Disney Micky Epic: Die Macht der 2 - Vorschau
Die Macht der 94 Prozent
Schön, dass nicht alle Hersteller ausschließlich auf den Metacritic-Schnitt ihrer Veröffentlichungen schielen. Disney und Junction Point stellen, ganz traditionell, noch eigene Nachforschungen und Kundenbefragungen an und fanden dabei heraus, dass die Kunden mit dem Wii-Debüt des Mäuserichs Titel doch ziemlich zufrieden waren. In den USA sagten - Warren Spectors Präsentation im Vorfeld unserer Anspielsitzung in München zufolge - 94 von 100 befragte Micky-Epic-Käufer, dass sie einen Nachfolger begrüßen würden. Und die Zahlen für Frankreich, Deutschland und Großbritannien waren jeweils nur einen Pinselstrich nach oben oder unten entfernt.
Das ist insofern bemerkenswert, als dass der Metacritic-Schnitt von Epic Mickey - wie der Titel im unverdrehten und viel besser von der Zunge rollenden Original heißt - einem eigentlich vermitteln will, dass man es hier mit einem Spiel zu tun hat, das vollkommen unbemerkenswert ist. 73 Punkte stehen hier lediglich zu Buche. Das ist "mixed or average". Und auch, wenn diese grobe Einstufung in "hättest du gerne einen Nachfolger: Ja / nein" sicher eine andere Herangehensweise ist, als sie die Spielepresse bei der Bewertung von Games verfolgt: Man fragt sich doch unweigerlich, ob hier zwischen Testern und Spiel-Zielgruppe nicht vielleicht doch ein wenig eine Schere aufgegangen ist?
Diese Frage wollen wir später mit Warren Spector noch im Interview ergründen, das ihr ebenfalls noch heute bei eurogamer.de lesen werdet. Der Wahl-Texaner unterdessen ist sichtlich froh, dass er weiter mit Micky arbeiten kann. Denn über all der Fan-Liebe hat er nicht übersehen, welche Probleme der erste Teil hatte - und zugleich hat er auch nicht vergessen, sich einige neue Dinge für den Nachfolger vorzunehmen. Einen groben Eindruck davon, wie das aussehen würde, konnten wir im Anschluss an Spectors Rede in einem etwa 15-minütigen Probeabschnitt, der einen kleinen Querschnitt aus dem Repertoire der Maus und ihres neuen Freundes Oswald darstellte, gewinnen - die Warnung des ehemaligen Ion-Storm-Mannes noch im Ohr: "Die Alpha-Version eines Spieles ist die, die man schon von vorne bis hinten spielen kann, aber null Spaß macht."
Und man muss sagen: Treffender kann man es kaum formulieren. Trotz der Tatsache, dass Junction Point schon von Tag eins der Entwicklung an ein dediziertes "Kamera-Team" mit der Beseitigung des einen zentralen Mankos von Micky Epic beauftragte, kämpft man auch hier mit einer mal zu desinteressierten, mal zu trägen und mal zu starrsinnigen Kamera und wusste selten, was zu tun ist, und ob man jetzt etwas richtig gemacht hatte. Es war ein Spielen mit in Falten gezogener Stirn. Ich glaube Spector gerne, wenn er sagt, dass derartige Probleme in der Vollversion komplett ausgemerzt sein werden, und man sich, wenn man nicht möchte, niemals mit der Kamera auseinandersetzen wird müssen. Es ist dennoch nicht einfach, einen Eindruck vom Spiel zu bekommen, wenn die allgemeine Orientierung im eigentlich recht überschaubaren Wasteland-Hub so schwer fällt.
Aber Respekt: Das Spiel so zu zeigen, zeugt von einem gewissen Selbstbewusstsein und einem Mut, den nur wenige Spielefirmen an den Tag legen. Lieber als eine bloße Präsentation, die mir nur Dinge zeigt, die man auch per Video-Stream im Internet hätte vermitteln können, ist es mir allemal. Wer sein Produkt in dieser Form den Leuten in die Hand drückt, der ist sich sicher, die Lösung für dessen Probleme bereits gefunden zu haben. Muss er einfach sein. Und das stimmt auf der anderen Seite schon wieder extrem optimistisch.
Davon ab konnte man nämlich trotzdem schon feststellen, dass im Grunde alles beim Alten geblieben ist. Micky verschießt Verdünner oder Farbe, um Dinge zu löschen oder wiederherzustellen und erneut ist man hierdurch in der Lage, den Fokus des Spielablaufs entweder in Richtung kampfbetontes Action-Adventure oder springfideler Plattformer zu verschieben. Neu ist hingegen, dass man das nun auch zu zweit per komfortablen Drop-in-Koop machen darf, in dem dann ein zweiter Spieler die Kontrolle über Oswald erhält. Der Hase, den Micky im ersten Teil erst auf seine Seite ziehen musste, steht auch Einzelspielern stets zur Seite, wird dann aber vollautomatisch von der KI gesteuert - ein nicht ganz unbedenkliches Unterfangen, allerdings machte sich das Langohr in den gespielten 2D-Abschnitten und in einigen Kämpfen aber auch so schon ganz nützlich.
"Aber ich habe noch nie an einem Multiplayer-Spiel gearbeitet, nur an einem kleinen Deus-Ex-Experiment vor Jahren."
Warren Spector
Steigt ein Mitspieler in die Partie ein, teilt sich elegant der Bildschirm in zwei Hälften und ihr profitiert von nun an von den unterschiedlichen Talenten der beiden Nager. Oswald hat nämlich eine Fernbedienung, mit der er elektronische Gerätschaften aktiviert oder Gegner umprogrammieren kann, sodass sie auf der Seite der Spieler kämpfen. Wer nicht kämpfen will, verwandelt seine Feinde unterdessen einfach in Freunde. Eine nette Option, nicht immer "tödliche" Gewalt anwenden zu müssen - wäre gut, wenn so etwas in mehr Spielen Einzug hielte.
Schon in dem Probeabschnitt, als es später darum geht, drei im Wasteland verstreute Generatoren zu finden, wurde so eine gewisse Kooperation und Aufgabenteilung möglich - "du links, ich rechts" - die unterhielt und entlohnte. In einem der 2D-Abschnitte blieb mein Spielpartner zwar an einer Stelle hängen, die Tatsache, dass ich aber stellvertretend für uns beide den Ausgang erreichte, lässt auf unkompliziertes Zusammenspiel von Spielern unterschiedlichen Alters und verschiedenster Befähigung schließen. Trotz der hakeligen Handhabung von Steuerung und Kamera blitzt schon durch, welches Potenzial dieser Modus des Gemeinsamspielens bietet.
Ein weiterer Punkt, den sich das Team um den Deus-Ex-Schöpfer vornimmt, ist die Beständigkeit von Entscheidungen und Konsequenzen. Waren im Ersten viele eurer Wahlmöglichkeiten bereits nach dem Verlassen eines Bereiches wieder vergessen, will man dieses Mal dafür sorgen, dass sich das Spiel alles merkt, was ihr getan habt. Ihr werdet zwar die Möglichkeit erhalten, einiges von dem, was ihr angerichtet habt, zu korrigieren, aber wer sich eine bestimmte Entscheidung nicht ganz bewusst anders ausmalt, der muss mit seiner Wahl leben. Beispiele dafür, wie das aussehen wird, gab es im Rahmen der kurzen Anspielsitzung aber leider nicht.
Auf Seiten der Präsentation schockte Spector zunächst mit der Ankündigung: "Es ist ein Musical!" Was das für uns unterm Strich alleine heißt, ist, dass an einigen Stellen die Handlung und das Innenleben der Figuren im Rahmen einer toll choreografierten und schön gesungenen Musik-Revue visualisiert werden. Was auf den ersten Blick für ein Videospiel neuartig und irgendwie befremdlich wirkt, ist für einen Titel, der so tief mit den klassischen Disney-Werten verwoben ist, eigentlich nur logisch. Seit jeher waren Disney-Produktionen sehr musikalisch, ja geradezu berühmt für kleine Ohrwürmer und große orchestrale Gesten. Wir konnten bisher nur ein Musikstück erleben, als der Mad Doctor, einer der zentralen Bösewichte des Vorgängers, euch angesichts der neuerlichen Beben, die das Wasteland bedrohen, mit drolligem Tanz und Trallala zur Zusammenarbeit animieren will. Wir werden sehen, ob die restlichen Nummern das durchaus charmante Niveau dieser ersten Sequenz halten können.
Gesang und Handlung profitieren dieses Mal davon, dass man alle Figuren voll vertonen will. Spector bezeichnete es als besondere Ehre, das Organ des einstigen Stummfilmstars Oswald heute bis in alle Tage definieren zu dürfen. Insgesamt wirken Welt und Akteure auf diese Weise lebendiger - auch wenn sie sich bislang noch mit Gerede angenehm zurückhielten -, die Produktion dadurch aufwendiger. Visuell fand sich Junction Point auch auf den ungleich stärkeren Konsolen aus dem Hause Sony und Microsoft direkt zurecht. Es ist kein gigantischer Sprung im Vergleich zum Wii-Vorläufer, die Texturen, die höhere Auflösung und die feiner gezeichneten Charaktermodelle geben dem unverändert stilsicheren Art-Design aber neuen Raum zum Atmen.
Spector hat recht, wenn er im Interview sagt, dass es in Die Macht der 2 darum geht, das Bestehende zu verfeinern. Mit dem angestrebten verbesserten Kamerasystem, dem Koop-Modus sowie der hilfreichen statt hinderlichen Freund-KI und den umfangreicheren, nachhaltigeren Entscheidungsmöglichkeiten stehen bereits drei wichtige Punkte auf dem Zettel, die sich nicht eben mit Links erledigen lassen. Umso schöner, dass Junction Point ganz offensichtlich genau weiß, wo es mit diesem Spiel hingehen soll. Und dass man mit dem musikalischen Ansatz noch zusätzlich an Charakter gewinnen wird - das steht für mich außer Frage.
Jetzt ist es vermutlich nur noch an den 94 Prozent, ihren Teil des Deals einzuhalten und dem Spiel die versprochene Unterstützung zuteilwerden zu lassen.