Disney Epic Mickey Rebrushed im Test: Ein Remake wie jedes andere. Und das ist gut so!
Warren Spector Wii man ihn kennt.
Vorsicht: Verwechslungsgefahr! Was im Original schon Epic Mickey hieß, wurde hierzulande als Micky Epic verkauft. Wobei mir bis heute nicht klar ist, warum es Disney nicht beim Eindeutschen des Namens belassen hat, sondern den Titel des Plattformers gleich noch verdreht hat, sodass er gar keinen Sinn mehr ergab. Auf jeden Fall heißt die Neuauflage von Micky Epic nun auch bei uns Epic Mickey: Rebrushed – mit dem hintenan gestellten Zusatz, weil es sich nicht um eine schnelle Neuveröffentlichung handelt, sondern um ein komplett neu gemachtes Remake.
Es ist ein Remake, wie sie auf dem Spektrum zwischen aufgehübschter Remaster-Tapete und Komplettsanierung à la Final Fantasy 7 heutzutage üblich sind. Man denke an Demon’s Souls, Baphomets Fluch, das demnächst erscheinende Silent Hill 2 oder System Shock. Wobei ich gespannt drauf bin, ob Letzteres tatsächlich noch seinen dritten Teil bekommt, den Serienvater Warren Spector vor fast zehn Jahren mal entwickeln wollte – derselbe Warren Spector, der vor fast 14 Jahren auch Epic Mickey auf Nintendos Wii aus der Taufe hob.
Und ich will gar nicht allzu sehr darauf herumreiten, aber tatsächlich trug dieses Epic Mickey damals ganz klar die Handschrift des Entwicklers, der als Produzent neben System Shock auch Wing Commander, Ultima Underworld, Deus Ex und Thief verantwortete. Was das für Micky Maus bedeutet? Dass man in diesem Plattformer Gegner nicht einfach abmurkst, sondern die Wahl hat, wie man das tut und wie man auch andere Aufgaben erledigt.
Wir sprechen da nicht von schwerwiegenden Entscheidungen! Auch eine moralinsaure Story gibt’s hier nicht. Tatsächlich spürt man bis zum (starken) Finale recht wenig davon, wie man in der Rolle der berühmten Maus die Welt verändert. Man hat aber die Wahl, ob man fiese Gegner zu Freunden macht, indem man sie mit Farbe anmalt, oder ob man sie aus“radiert“, indem man Verdünner auf sie spritzt. Ihr wisst schon: Verdünner – das Zeug, das Farbe auflöst, wenn man genug davon drauf kippt.
Genau das ist dem guten Mickey nämlich passiert, als er sich eines Nachts bei Magier Yen Sid (hier ergibt das Umdrehen der Buchstaben direkt mal Sinn) einschleicht und aus Versehen viel Verdünner über eine mit magischem Pinsel kreierte Welt schüttet. In dieser Welt wollte Sid vergessene Disney-Charaktere konservieren – nach dem Zwischenfall ist leider ein trauriges Ödland draus geworden.
Entsprechend „glücklich“ sind manche der Charaktere, als Micky irgendwann dort ankommt und – wie es der Zufall will – sowohl mit Pinsel als auch mit Verdünner hantiert, um Teile des Ödlands verschwinden oder wieder erscheinen zu lassen. Soll er den Träger eines in der Luft hängenden Tresors zum Beispiel einfach auflösen, damit er an den Tresor gelangt? Der würde dann einer anderen Figur auf den Kopf fallen. Aber das ist in einem Comic ja nicht so schlimm. Oder?
Selbstredend gibt es nicht nur bei Bekämpfen böser Farbkleckse, sondern auch beim Lösen vieler solcher Aufgaben alternative Lösungen und obwohl das Abenteuer in fast jedem dieser Fälle recht leichtfüßig unterwegs ist, zählt es manche der Entscheidungen doch pflichtbewusst mit…
Weil unter diese Aufgaben nicht nur die Herausforderungen entlang des roten Fadens fallen, sondern auch optionale Beschäftigungen, kann man sich an den verschiedenen, durch Ladepausen voneinander getrennten Schauplätzen des Ödlands eine ganze Weile die Zeit vertreiben. Auch wenn ich mir manchmal, wie damals schon, ein wenig klarer beschriebene Missionen wünschen würde.
Und denkt übrigens nicht, dass der Verdünner bei alldem die „böse“ Variante ist, während Farbe immer das „Gute“ darstellt. Manchmal sind geheime Ecken nämlich hinter gemalten Wänden verborgen, weshalb das Entfernen von Farbe grundsätzlich stets ein legitimes Mittel ist. Und ganz ehrlich: Wenn eine Bande böser Blobs auf Micky zu stürmt, dann bin ich schon mal froh, wenn sie über Bodenplatten rennen, die man mit Verdünner einfach auflösen kann.
Nur in die Tiefe geht das abgesehen vom bereits angerissenen Finale eben nicht. Dazu fehlen sowohl der Erzählung als auch der Interaktion die konsequenten Zähne. Epic Mickey ist ein beschwingtes, unheimlich liebevoll gezeichnetes Abenteuer, das sich trotz einer Fülle an Anspielungen hauptsächlich an jüngere Menschen richtet. Dass ausgerechnet die allerdings fast ausschließlich Texte lesen müssen und kaum Sprache hören – na, sei’s drum.
Disney Epic Mickey: Rebrushed wird in den digitalen Stores der jeweiligen Plattformanbieter angeboten, wobei es auf PC sowohl bei Steam als auch bei GOG erhältlich ist. Zusätzlich gibt es die Neuauflage auch im klassischen Handel, wo man außerdem die knapp 300 Euro teure Collector’s Edition kaufen kann. Die Sonderausgabe enthält eine 28 Zentimeter große Statue von Micky Maus, einen Schlüsselanhänger mit Mickys Vorgänger Oswald, ein auf Metall gedrucktes Artwork, Postkarten sowie Kostüme für das eigentliche Spiel. Achtet darauf, dass die Fassungen für verschiedene Plattformen bei einigen Anbietern unterschiedliche Preise haben können.
- Amazon
- Saturn
- Otto
- GOG
- Steam
- PlayStation Store
- Nintendo eShop
- Xbox Store
- Ausgesprochen charmantes Abenteuer
- Viele Situationen können auf verschiedene Art gelöst werden
- Liebevolle Animationen und starker Soundtrack
- Etliche Verweise und Sammelgegenstände mit Bezug auf die Geschichte von Micky Maus
- Sinnvolle und gelungene Veränderungen an Leveldesign, Steuerung und anderen Inhalten
- Erzählung nimmt Entscheidungen erst im Finale auf
- Weitgehend spannungsarme Kämpfe
- Mitunter etwas unklar beschriebene Aufgaben
Man sucht Geheimnisse, befreit gefangene Kobolde aus ihren Käfigen, sammelt etliche sowie im Remake sogar deutlich mehr Andenken an die Historie des gezeichneten Disney-Tricks und reist zwischen den Schauplätzen sogar durch kurze Jump-&-Run-Abschnitte, in denen Micky die Kulissen alter Disney-Filme besucht. Hinzu kommen Bosskämpfe, die genau wie das Tun der restlichen Gegner mehr unterhaltsamer Zeitvertreib als anspruchsvolle Herausforderung sind – man läuft in Epic Mickey eher schmunzelnd umher, als dass man sich um Fortschritt bemühen muss.
Was auch daran liegt, dass Entwickler Purple Lamp (Spector selbst stand dem Studio als Berater zur Verfügung) die Steuerung stark überarbeitet hat. Kein Wunder: Erschien das Original ausschließlich für die Bewegungs-Controller der Wii, erscheint Rebrushed nicht nur zwei Konsolengenerationen später, sondern auch auf sämtlichen aktuellen Plattformen.
Und das ist eben der Punkt, an dem sich die komplette Neuentwicklung mit dem heute üblichen Umfang anderer Remakes spürbar bezahlt macht. So wenig sich das Remake nämlich bis auf kleine Änderungen von seiner Vorlage unterscheidet (hier ein besser platziertes Missionsziel, dort eine hinzugekommene Plattform sowie hin und wieder sogar zusätzliche Räume und Rätsel), so viel besser sieht es aus und fühlt es sich auch an.
Die Kulissen wurden ja komplett neu gestaltet und fangen die krummen Linien des mitunter auch sprichwörtlich schrägen Ödlands hervorragend ein. Erinnern sich die alten Hasen unter euch vielleicht an diese Konzeptzeichnung eines mechanischen, zum Teil kaputten Plutos, die lange vor dem Erscheinen des Originals die Frage aufwarfen, welche Art Disneyspiel Warren Spector da eigentlich in Arbeit hat? Die dürfen aus einem ganz bestimmten Abschnitt stammen, der jetzt noch viel stärker danach aussieht, was da einst geleakt wurde.
Ein kleines Detail will ich dabei auf keinen Fall unterschlagen. Ich fand es damals nämlich schade, dass Veränderungen, die man durch das Malen oder Löschen einzelner Umgebungsteile vornahm, nicht von Dauer waren. Nun, das Remake merzt diesen ärgerlichen Makel tatsächlich aus, sodass man jeden der Schauplätze (Micky reist ja mitunter hin und her) stets so vorfindet, wie man sie zuletzt verlassen hat. Schön!
Vor allem aber merkt man der Steuerung die Neugestaltung an, denn die Maus springt, dasht und rennt jetzt um einiges flotter durch das Ödland – unter anderem deshalb, weil sie einige dieser Bewegungen damals noch gar nicht drauf hatte.
Epic Mickey: Rebrushed folgt eben jenen Remakes, die ihr Original im Grunde unangetastet lassen, es aber spielerisch und technisch modernisieren. Was immer dann die beste Lösung ist, wenn man das Original noch einmal so erleben möchte, wie man es in Erinnerung behalten hat. Nicht wie es – bei aller Liebe für die Klassiker – in Wirklichkeit war.
Disney Epic Mickey: Rebrushed im Test – Fazit
Ich habe viel mehr Zeit mit diesem Remake verbracht, als ich im Vorfeld gedacht hätte! So seicht Warren Spector seinen Ansatz der für ihn typischen Entscheidungsfreiheit auch in dieses Abenteuer eingewoben hatte, so sehr macht das harmlose Erkunden und Entdecken auch heute noch Spaß – mit moderner Grafik und Steuerung erst recht. Wie schon das Original ist Epic Mickey: Rebrushed eine verdammt sympathische Liebeserklärung an das Disney-Universum rund um die berühmte Maus. Und falls euch nach so etwas der Sinn steht, dann seid ihr hier genau richtig.
Disney Epic Mickey: Rebrushed | |
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PRO | CONTRA |
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