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Disney Infinity – Der Skylanders-Killer für den Sommer?

Plastikfiguren mit RFID-Chip in einer virtuellen Welt? Das kommt mir bekannt vor.

Ich hätte Disney Infinity gerne mit den unzynischen Augen eines Kindes gesehen. Doch während ich gestern Abend die Präsentation von Disney Interactive und Avalanche Software in Los Angeles via Webcast verfolgte, brodelte mein abgebrühtes Spielejournalisten-Hirn: "Disney hat bei Skylanders geklaut." In beiden Spielen stellt man Plastikfiguren mit RFID-Chip auf eine Platte, um sie in der virtuellen Welt zu aktivieren. Nur wirft der Medien-Titan mit der Maus seine ganze Lizenz-Macht in die Waagschale. Im Juni sollen die Figuren und Extras, die Sensorplatte "Disney Infinity Portal", sowie die Software für Wii, Wii U, Xbox 360, PS3, PC und diverse Mobilplattformen auf den Markt kommen. Bombardement auf allen Kanälen.

Es sind vor allem Pixars Marken, für die Disney Infinity maßgeschneidert erscheint. Den Anfang machen die 'Unglaublichen' und 'Monster AG' (genauer gesagt die Monster Uni), später kommen 'Toy Story' und 'Cars' dazu. Doch auch weniger offensichtliche Kandidaten aus Disneys Portfolio sollen als Plastikstatuen in den Handel kommen: Phineas und Ferb, Ralph reichts, Nightmare before Christmas und - festhalten - Fluch der Karibik. Jack Sparrow im Cartoon-Mäntelchen ist sogar der dritte Kandidat für das Basis-Pack-Trio, mit dem Infinity an den Start geht. Und das ist nur die Spitze des Ankündigungs-Eisbergs. Als eine Themenwelt zu Tron durch den Trailer huschte, wusste ich: Disney meint es ernst. Mit 40 interaktiven Gegenständen, 17 davon Figuren, und drei storybasierten Spielwelten (sogenannte Playsets) drängt man in den Markt. Neben den Helden gibt es eckige und runde Platten, die man unter die Plastikfiguren klemmen kann, um Buffs und neue Ausrüstung freizuschalten.

Doch egal, wie oft John Pleasants (Co-President Disney Interactive), John Lasseter (Chief Creative Officer bei Disney und Pixar) und John Blackburn (Vizepräsident von Avalance Software) an diesem Abend die Mantras "kreativ" und "aufregend" ins Mikrofon jubelten, für mich war das zunächst einmal nur in Form gegossenes Plastik mit einem Chip. Billig zu produzieren, ohne Gelenke oder tolle Funktionen, und nur als Deko zu gebrauchen, solange man nicht die passende Hardware besitzt. Wie gesagt: Ich sah Disney Infinity erst einmal nur mit dem zynischem Blick eines Erwachsenen. Nach dem Motto: Großer Medienkonzern will auch ein Stück vom Kuchen. Teurer Krempel fürs Kinderzimmer und irgendwann Staubfänger im Regal. Konsum statt Kreativität. Früher haben wir noch mit richtigen Actionfiguren gespielt. Und draußen. Sonne, Regen, Dreck, frische Luft und so.

Es sind vor allem Pixars Marken, für die Disney Infinity maßgeschneidert erscheint. Den Anfang machen die 'Unglaublichen' und 'Monster AG'

Das Grundkonzept von Disney Infinity erinnert frappierend an Skylanders.

Disneys dolle drei

Die ersten Spielszenen schienen mich in meinem Vorurteil zu bestätigen: Mr. Incredible aus Pixars 'Die Unglaublichen' rennt in Third-Person-Perspektive (die übrigens in allen gezeigten Spielen Standard zu sein scheint) durch brennende Gebäude und verknüppelt Roboter. Seine Frau Elastigirl und die Kids Dash und Violet kommen ebenfalls zum Einsatz und demonstrierten den obligatorischen Mehrspieler-Modus (zwei Koop-Spieler im Story-Modus, vier im Toybox-Modus, zu dem ich gleich komme). Die Helden heizen mit ihren jeweiligen Superkräften dem Bösewicht Syndrome ein. Zu guter Letzt wurde eine Einsatzbasis gezeigt, die man ausbauen darf und in der Fahrzeuge wie ein praktischer Hubschrauber auf einen warten. Nett.

Als nächstes stehen die Monster Sulley und Mike aus der Monster AG auf der Sensorplatte. Mit ihnen läuft man auf dem Campus der Monster-Universität herum, erschreckt andere Ungeheuer, spielt ihnen mittels Fallen diverse Streiche und muss sich des Nachts auf das Gelände der konkurrierenden Fakultät schleichen, um dort per Klorollen-Kanone Unfug zu treiben - mit Betonung auf Schleichen. Quasi 'Deus Ex' meets Pixar. Sah ganz gut aus und dürfte vor allem im Mehrspieler-Modus spaßig werden.

Ob Johnny Depp seine Kinder mit sowas spielen lässt?

Dann ist der 'Fluch der Karibik' dran. Eine gewöhnungsbedürftig animierte Version von Jack Sparrow rudert per Paddelboot durch eine Hafenstadt im Dauerfeuer der Piraten. Es hagelt reichlich Kanonenkugeln, Explosionen und herumfliegende Trümmer. Danach gibt's ein wenig Landgang und Säbelfechten, gefolgt von einem Abschnitt, in dem Jack selbst hinterm Steuerrad der Black Pearl steht und den Kahn übers Meer lenkt - was die Hälfte dieses Playsets ausmachen soll. Eine Mischung aus Disneyland-Achterbahn und 'Pirates!' - feine Idee, zugegeben. Aber wo bleibt die viel beschworene Kreativität? Na schön, man darf hier sein Schiff nach eigenem Geschmack bemalen - wie zuvor schon sein Verbindungshaus in der Monster Uni oder die besagte Basis der Unglaublichen. Doch das kann ja nicht alles sein, oder?

Und jetzt alle durcheinander!

Ist es auch nicht. Denn das eigentliche Highlight von Disney Infinity nennt sich 'Toybox'. Dank dieses Modus mutiert das maue Merchandising-Machwerk zu einem kleinen Kreativitätsvulkan. Während des Spielens in den verschiedenen Welten schaltet man nämlich zahlreiche Gegenstände und Extras frei, die feinsäuberlich in einem Inventar hinterlegt werden. In der Toybox kann man sich daraus nun eine eigene Welt basteln und darin mit den Figuren aller Marken spielen. Der Look passt sich dabei sogar dem jeweiligen Helden an. Jack Skellington sieht die Welt nun einmal anders als Ralph aus 'Ralph reichts'.

Das eigentliche Highlight von Disney Infinity nennt sich 'Toybox'. Dank dieses Modus mutiert das maue Merchandising-Machwerk zu einem kleinen Kreativitätsvulkan.

Von wegen Innovation. In Kinderzimmern sind solche Szenen Alltag.

Die Toybox ist im Grunde eine fliegende Sandbox-Insel, die man mit Boden-Modulen beliebig erweitert und mit themenspezifischen Texturen aufhübscht. Aus vorgefertigten Elementen werden dann Gebäude zusammengebaut, sowie Pflanzen und Deko platziert. Eine Physikengine erlaubt Türme, die bei Beschuss in sich zusammenfallen. Es ist sogar möglich, Ereignisse zu skripten. Plattformen, die sich bewegen, sobald man auf einen Schalter latscht, sind nur die einfachsten Beispiele. Außerdem darf man die Kamera-Perspektive eines Abschnitts vorgeben. Das Ganze erinnert an eine kindgerechte Mischung aus Lego Universe und Minecraft mit Disney-Figuren. Selbstredend kann man seine Schöpfungen online mit anderen teilen und im Mehrspieler-Modus einander besuchen (maximal vier Spieler auf einmal). Disney verspricht, dass die Ergebnisse moderiert werden, um die Sache kindgerecht zu halten.

Einige Beispiele zeigten das Potenzial der Toybox. Es gab eine riesige Welt in Gitarrenform, einen Level in Jump&Run-Seitenperspektive, ein originalgetreuer Nachbar der Bowsers-Castle-Rennstrecke aus Mario Kart und zig weitere Szenarien, in denen die Helden miteinander und gegeneinander kämpften.

Die Toybox ist im Grunde eine fliegende Sandbox-Insel, die man mit Boden-Modulen beliebig erweitert und mit themenspezifischen Texturen aufhübscht.

Was interessieren mich die Monster? Ich will diese Klorollen-Kanone!

Man stelle sich das Lizenz-Gewimmel bildlich vor: Sulley aus der Monster AG bestreitet auf dem Rücken des Elefanten Abu aus Aladdin ein Wettrennen gegen Dash aus den Unglaublichen auf einer Rennstrecke im Tron-Look. Währenddessen wird er von einem Jetpack-tragenden Davy Jones aus Fluch der Karibik mit einem Flamingo aus Alice im Wunderland verkloppt und von Ralph aus Ralph reichts verfolgt, der im Sattel des Pferdes Bully aus Toy Story unterwegs ist. Jep. Das geht.

Hat die Toybox meinen anfänglichen Argwohn besänftigt? Durchaus. Wer einmal Kinder dabei beobachtet hat, wie sie Plüschtiere, Actionfiguren und Pappschachteln kombinieren, um sich eigene Geschichten auszudenken, erkennt sofort das Potenzial hinter dem Modus. Sofern das Basteln eigener Welten tatsächlich so einfach ist, wie Disney verspricht, kann das ein echter Renner werden - sogar für die Eltern, die danebensitzen und zuschauen. Die vorgefertigten Playsets sind in meinen Augen dagegen recht konventionell und eher zum Freischalten der Inhalte gedacht. Ich bin allerdings neugierig, wie das Zusammenspiel der verschiedenen Plattformen in der Praxis funktioniert, wie die Preisgestaltung für die Figuren aussieht und welche Marken Disney noch aus dem Ärmel zieht.

Disney Infinity - Trailer

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