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Disney Micky Epic

Rückkehr aus der Bedeutungslosigkeit

Ich fand ja Disneys Aushängeschild Micky Maus schon immer etwas langweilig. Während Donald Duck den Weltraum bereiste, gemeinsam mit seinen Neffen eine Zeitreise unternahm oder als Phantomias Entenhausen vor Verbrechern schützte, verdingte sich der ewig gut gelaunte, immer korrekte Mäuserich als schnöder Detektiv. Ihm fehlte das Chaos, die menschliche Tiefe, der genervte Charakter. Er war einfach zu glatt. Seine Geschichten waren so normal, dass ich sie in den Lustigen Taschenbüchern stets überblätterte. Und ich bin nicht allein mit dieser Meinung.

Warren Spector brachte es bei der Vorstellung von Mickey Epic auf den Punkt: „Die berühmteste Cartoon-Figur der Welt ist eine Ikone geworden und hat dabei einen Teil ihres Charakter verloren.“ Andere, menschlichere Figuren haben seine Position eingenommen. Selbst die Blechdose WALL-E bewegt mehr als dieses anachronistische Relikt aus einer längst vergangenen, einfacheren Welt. Doch Micky hat noch eine Chance verdient. Für ihre Symbolkraft, ihre Pionierleistungen und für all die Kinder, die sie trotz ihrer Eindimensionalität zum Lachen gebracht hat.

Deshalb verpasst Disney seinem Maskottchen mit Epic Micky eine Generalüberholung. Warren Spector, der Schöpfer von Deus Ex, soll mit seinen Junction Point Studios Micky Maus ins 21. Jahrhundert befördern. Ihm Tiefe und Charakter verleihen. In einem Abenteuer, das die Epik nicht umsonst im Namen trägt.

Micky im Kampf mit einem Beetleworx-Roboter.

Erstmals steht die Maus vor der Entscheidung, ob sie heroisch oder äußerst pragmatisch sein will, egoistisch handelt oder für das Gute kämpft. Denn sie hat Bockmist gebaut: Nachdem sie eine Karte des Cartoon-Wastelands gefunden und auf noch geheime Art und Weise verändert hat, herrscht in der Einöde das Chaos.

Durch diesen Unfall gerät dieses Alternativ-Reich für vergessene Disney-Figuren durcheinander, das jahrzehntelang von Walt Disneys erster, nie veröffentlichten Kreation, dem „glücklichen“ Hasen Oswald, liebevoll gepflegt wurde. Seltsame Wesen namens Spatter greifen die Einwohner an, Beetlework-Roboter sorgen für Verwüstung, schwarzer Teer fließt über die bunten Häuser und Gärten. Und Micky Maus' Erzfeind, das Phantom, scheint im Hintergrund die Fäden zu ziehen. Kurz: Die Comic-Apokalypse hat begonnen und allein Micky, den es selbst in das Wasteland verschlagen hat, kann diese alles vernichtende Verwandlung aufhalten und sich damit vor der eigenen Bedeutungslosigkeit retten.

Beim Gameplay lässt Warren Spector Plattformer, Rollen- und Abenteuer-Spiel miteinander verschmelzen. Mickeys wichtigstes Werkzeug ist ein Pinsel. Mit diesem mächtigen Instrument kann er Gegenstände ausmalen und ihnen damit Gestalt verleihen oder sie durch Verdünner komplett auslöschen. Wo gerade eben noch eine Kiste den Weg versperrte, öffnet sich auf einmal ein Pfad. Es erscheinen Plattformen, werden Puzzleteile wiederhergestellt und Gegner einfach ausgelöscht. Mit einfachen Gesten des Wiimote-Controllers werden die Flüssigkeiten aufgetragen, bis die gewünschte Wirkung eintritt.

Mickys lang vergessener Bruder Oswald ist im Cartoon-Wasteland der König.

Micky steht damit ein vielseitiges Werkzeug zur Verfügung, das aber nicht jedes Objekt verändern kann. So genannte inaktive Gegenstände und Figuren wehren sich gegen die Manipulation. Sie spielen eine wichtige, noch geheime Rolle. Doch das ist noch längst nicht alles. Warren Spector möchte mehr als ein klassisches Action-Adventure abliefern. Immer wieder werdet ihr vor Aufgaben gestellt, die sich ganz unterschiedlich lösen lassen.

Zum Beispiel trefft ihr auf euren Reisen durch die zum Teil schaurig-schönen Szenarien auf Teile eines Roboter-Donalds. Das künstliche Wesen wurde vor vielen Jahren von Oswald zusammengeschraubt, um das damals noch verlassene Gebiet mit „Leben“ zu erfüllen. Doch Donald wurde durch den Unfall in alle Winde verstreut. Micky kann Donald wieder zusammensetzen und so einen neuen Freund kreieren. Oder aber er verkauft die Teile an die kleinen Gremlins, die ihm dafür neue Fähigkeiten verpassen. Je nachdem, wie ihr euch entscheidet, verwandelt sich Micky langsam aber sicher in eine gute beziehungsweise nicht ganz so gute Variante. Dazu Warren Spector: „Micky kann gar nicht richtig böse werden. Doch ihr entscheidet selbst, ob er sich komplett aufopfert oder auch seinen eigenen Vorteil im Hinterkopf behält.“