Disney Micky Epic: Die Macht der 2 - Test
Warren oder Micky. Beide gleichzeitig geht nicht.
Das Problem mit der Anwesenheit von zumindest gefühltem Gut und Böse, aber der nur marginalen Anwesenheit von Aktionen und Konsequenzen in einem Spiel ist, dass man manchmal keine Ahnung hat, was genau man jetzt tat. Vor allem, wenn sich die mageren Konsequenzen mitunter so gar nicht abschätzen lassen. Oder sie selbst spät im Spiel immer noch nicht so richtig klar werden. Oder sich als schlicht belanglos herausstellen. Man könnte jetzt natürlich so argumentieren, dass das Leben halt so ist. Nicht alle unserer Handlungen haben Auswirkungen, manche sieht man nie, manche sind einfach nicht vorhanden. Aber ein Videospiel ist nicht das Leben. Es ist eine verstärkte, komprimierte und übersteigerte Fassung der Mechaniken, die Welt und Gesellschaft rotieren lassen. Zumindest sind Warren Spectors Spiele das meistens. Zumindest waren sie das einmal.
Die Hauptwerkzeuge in Disney Micky Epic: Die Macht der 2 sind wie im Vorgänger Farbe und Verdünner. Erstere erschafft oder repariert Dinge, Letzterer lässt sie verschwinden. "Gut" und "Böse"? Vielleicht. Die Welt sieht erschaffen schöner aus, ihre Bewohner sind glücklicher, wenn ihr nicht alles ausradiert. Ist das nicht "gut"? Ja, vielleicht. Aber wenn ihr was wegradiert, macht es auch nicht gleich alles schlimmer. In den ersten und auch noch späteren Stunden werdet ihr euch fragen, ob es wirklich eine Frage und Entscheidung mit Konsequenzen oder doch nur ein gleichberechtigtes Werkzeug sein soll. In Kenntnis der Story kann ich sagen, dass es mehr ist als das, aber bis zu diesem Wissen war es ein weiter Weg tief in das Spiel hinein. Deus Ex, um das Pflichtspiel eines jeden Warren-Textes zu erwähnen, ließ euch auch nicht unbedingt wissen, wohin die Reise geht, aber es kommunizierte die Auswirkungen eurer Spielweise sehr viel klarer, als Micky 2 das tut. Und die Konsequenzen waren relevant genug, um einen weiteren Durchgang zu rechtfertigen. Am Ende der 15 oder so Stunden von Micky werdet ihr kaum das Verlangen haben, zurückzugehen, um noch mal anders zu spielen. Die Änderungen in den Resultaten scheinen einfach zu marginal und/oder schlicht zu uninteressant zu sein.
Songs und eine Welt voller Wunder, das ist Disney
Die eigentliche Geschichte um all das wirkt wie das Gegenteil dieser Orientierungslosigkeit. Es ist eine recht fokussierte Jagd auf denjenigen, der die Wastelands - der im ersten Teil wiederbelebte Schrottplatz alter Disney-Ideen - diesmal zu zerstören droht, wobei natürlich ein paar inhaltliche Haken geschlagen werden. Die Melancholie des Vorgängers, in dem vieles von dem Ansatz lebte, sich durch verbrauchte Kinderphantasien zu bewegen, wurde gegen eine zu hoffnungsvolle Version dieser ausgetauscht. Waren zuletzt die Wastelands das Anti-Entenhausen sind sie nun lediglich eine weitere Ecke eben nicht mehr vergessener, sondern lebenstriefender Cartoon-Welten. Es ist gut, dass das gleiche Thema nicht ein zweites Mal gemolken wurde - es hätte wohl auch kaum funktioniert - aber der neue Fokus ist zu "normal". Es ist mehr das Disney-Spiel, das ich sonst erwarten würde. Nicht eines, das von Warren Spector kommt. Erwartungshaltungen können schon ein Problem sein.
Die Geschichte selbst bleibt weniger spektakulär als es ihre Figuren und ihre Umsetzung sind. Die Handlung ist, ohne die Twists verraten zu wollen, unterhaltsam genug, nur halt nicht übertrieben aufregend. Der lustige Hase Oswald, zuletzt noch als gerechter Rächer unterwegs, steht nun fest an Mickys Seite, nachdem die Maus in der Not erneut nach Wasteland gerufen wurde. Die Zwischensequenzen wurden in einem eigenwilligen, altertümlichen Cartoon-Stil gehalten, der perfekt zu allen Figuren passt, aktuell oder halb vergessen. Die wiederentdeckten Kreationen aus den goldenen Zeiten der Disney-Studios zu entdecken und zu erleben, gehört zu den ganz großen Freuden des Spiels, fast egal, ob man auch sonst was mit Micky anfangen kann. Micky Epic 2 zeigt, warum Disney in gewisser Weise unsterblich ist.
Das gilt auch für die Orte selbst. Insbesondere die kurzen 2D-Level, die als Verbindungswege der etwas größeren 3D-Abschnitte dienen, sind ein Fest der visuellen Designkunst. Es sind kleine Ausflüge in Disneys wildere Kurzgeschichten und Einblicke in was hätte sein können, aber es dann doch nie auf die Leinwand schaffte. Im höher aufgelösten Look der großen Konsolen sind es wahre Schätze, in denen ihr nicht nur schnell voran hüpfelt, sondern oft genug einfach bewundert, was dem Auge geboten wird. Mein Favorit ist der Friedhof mit seinen tanzenden Skeletten, aber die anderen sind auch so gut, dass jeder hier einen Favoriten finden wird. Gäbe es ein Download-Spiel nur mit diesen Abschnitten, ich würde es sofort kaufen.
Um das Thema Präsentation abzuschließen: Spector hat absolut recht, wenn er sagt, dass Disney ohne Songs eigentlich gar nicht geht. Ihr könnt euch selbst berauben und sie wegdrücken oder ihren Witz und ihre hohe Qualität genießen. Hier waren Leute am Werk, die ihre Arbeit liebten und ja, der Song des Bösewichts - alles relativ - ist wie immer der Beste. Macht euch jedoch im Vorfeld nicht zu viele Gedanken über die Songs, sie haben keinen echten Einfluss auf das Spiel, sie sind einfach nur da und schlicht goldig. Die perfekte Krönung eines wie auch schon im Vorgänger ganz großen musikalischen Scores.
Micky Epic 2 ist also ein rundherum schönes Spiel, das an jeder Ecke zeigt, wie viel Liebe hier hineinfloss. Wer sich wirklich für die Zeichentrick-Historie der Disney-Studios interessiert, kommt nicht an ihm vorbei. Egal, was ich jetzt gleich sonst noch über das Spiel zu sagen haben werde.
Sichtwinkel und Fokus fehlen in den viel zu normalen Ruinen
Sonst sollte nämlich alles größer, besser und vor allem weniger von Problemen und Problemchen auf der spielerischen Seite geplagt sein. Es ist schwer einzuschätzen, ob zumindest "größer" stimmt. Die Spielwelt an sich mag wirklich etwas größer sein, aber die einzelnen Areale, in die es sich aufteilt, sind es nicht. Ihr wechselt immer wieder per 2D-Hüpfausflug in ein neues, sehr übersichtliches Gebiet, löst ein, zwei Rätsel oder Sprungeinlagen, bleibt selten länger als 20 Minuten oder eine halbe Stunde und dann geht es auch schon weiter. Das Gesamte wirkt wie ein Flickenteppich, es entsteht nie ein wirklich natürlicher Fluss im Ablauf oder im Verständnis für die Welt von Wasteland. Das untergräbt auch die ganze Moral-und-Konsequenzen-Kiste deutlich. Die Level und das, was ihr tut, sind zwar bis auf die immer zurückkehrenden Gegner persistent und was ihr ausgemalt oder zerstört habt bleibt auch so. Aber das Gefühl für die Zusammenhänge des Ganzen, der Eindruck, die ganze Welt nach und nach zu verändern, entsteht durch den zerrissenen Charakter des Spiels nie. Es wirkt dadurch beliebig, was ihr tut und es mindert die Motivation, zu sehen, was als Nächstes kommt, aber auch, zu begutachten, was aus allem wurde. Und vor allem den Drang, noch einmal zurückzukehren und etwas anders zu machen.
Während die 2D-Stages spielerisch sehr solide sind und euch sowohl ein Weilchen nach Extras stöbern lassen, aber auch ihren Zweck erfüllen euch schnell zum Ausgang zu geleiten, falls ihr nur in den nächsten Abschnitt wollt, zeigen sich in 3D viele Probleme. Im Vorfeld wurde viel über die Kamera berichtet, eine Achillesferse des Vorgängers. Sie ist jetzt besser, das stimmt wohl, was jedoch nur heißt, dass sie nicht mehr an die ganz schlimmen 90er erinnert. In einem Versuch, ständig den Helden-Winkel einzufangen, liegt sie hier jetzt viel zu tief. Ihr korrigiert ständig nach und dreht und kämpft auch nicht zu selten mit ihr, wenn sie mal wieder sonst was zeigt, aber nicht das, was ihr sehen wollt oder müsst. Wenn das Hauptversteck für Extras ein ungünstiger Kamerawinkel ist, dann sollte sich der Designer Gedanken machen.
Die Sprungkontrollen blieben schwammig, der Boden scheint konstant leicht rutschig zu sein und es fehlt die Sorte Präzision, die fürs echte Wohlfühlen nötig wäre. Es gibt weit schlimmere 3D-Hüpfer, aber trotzdem, angesichts des Augenmerks, das auf die Schönheit alter Disney-Zeiten gelegt wurde, hätte man ruhig ein wenig mehr davon auf solche Banalitäten wie eine straffe, präzise Steuerung legen können.
Schwerer wiegt jedoch, dass die Abschnitte selbst nicht viel zu bieten haben. Kleine Hüpf- und Sammel-Exkurse, die gelegentliche Entscheidung, ein "Rätsel" per Farbe oder Verdünner zu lösen, oder sich auf den ständigen Begleiter Oswald verlassen zu müssen. Dessen KI ist ein echtes Problem für jeden Einzelspieler. Während Micky mit der Farbe herumturnt, hat er seine magische Fernbedienung und kann technische Gerätschaften wieder in Gang bekommen. Spielt ihr zu zweit, klappt die Arbeitsteilung ganz ordentlich, auch wenn die Steuerung hier noch eher bestrebt scheint, euch ihre Schwächen in der Genauigkeit bei den Koop-Doppelsprüngen zu zeigen. Davon abgesehen aber, ist es ein ganz solides Koop-Spiel, das halt nur etwas länger darüber nachdenken hätte sollen, welche interessanten Koop-Aufgaben jenseits von "Drück zwei Schalter gleichzeitig" es denn so geben könnte.
Im Koop ok, aber solo immer wieder ein KI-Amoklauf
Im Alleingang jedoch schwankt Oswald zwischen recht verständnisvoll und komplett debil. Zwei Drittel der Zeit tut er was er soll, legt die Schalter um, die bedient werden müssen und hilft euch beim Hüpfen, wie es sein muss. Das andere Drittel jedoch verkneift er sich nicht, eine Extrarunde zu drehen, um vielleicht dann doch seine Aufgabe zu finden, euch zu erzählen, dass er dran ist, während er in der Gegend herumsteht oder schon mal komplett außer Sicht irgendwohin verschwindet, nur um dann doch noch spät zur Party aufzutauchen.
Zwei Mal ging es sogar so weit, dass ich den letzten Speicherpunkt aufrufen musste, da Oswald wohl vergaß, was er überhaupt machen soll und sich beharrlich weigerte, endlich einen Mechanismus zu bedienen. Da half kein Rufen und kein Fluchen, nach dem erneuten Laden klappte es jedoch sofort. Die Bosskämpfe, die selbst bei funktionierender Kooperation nicht gerade kurz - und leider auch nicht sonderlich interessant - sind, werden auf diese Weise noch einmal hinausgezögert, wenn Oswald seinen Einsatz immer und immer wieder mal verpasst. Der Koop-Modus ruiniert auf diese Weise einen ganz ordentlichen Teil des Einzelspieler-Spaßes und das ist eine Kardinalsünde. Es geht sogar so weit, dass ich schon nach wenigen Stunden Zeit den Solo-Teil aufgab, mir für ein Wochenende einen Freund schnappte und mit ihm zusammen das Spiel beendete. Es war definitiv die richtige Entscheidung. Eine, die ihr ganz, ganz deutlich im Hinterkopf haben solltet, wenn ihr vor der Packung im Laden steht.
Die Altersgrenze
Zu zweit geht es also und hier gibt es auch ein paar nette Nebenaufgaben, Sammeleien und einfach auch mal Erkunden der Welt ohne diesen Frust zu erleben und Micky Epic 2 läuft zu dem auf, was es an relativer spielerischer Hochform zu bieten hat. Häufig müsst ihr euch auch daran erinnern, dass "ab 6" auf der Packung prangt und das ist nicht nur in Zusammenhang mit der Abwesenheit von Gewalt und Sex zu verstehen, sondern es soll auch wirklich ab diesem Alter gespielt werden. Sammel-Items müssen da schon mal eine größeren "Hier-geht-es-lang!"-Hinweis in Dickschrift bekommen oder Fotos werden halt nur an bestimmten, markierten Orten gemacht. Selbst scheinbar größere Variationen wie Farbe, die euch vorübergehend unsichtbar oder unverwundbar macht, sogar fast einen Hauch von "Stealth-Gameplay" ermöglicht, bleibt weit unterentwickelt und fast so optional, dass man sich schon fragt, warum es überhaupt da ist. Es muss halt einfach genug für die Kids bleiben. Aber dann wiederum wäre ein sinnvoller Solo-Modus oder eine bessere Steuerung sicher eine sinnvollere Zeitinvestition für die Entwickler gewesen als solche nur unterforderten Gimmicks.
Diese generelle Alterskompatibilität ist eh ein Problem für ältere, anspruchsvollere Spieler, aber erreicht eben auch sein Ziel, dass junge Kids das hier mit ihren Eltern oder Freunden spielen können. Ich sage das hier ausdrücklich als Warnung und Empfehlung gleichzeitig, in welche Gruppe ihr gehört, wisst ihr selbst am Besten.
Aber ob nun 6, 26 oder 66, Disney Micky Epic: Die Macht der 2 wird von Problemen geplagt, die nichts mit Alter, Anspruch oder Zielgruppe zu tun haben. Keine Zielgruppe mag einen Solo-Modus, der vom Koop-Spiel massiv torpediert wird. Jeder Spieler mag gute Sprungkontrollen und eine solide Kamera. Es sind so grundlegende Dinge, die hier nicht ganz richtig laufen. Sachen, die einfach verblüffen, wenn man sich die Zeit und das Geld anschaut, die in diese Produktion flossen und wo man eigentlich und angesichts dieses Aufwandes kaum glauben mag, dass es vielleicht nur schnell noch vor Weihnachten zur Tür hinausgeschubst wurde. Sollte das doch der Fall sein, kann man Junction Point und Warren Spector nur raten, das nächste Mal zuerst die Basics festzuzurren, bevor man sich voller Freunde in die offenbar so wundervollen wie endlosen Disney-Archive stürzt und visuelle Wunder kreiert.
Disney Micky Epic: Die Macht der 2 ist ein solches Wunder, sei es in seinen kreativ gestalteten Welten, seinen Songs oder seinen Figuren. Aber die spielerische Tiefe, die das alles zusammenhalten sollte, dieses Geflecht aus Aktionen und Reaktionen, wirkt hier teilweise unausgereift und willkürlich, manchmal sogar belanglos oder in den Nebenaufgaben gar sinnlos. Was die Wertung angeht, ich nehme hier mal den brauchbaren Koop und den Aspekt, dass es auch sehr junge Spieler ansprechen will, wohlwollend in Betracht. Für gereifte Einzelspieler... Kritisch.
Bedenkt man die Historie der Spiele Warren Spectors, stellt sich schon die Frage, ob er sich nicht langsam entscheiden sollte, ob er ein "Spector"-Spiel oder ein Micky-Spiel machen möchte. Beides gleichzeitig scheint einfach keine gute Idee zu sein.