukitzeln, darf man durchaus die Frage stellen, ob die Dritthersteller bereit dazu sein werden, die entsprechende Zeit und Mühe dafür aufzubringen. Wenn man sich daran erinnert, wie lange es gedauert hat, den Standard von PS3-Spielen auf den Level zu hieven, wie man ihn von der Xbox 360 gewohnt war, darf man durchaus bezweifeln, ob der Wii U zeitlich gesehen ein vergleichbarer Luxus vergönnt ist.
Mittelfristig steht eine ganze Reihe neuer "Cross-Gen"-Titel zu erwarten - man denke an Spiele wie Star Wars 1313 auf Basis der Unreal Engine 3 oder Ubisofts spektakuläres Watch Dogs. Diese Titel erscheinen fast sicher noch auf aktuellen HD-Konsolen, aber Wii-U-Versionen von ihnen und einigen anderen Schlüsseltiteln des Jahres 2013 sind bisher nicht angekündigt. Zudem herrscht ein spürbarer Mangel an aktuellen Spielen für das Launch-Portfolio der Konsole.
Fairerweise muss man sagen, dass es hierbei vermutlich mehr an wirtschaftlichen Fragen liegt als an technischen. In wirtschaftlich unsicheren Zeiten, sollten die Publisher dann große Ressourcen der Entwicklung für ein bislang unerprobtes Format abstellen? Wird sich ein Wii-U-Spiel auch ohne außergewöhnlich gute Tablet-Features gut verkaufen? Unsere größte Sorge bezüglich der Unterstützung durch Dritthersteller ist aber: Selbst wenn die Zahlen stimmen, bis die installierte Userbasis entsprechend aufgestellt ist, dürfte die Entwicklung für Current-Gen-Hardware schon zurückgefahren worden sein. Berücksichtigt man dann noch ein First-Party Line-Up, das zwar in Sachen Innovationen viel verspricht, aber wahre Next-Gen-Marios oder -Zeldas vermissen lässt, dann kann man durchaus sagen, dass Nintendo in den kommenden Monaten noch viel zu beweisen hat.