Disney Infinity 3.0 - Die geballte Ladung Star Wars
Mit starken Marken und namhaften Entwicklerteams zieht Disney in den Kampf um das Kinderzimmer
Infinity? Ist das nicht so wie Skylanders? Nur halt mit Mickey Mouse? Irgendwie schon! Aber der finanzstarke Maus-Konzern hat nicht die Absicht, weiter den unehrenhaften zweiten Platz hinter Activisions Gelddruckmaschine einzunehmen und lässt in der dritten Version der Infinity-Software ordentlich die Marken-Muskeln spielen.
Die als „Toys to Life" betitelte und inzwischen bekannte Mischung aus Spielfiguren und Videospiel lässt sich schnell als reiner Kinderkram abtun. Allerdings hat dieses Sub-Genre auch einen Milliarden-Markt eröffnet, der nicht nur von den Vorreitern aus dem Hause Activision, sondern auch von Disney, Nintendo und ab Oktober auch von Warner und LEGO heftig umkämpft wird. Das Prinzip ähnelt sich bei allen: Mehr oder weniger hübsch gestaltete Spielfiguren werden mit einem RFID-Chip zur Datenspeicherung und -übertragung ausgestattet, und erscheinen über ein an der Konsole oder PC anschließbares Zusatzgerät als virtuelles Abbild im Spiel. Eigentlich genial: So lässt sich nicht nur einmal über einen begrenzten Zeitraum mit der Software Geld verdienen. Neue Figuren, die in der Regel zwischen zehn und zwanzig Euro kosten, sorgen für einen steten Umsatz.
Nach dem im Test eher durchschnittlich bewerteten Disney Infinity 2.0 Marvel Super Heroes, jetzt also der erste ausführlichere Blick auf die im Herbst erscheinende Version 3.0, die ganz im Zeichen von Star Wars steht. Die Investition in das teuer hinzu gekaufte Lucasfilm-Imperium wird in den Einzelspieler-Kampagnen, Play Sets genannt, ordentlich ausgeschlachtet. Mit „Star Wars: Twilight of the Republic", „Star Wars: Rise of the Empire" und „Star Wars: The Force Awakens" werden gleich drei Abenteuer bis zum Ende des Jahres erscheinen. Und es gibt einige Überraschungen zu vermelden. Zuständig für die Entwicklung der Spiele ist nicht mehr alleine Avalanche Software, die Arbeit wurde auf die Schultern einer ganzen Reihe namhafter Studios verteilt.
So zeichnet für „Star Wars: Twilight of the Republic", dem zuerst erscheinenden Play Set, der britische Entwickler von Ninja Theory verantwortlich. Die Macher von Heavenly Sword und Enslaved: Odyssey to the West decken die Handlung der Episoden I bis III ab und schicken euch quer durch die bekannten Szenen der zweiten Trilogie. Mit Charakteren wie Anakin Skywalker, Ahsoka Tano, Obi-Wan Kenobi und Yoda wird dann in gewohnt familienfreundlicher Art und Weise gehüpft, gesprungen, gepuzzelt und selbstverständlich mit dem Laserschwert gekämpft. Optisch ansprechend, der grafische Stil ähnelt der Animated Series, liefern die Entwickler rasante Pod-Rennen, Weltraumschlachten, Arena-Kämpfe gegen ganze Droiden-Armeen und Duelle mit Fiesling Darth Maul. Jeder Charakter verfügt dabei über besondere Kampffähigkeiten und kann mit dem Laserschwert und der Macht individuell Unheil anrichten. Der Umfang und die angenehm abwechslungsreichen Szenarien sind nicht der einzige Unterschied zu der eher uninspirierten Minispiel-Sammlung der Vorgänger-Versionen. Anstatt Schlauch-Level wird ein Sandbox-Ansatz verfolgt, der das Übernehmen von Nebenaufgaben und die Erkundung der schick gestalteten Schauplätze erlaubt.
Das gilt auch für „Star Wars: Rise of the Empire", das thematisch die erste Trilogie mit den klassischen Episoden IV bis VI zur Grundlage hat. Vertreten sind in Figurenform die Helden Han Solo, Luke Skywalker, Chewbacca, Prinzessin Leia und Darth Vader. Das Spielprinzip wiederum eine bunte Mischung aus Hüpfen, Rätseln, mit den Bikes durch die Wälder Endors rasen, den Millennium Falcon in Ballerpassagen steuern und den Angriff auf den Todesstern durchführen. Die Entwickler hier: Das junge britische Studio Gobo. Die vor Ort präsentierten Szenen, allen voran die abwechslungsreiche Schlacht auf Hoth, bieten ordentliches Star-Wars-Gefühl. Wenn ihr mit Luke die AT ATs des Imperiums auf unterschiedliche Weise zu Fall bringen sollt, fühlt sich das wie ein richtig gelungenes Spiel an und nicht mehr wie ein dahin geschluderter Grund, Figuren zu verkaufen.
Zum Start von „Disney Infinity 3.0" wird es ein Starter Pack geben, das neben der Basis zum Anschluss an die Konsole oder den PC, das Play Set „Star Wars: Twilight of the Republic" und die beiden Figuren Ahsoka Tano und Anakin Skywalker enthält. Wenn ihr euch den Kauf des Pakets sparen wollt, und lieber bei Bedarf auf andere Play Sets, beispielsweise der klassische Plattformer zu dem kommenden Disney Pixar Blockbuster-Garanten „Alles steht Kopf" oder neue Marvel-Abenteuer, warten wollt, gibt es eine faire Alternative. Beim Kauf der digitalen Version von Infinity 3.0 wird die vorhandene Basis auf die aktuelle Softwareversion aktualisiert. So könnt ihr dann einzelne Figuren oder Play Sets kaufen, die eurem Geschmack mehr entsprechen. Alle bereits auf dem Markt befindlichen Spielfiguren sind kompatibel und können weiterhin benutzt werden.
Runderneuert zeigt sich bei der Präsentation auch der eigentliche kreative Bestandteil von „Disney Infinity", die Toy Box. Dabei handelt es sich um ein üppiges Baukastensystem, das bislang über 6500 Elemente aus der Disney-Welt zur Verfügung stellt. Das Angebot reicht von verschiedenen Hintergründen, Gebäuden und Fahrzeugen, bis zu einem Bausteinsystem, aus dem ihr eigene Welten von Grund auf erschaffen könnt. In diesem Bereich stoßen dann die Disney-Welten auch aufeinander und ihr könnt beispielsweise mit Woody aus „Toy Story" durch die Kulissen der „Monster Universität" oder „Piraten der Karibik" laufen. Vorausgesetzt ihr verfügt über die entsprechende Spielfigur oder Bonusmünze, auf der die entsprechenden Inhalte abgespeichert sind.
Prinzipiell eine sehr gute Idee, der angepeilten jungen Kundschaft die Möglichkeit zu geben, eigene Fantasiewelten zu erschaffen. Die Kreationen können auch auf den bereitgestellten Disney-Server hochgeladen werden und stehen dann für alle zur Verfügung. Allerdings krankte die gute Idee an einer verwirrenden Ausführung. Gerade Kinder kamen mit der Fülle des Angebots und der wenig intuitiven Bedienung nicht gut zurecht. Hier haben die Macher eingegriffen und bieten jetzt eine streng strukturierte Toy Box, die zu jedem möglichen Arbeitsschritt eine ausführliche und unterhaltsam gestaltete Einführung liefert. Was der Disney-Baukasten zu leisten vermag, bewiesen recht eindrucksvoll die anwesenden Entwickler von Sumo Digital („Little Big Planet 3", „F1-2009", "Forza Horizon 2" für die Xbox 360). Die Rennspielexperten, die schon mit „Sonic and All-Stars Racing Transformed" einen flotten Fun Racer abgeliefert haben, stellten mit „Speedway" einen spaßigen „Mario Kart"-Klon vor, der vollständig mit den Möglichkeiten der Toy Box entstanden ist. Über 90 Fahrzeuge, von den Protagonisten aus „Cars" bis zu Cinderellas Kutsche, liefern sich rasante Pistenduelle.
Der Eindruck nach ein paar Proberunden: Extrem unterhaltsam und technisch einwandfrei. Da darf man gespannt sein, was ihr in „Disney Infinity 3.0" demnächst alles an Spielideen selbst entwickeln werdet.