Dishonored verschenkt nichts. Aber kann euch so viel geben.
Ihr müsst allerdings schon selbst aktiv werden: Mit Harvey Smith durch Kanäle und Ballsäle
Nach dem Duell-Spaß im Garten wird es Zeit, ernsthaft zu arbeiten. Nach ein paar Gesprächen und einem handgemixten Cocktail für eine redselige Dame weiß ich zumindest genau, wer meine Zielperson ist. Ich stöbere aber lieber noch ein wenig weiter, schleiche mich in die Schlafbereiche und finde ein paar ziemlich unschöne Sachen über die besagte Lady. Keine nette Person, soviel steht fest. Der Weg über den Flur ist von zwei Wachen versperrt, wie es aussieht, soviel verrät der Blick durch das Schlüsselloch und ich bin in keinem neutralen Bereich mehr. Wieder hilft der Blick nach oben. Die Räume sind über einen Dachboden verbunden, den ich per Blinzeln erreiche. Einen Raum weiter finde ich weitere Beweise, die mein Gewissen rein halten, sollte es dazu kommen, auf eine unbewaffnete Dame zu schießen. Jetzt zurück zur Party, aber vorher noch mal durch das Schlüsselloch ... Verdammt! Die Wache kommt genau, auf die Tür zu, greift schon danach ... Sein Kollege ruft ihm etwas zu, er überlegt es sich scheinbar anders und die Tür bleibt geschlossen. Gut für ihn, ich stand bereits mit gezogener Pistole dahinter. Tief durchatmen und auf dem Weg, den ich kam, zurück in den Ballsaal.
Die Spielzeit wird langsam knapp. Ich bin zwar schon weiter als manch anderer, der sich scheinbar immer noch mit den Bobbys Straßenschlachten liefert, aber es wird Zeit für Aktionen. Auf dem Weg zur Dame spricht mich aber noch ein netter Herr an. Woher er weiß, was ich hier gleich tun will, weiß ich nicht und will es wahrscheinlich auch nicht wissen aber er macht mir einen Vorschlag. Ich bringe eine bewusstlose Lady Boyle zu ihm in den Keller und er sorgt dafür, dass sie für immer verschwindet. In seinen liebenden Armen. Hm, warum nicht, der Typ scheint psychotisch genug, das könnte grausamer sein, als sie einfach zu erschießen.
Genau das tue ich dann trotzdem, aber nicht ohne vorher auf die Betäubungspfeile zu wechseln. Dies mitten im Lesezimmer zu machen, war nicht schlecht, sie war allein, mit ihr über der Schulter durch den Ballsaal zu rennen, war wiederum nicht die beste Idee und vielleicht doch ein wenig zu auffällig. Da ich nicht "ich bringe sie zu einem Arzt! Im Keller!" rufen kann und es wahrscheinlich eh mehr Fragen aufgeworfen hätte, als gut gewesen wäre, fangen die Wachen an zu ballern. Wahrscheinlich wäre es intelligenter gewesen, die Dame zu übernehmen und selbst zur Treppe laufen zu lassen. Zu spät dafür. Zwei Treffer lassen mich zwar kurz schlucken, so wie die Lebensenergie runterrauscht, aber dann bin ich schon auf der Treppe in den Keller und aus dem direkten Sichtkontakt für ein paar Sekunden.
Umso mehr verwundert es mich, dass das hier scheinbar reicht, um die Wachen ihren Job vergessen zu lassen. Das ging aber sehr schnell und ruiniert gerade ein wenig den glaubwürdigen Eindruck.
Harvey Smith: Hm, ich bin mir nicht sicher, was da passiert sein könnte, damit es so ausging. Es könnte sein, dass die KI in dem Fall einfach an die oberen Etagen gebunden ist. Manchmal sind sie gebunden, manchmal dürfen sie frei herumstreunen. Es könnte damit zusammenhängen, normalerweise geben sie nicht so schnell auf. Es könnte auch mit dem nicht-tödlichen Weg, die Mission im Keller zu beenden, zusammenhängen. Die KI soll dir an diesem einen Punkt nicht in die Quere kommen und gibt dir deshalb diese kurze Sekunde zum Atmen. Aber generell ist das nicht der Fall.
Nun, für den Moment will ich mich nicht zu sehr beschweren, schließlich läuft die Zeit. Aber es ist etwas, auf das ich später sich ein wenig mehr achten werde. Inzwischen wartet bereits Lady Boyles größter Fan mit einem Boot und nimmt die Dame entgegen. Nach dem Versprechen, dass nie einer wieder etwas von ihr hören wird, schiebt er noch einen Satz hinterher, der nicht nur gut geschrieben, sondern auch wahnsinnig gut gesprochen einem einen kalten Schauer über den Rücken laufen lässt "Sie wird lernen, mich zu lieben. Sie hat ihr ganzes Leben Zeit dafür." Vielleicht wäre eine Kugel zwischen die Augen doch ein Akt der Gnade gewesen.
Harvey Smith: Ja, einige der Enden, die auf nicht tödliche, aber sehr poetische Gerechtigkeit abzielen, sind sehr düster. Hier haben wir einen obsessiven Mann, der Lady Boyle seit langer Zeit liebt, er ist reich, er wird sie wohl auf seine Insel verschleppen. Wenn du im Spiel den Hintergrund von Lady Boyle ausgekundschaftet hast, wirst du feststellen, dass sie korrupt und bösartig ist. Aber dieser Typ ist wirklich von ihr besessen, wird sie in seinem Anwesen wegschließen und sie wie eine Prinzessin im goldenen Käfig behandeln. Vielleicht kann sie eines Tages entkommen, aber ja, das ist ein düsterer Abschluss für die Mission, selbst wenn sie dabei nicht stirbt.
Durch den Kanal komme ich auch ohne Fische zurück, von innen lässt sich Gitter zu den äußeren Flüssen öffnen. Dumm nur, dass inzwischen der Alarm ausgelöst wurde - kein Wunder nach meinem Auftritt im Ballsaal - und die Schotten im Kanal dichtgemacht werden. Das versperrt mir den Weg zu meinem im Boot wartenden Kumpel. Oder hätte es, wenn ich nicht so schnell einen Fisch gefunden hätte und mein Magie-Balken gerade noch durch das Schott hindurch gereicht hätte. Wie im Film schließt sich das Tor genau hinter mir, ich bin auf der richtigen Seite und ein Kampf oder eine längere Stealth-Exkursion durch die Straßen bleibt mir erneut erspart.
Nur habe ich das Gefühl, dass ich mich hier ein wenig wie das berühmte One-Trick-Pony aufführte und mich die meiste Zeit auf das Übernehmen von Tier und Mensch verlies, dabei jedoch die anderen Powers ein wenig außer Acht lies. Stattdessen guckte ich nach Möglichkeiten, wie ich was übernehmen könnte, statt nach anderen und vielleicht besseren Wegen zu suchen. Könnte es eine Gefahr sein, dass sich ein Spieler zu schnell auf eine Art von Lösungen einschießt?
Harvey Smith: Das ist generell eine gute Frage in Bezug auf Spieldesign an sich. Es gibt wirklich dieses Risiko. Wenn du merkst, dass du Schleichen magst, Betäubungspfeile nutzen, alles erst ausdauernd auskundschaften, wir hatten Spieler, die das ganze Spiel so spielten. Wenn du dagegen alle Runen, die du findest, aufsparst, um so schnell wie möglich Possession Level 2 zu kaufen, kannst du der Possession-Typ sein, wenn du das willst. Wir hatten auch Spieler, die das taten. Sie schlichen so leise es ging zum nächsten Bereich, guckten um die Ecke, warteten auf die Wache und haben sie Übernehmen, wanderten schnell an den anderen Wachen vorbei, durch die Wand aus Licht hindurch und dann so weiter. Danach suchen sie schnell das nächste Opfer, das sie ein Stück weiterbringt. Das ist ein legitimer Weg dieses Spiel zu spielen. Andere Spieler nutzen Blinzeln, das Anhalten der Zeit, manche kämpfen auch einfach und ignorieren die Powers komplett. Das sind alle Wege durchzukommen und es bringt mich zurück zu "Dishonored ist kein Spiel, das sich selbst spielt". Wir halten nichts von dem Ansatz, in Mission X dem Spieler Power Y zu geben, die er dann nutzen muss. Es ist viel flexibler als das.
Der ganz klare Vorteil ist, dass, wenn du etwas Cooles in dem Spiel getan hast, dann hast du es getan, nicht das Spiel. Der Nachteil besteht darin, dass du es auch auf eine letztlich etwas langweilige Art spielen kannst. Das liegt allein an dir.