DiRT Rally feiert die pure Leidenschaft fürs Fahren
Early Access richtig gemacht.
Dirt Rally schlug mehr oder weniger aus dem Nichts auf Steams Early Access auf. Nach umwerfendem frühen Feedback ist es mittlerweile wohl eines der Vorzeigeprojekte, wie Entwickler diese neue Plattform im Optimalfall nutzen sollten, um auf traditionellem Wege schwierig zu vermittelnde Spielideen direkt an die Leute zu richten, für die sie gedacht sind. Nicht nur startete man clevererweise mit einer gestaffelten Preisstruktur, man lieferte vom Start weg ein reizvolles Erlebnis und veröffentlichte fleißig umfangreiche Updates. Fast kann man darüber vergessen, wie schamlos andere Entwickler die Plattform häufig ausnutzen.
Aber das soll hier nicht Thema sein, denn das täte Codemasters jüngstem Werk Unrecht. Im Mai lieferten die ersten Hill Climbs mit sagenhaft leistungsstarken Autos eine erfrischend andere Art des Offroad-Rennens, Leistungsabfall in sauerstoffärmeren Lagen inklusive. Im Juni stellten die Deutschlandstrecken mit ihren Asphaltstrecken zwischen Weizenfeldern und sachte dahinrollenden Hügeln ordentlich auf die Probe, wie viel Grip ihr in eurem Rallye-Spiel vertragt. Später im Sommer kam es in den FIA-RallyCross-Wettbewerben zu klassischen Wettrennen gegen andere Spieler auf der Strecke und vor wenigen Tagen erschien mit dem Flying-Finland-Update ein ganzer Batzen Kurse bewaldet-skandivischer Färbung, über die man nostalgisch im meeresblauen Subaru Impreza bügelt.
Wer direkt zum Start nur knapp 27 Euro hierfür hinlegte, lacht sich jetzt ins Fäustchen, der Rest ist selbst als Späteinsteiger für 45 Euro noch inhaltlich und in Sachen Umfang ordentlich bedient. Es ist eine wahre Freude, der Entwicklung dieses Spiels zuzusehen. Dazu kommen zahllose Tweaks mit jedem neuen Patch, die DiRT Rally weiter dem anpassen, was man die vergangenen Jahre so schmerzlich vermisste: Ein Offroad-Vollprogrammspiel, das sich mühelos eurem Willen zum fahrerischen Realismus anpasst. Was mir weiterhin imponiert: Trotz der weiter wachsenden Feature-Dichte behält Codemasters die schlanke Präsentation und die übersichtlichen Menüs bei. Das sieht nicht nur sehr geschmackvoll zurückhaltend aus, sondern stellt sich auch nicht mehr so sehr zwischen euch und das eigentliche Spiel wie etwa noch in DiRT 2 und 3.
Es ist nur ein Detail, aber ich schaue die großen Menükacheln einfach gerne an und weiß, wenn ich will, ich sitze ohne großes Aufheben in einem rappelnden Schalensitz auf einer Strecke meiner Wahl. Einfach so. Und wenn man erst mal dort ist, beweist DiRT Rally vor allem im Wechsel von einem Kurs zum nächsten, wie ausgereift und differenziert das Fahrverhalten doch ist. Gerade das waldige Finnland gerät mit tückisch langgezogenen, aber gemein buckeligen Pisten zu einer beispiellos widerborstigen Gratwanderung im Grenzbereich. Auf den deutschen Pisten imponiert vor allem, wie penibel das Rumble meines Controllers selbst kleinste Rillen im Asphalt an meine Handflächen weiterreicht. Schlaglöcher und Rundungen der Fahrbahn werden mit wundervoll nachvollziehbarem visuellem, akustischem und haptischem Feedback in einer Weise vermittelt, die ein bestechend akkurates Bild von der Beschaffenheit der Straße zeichnet.
Visuell ist DiRT Rally zwar nicht himmelweit von DiRT 3 entfernt, das mittlerweile immerhin auch schon viereinhalb Jahre auf dem Buckel hat, gerade die Zuschauer am Rand und einige wenige Teile der Vegetation sind nicht ganz auf der Höhe der Zeit. Dafür sehen die verschiedenen Untergründe fantastisch aus, die Wagenmodelle schön plastisch und wenig spielzeughaft. Wie sich hier die Panoramen um die kilometerlange Strecke vor euch kuscheln, das erzeugt das schöne Gefühl, mit 300 PS durch einen real existierenden Ort zu schrubbern.
Natürlich, das Fahrmodell ist anspruchsvoll in einer Weise, die es fast unmöglich macht, Fans der Vorgänger dieses Spiel ohne Einschränkungen zu empfehlen. Also hier in aller Klarheit: DiRT Rally ist schwierig, eine echte Simulation. Wer das weiß und sich darauf einlässt, verlebt hier einige der besten Rennstunden der letzten Jahre. Wer es wie DiRT 3 fährt, fliegt in hohem Bogen aus jeder zweiten Kurve, mit dem Unterschied, dass dort selten eine rettende Leitplanke dafür sorgt, dass ihr nicht allzu viel Zeit verliert. Die Untergründe verlangen einem alles an Aufmerksamkeit ab, die Kraft der Motoren, das Gewicht der Fahrzeuge sind wie zwei eingekerkerte Raubtiere, auf deren Käfig ihr durch die Pampa donnert. Nicht jeder hat die Voraussicht und Disziplin, ihnen seinen Willen aufzuzwingen. Wer sich dennoch daran macht und die steile Lernrampe für ein gutes halbes Dutzend hinaufrollt, merkt alsbald, dass er Fortschritte macht und sich langsam, aber sicher zu den kompetenten Fahrern zählen darf.
Man kann eigentlich nicht oft genug betonen, mit welcher Natürlichkeit sich Codemasters des Early-Access-Modells angenommen hat. Wo in der heutigen Spielelandschaft bei der Entwicklung in erster Linie auf Breitenwirksamkeit gesetzt wird, richtet sich der auf den harten Kern der Simulationsfans abzielende Racer mithilfe der Steam-Plattform direkt an den genau danach darbenden Typus Spieler. Das Modell ist fair, die Umsetzung so kompetent und professionell, wie man es von einem Studio mit unzähligen Rennspielen auf dem Kerbholz nur erwarten konnte. Das hier, meine Damen und Herren, ist Early Access richtig gemacht - und ein begeisternd zielstrebiges, aufregendes Werk über das Fahren über Stock und Stein.