Dishonored: Die Hölle ist zu gut für sie. Deshalb habe ich sie nicht getötet.
Hoffen wir, dass auch Dishonored 2 diese Tradition fortsetzt.
Achtung: Dieser Text enthält kleinere Spoiler zu Dishonored. Spielt es zuerst - ehrlich, spielt es, es ist wirklich gut!
Jemanden umbringen kann jeder. Das ist eine Erkenntnis, die sich durch die gesamte Menschheitsgeschichte zieht. Auch die Videospielgeschichte. Wie oft habt ihr dem Bösen einfach eine Kugel zwischen die Augen gedrückt, ihm einen guten Tag gewünscht und die Credits weggeklickt? In 99 Prozent der Fälle? Das reicht vielleicht noch nicht mal. Ein paar Mal durftet ihr ihn einfach am Leben lassen und euch moralisch überlegen fühlen. Gelöst war damit nicht viel. Vielleicht ist er in den Knast gegangen. Oder er wurde Händler für gebrauchtes Surf-Wachs in Südkalifornien, wer weiß das schon.
Nicht so in Dishonored. Das Spiel wollte Rache, und zwar with a double dose of super vengeance. Wenn das Böse Glück gehabt hat, habt ihr ihnen das Licht ausgeknipst. Die Hölle wartete ungeduldig auf sie, schließlich hat das Spiel nie verschwiegen, was sie verbrochen hatten, und jedes Mal war die Todesstrafe gerechtfertigt. Außer, dass ich die Todesstrafe rundheraus ablehne. Zum einen weil ich sie aus vielen relativ komplexen Gründen für ein Mittel halte, das Menschen nicht zusteht. Zum anderen, weil manchmal das Verbrechen so groß ist, dass es schon aus dem niederen Gedanken der Rache heraus unbefriedigend ist. Wenn schon, dann bitte richtig.
Sicher, oft genug ist die "Gnade" auch ein Todesurteil, nur auf eine besonders perfide Art. Nehmt den ersten Iron-Man-Film, einen Streifen, den ich oft als "weit cleverer als nötig" bezeichne. Stark tötet einen seiner Peiniger vom Anfang, der auch noch seinen Freund mit auf dem Gewissen hat, nicht mit einer schnellen Kugel, auch wenn das in der Mitte des Films bei diesem "Zwischengegner" kein Problem gewesen wäre. Er wirft ihn den Leuten vor, deren Dorf er terrorisiert hatte. "All yours" und weg ist Iron Man. Wurde der Böse verschont, sie haben mit ihm geredet, ihn von seinen bösen Wegen abgebracht und alle waren Freunde am Ende? Sicher. Warum nicht. Wenn euch der Gedanke erfreut. Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass sie ihn in Stücke gerissen haben. Das Urteil war gesprochen, die Vollstreckung ließ die eisernen Hände des Helden nicht sauber. Er gewährte eine Rache, die sich auf eine barbarische Art einfach richtig anfühlte.
Dishonored spielt damit, wenn es euch in jeder einzelnen Mission bis hin zum allerletzten Feind immer die Möglichkeit gibt, nicht zu töten. Es gibt nur einen Feind, dessen alternatives Schicksal offenbleibt, und der ist ein Söldner, den ihr auch noch im DLC spielt - übrigens einem der besten DLCs überhaupt. Der Rest von ihnen? Sie dürften sich schon bald gewünscht haben, dass ich sie einfach mit dem Messer kurz und schnell erledigt hätte. Als sie in ihren eigenen Minen Dreck und Gift atmeten und die durchschnittliche Lebenserwartung von wenigen Monaten dort am eigenen Leib spürten. Als sie in ihren eigenen Folterstühlen saßen. Oder sich für tot erklärt auf einer Insel mit einem verrückten Verehrer gefangen fanden. Des Hochverrats überführt dem Mob ausgeliefert. Die meisten von ihnen hätten sicher das schnelle Ende bevorzugt. Nein, das war nicht das Spiel, bei dem ihr nicht tötet und am Ende waren alle Freunde. Corvo murmelte wahrscheinlich auch ein "All yours", als er sie ihrem verdienten Schicksal übergab. Und es fühlte sich dermaßen gut an. Viel besser, als nur einmal den Trigger zu drücken.
Kein Spiel sonst tat etwas wirklich Vergleichbares. Nie so dermaßen konsequent und systematisch. Ja, es gab Spiele, in denen ihr niemanden getötet habt, aber das war es halt auch schon. Sie waren nicht tot, aber es gab keinen Abschluss der Geschichte um diese Gestalten. Sie lebten irgendwie einfach weiter, wie auch immer. Hier wird ihr weiteres Schicksal mit einer fast perversen Lust an ihrem Niedergang zelebriert. Es ist ein dunkles Spiel und seine nicht-tödlichen Wege sind vielleicht die dunkelsten, die ihr beschreiten könnt.
Aber es geht auch um mehr als nur die eigene Befriedigung, dass das Böse mit seinen eigenen Waffen geschlagen wurde. Im Spiel wird die Welt "besser", wenn ihr niemanden tötet. Bei den Wachen und sonstigen einfachen Befehlsausführern ist das klar. Das sind einfache Leute mit Familien, Freunden und einem Leben. Weder sie noch die Gesellschaft haben den Eindruck, dass sie etwas wirklich Böses getan hätten, das den Tod verdient. Und wenn nicht der drohende Schatten eines mordenden Rächers über der Stadt hängt, sind alle viel besser drauf. Vor allem, wenn sie den Eindruck haben, dass es da irgendwo eine Gerechtigkeit gibt, der zumindest einige der nicht beliebten Peiniger der Stadt nicht entkommen können. Ein Messer im Dunkel würde nur Panik und Paranoia auslösen, und das Spiel reflektiert das auch in seiner Welt, indem weniger Wachen und Gegner unterwegs sind. Die, die da sind, sind weniger wachsam. Sie fürchten eben nicht um ihr Leben. Dazu kommt, dass diese nicht-tödlichen Lösungen das Spiel selbst interessanter machten, weil sie euch nicht vom Start vorgebetet wurden, sondern ihr sie durch das Belauschen von Gesprächen und lesen von Notizen erst herausfinden musstet. Weit spannender, als einfach nur auf das Ziel zuzustürzen.
Wiederum, kein anders Spiel tut das. Kein anderes Spiel durchdachte die Konsequenzen solch komplexer nicht-tödlicher Wege, die eben mehr sind, als einfach nur nicht den Trigger zu drücken. Dishonored hat sicher seine Schwächen, aber angesichts solcher Dinge lassen sie sich leicht verzeihen. Vor allem in dem Wissen, dass dieses Konzept einer Gerechtigkeit, die zwar durch den Spieler erwirkt wird, aber ihn nicht einfach zum Henker degradiert, in der Fortsetzung auch wieder dabei sein wird, kann man nur allen Entwicklern raten, sich dieses spezielle Konzept von Entscheidungen und Konsequenzen auch einmal anzugucken. Selbst Warren Spector hat es nie so weit geschafft und er war einer der Besten.