Divinity 2: Ego Draconis
Der Drache fliegt wieder
Für besondere Freuden sorgt die Nekromantie und es gibt keinen besseren Freund in der Welt, als einen aus halb verwesten Leichenteilen zusammengestaffelten. Er lässt sich beliebig oft rufen und, je nachdem welche Teile ihr habt nähen lassen, heilt, kämpft und zaubert er. Wundervoll, das beste Haustier, was es gibt. Warum machen wir hier in der realen Welt eigentlich so wenig auf diesem Gebiet? Wo hatte ich noch mal das Meerschweinchen beerdigt…
Und dann, 15 Stunden in das Spiel hinein, sagt Divinity, dass dies alles immer noch nicht genug sei, und wirft praktisch ein zweites Spiel in den Deal. Eines, in dem ihr euch fast nach Belieben – im Freien und auch dort ein wenig Raum zum Flügelstrecken vorausgesetzt – in einen ausgewachsenen Drachen verwandelt, der die größeren Verteidigungsfestungen des Bösen mit Feueratem fachgerecht zerlegen kann. Ein paar neue steigerbare Fertigkeiten, ein eigenes Rüstungssystem für den Drachen und sogar eine ausgesprochen brauchbare Flugsteuerung sorgen für nicht unbedingt nötige, aber nichtsdestotrotz sehr willkommene Abwechslung.
Wenn man doch nur den Übergang zwischen beiden Spielvarianten besser gelöst hätte. Dass ihr als Drache nur Drachenfeinde, nicht aber die Wesen am Boden, die euch eben noch vermöbelten, grillen dürft, ist dabei nicht einmal das große Problem. Dass ihr die Feinde am Boden nicht mal sehen könnt, ist weit schlimmer. Nichts nervt mehr als eine elegante Landung und Verwandlung, um kurz darauf festzustellen, direkt in eine Versammlung hochstufiger Räuber geplatzt zu sein. Dabei sah der Strand von oben so freundlich aus. Zum Glück dürft ihr euch ab diesem Punkt im Spiel auch jederzeit in das perfekte Drachen-Accessoire zurückteleportieren: euren eigenen Drachenturm mit allen Extras.
"Alle Extras" wäre fast untertrieben. Ein eigener Alchemist, Nekromant, Schmied und ein Trainer, der gegen Gold euch erlaubt, alle bisherigen Höchstwerte der Fertigkeiten zu verdoppeln. Etwas, das ihr auch brauchen werdet, denn einfach ist Divinity 2 definitv nicht. Nicht unfair, aber es lässt euch schnell wissen, wenn ihr irgendwo seid, wo ihr nicht hingehört. Auf dem PC war das nicht dramatisch, denn zwei wunderbare Tasten namens „schnell Laden“ und „ebenso schnell Speichern“ gehören dort zum Standard-Repertoire. Nicht so auf der Xbox.
Den allergrößten Teil der Steuerung setzte man nicht nur gut, sondern beinahe schon denkbar perfekt um. Ein aufgeräumtes Menü, acht einfach zu belegende Schnelltasten und sogar eine Schriftart, die man auf so ziemlich jedem normalen TV-Gerät entziffern kann. Nicht einmal das Bewegen aus der dritten Perspektive fiel ungelenk aus, man bleibt nicht an jeder Kante hängen. Diese Portierung der Steuerung geriet so gut, dass man sich schon fragt, ob denn nicht irgendwo noch ein Plätzchen für „schnell Speichern“ gewesen wäre, ohne den Spieler zeitraubend durch das Menü und die Speicheroptionen zu schicken.
Davon abgesehen aber ein sauberer, nahe an der Perfektion kratzender Job bei der Anpassung, und solange sich das Bild nicht zu sehr bewegt. könnte man meinen, dass dies auf den Rest der Technik auch zutrifft. Aber knapp gefehlt. Schon die erste Drehung offenbart ein gewisses Tearing und Ruckeln, das Divinity über die gesamte Strecke erhalten bleibt. Natürlich erwischt es besonders die großflächigen Weiten, deren Fernblick durch ein paar Landschaftspopups getrübt wird.
Die Drachenflüge sind davon weniger betroffen, da hier der Detailgrad der zugegebenermaßen wirklich hübschen Landschaft ein wenig heruntergeschraubt wird. Selbst wenn am Ende mit der technischen Umsetzung kein einmaliges Wunderwerk gelang und deutliche Schwächen gegenüber der PC-Vorlage nicht zu übersehen sind, bleibt es doch zu jedem Punkt gut spielbar und hübsch genug, um nie das Auge zu beleidigen. Da hatten wir schon ganz andere Portierungen auf die Konsole. Ja, Two Worlds, Du bist gemeint...
Divinity 2 bevorzugt als Rollenspiel ganz klar das Spiel und lässt die Rolle Rolle sein. Weder Handlung noch Figuren reißen mit und würde mich jemand in einem halben Jahr fragen, worum es eigentlich ging, müsste ich wahrscheinlich schon sehr lange grübeln. Dafür liefert Divinity 2 aber auch den Beweis, dass man mit solchen Schwächen zwar nicht den Gipfel erklimmt, aber trotzdem immer noch ein gutes Spiel auf die Beine stellen kann.
Die schiere Wucht der Optionen, die eigene Figur und die Möglichkeiten, sie der eigenen Spielweise anzupassen, mit Nekromantie, Alchemie und Fantasybotanik herumzupfuschen, sich als Drache eine Runde in die Luft zu werfen, begeistert. Divinity 2 liefert ein Universum voller Möglichkeiten, Spaß zu haben, und bis alle erschöpft sind, vergeht eine Menge Zeit. Die Umsetzung auf die 360 muss zwar ein paar Abzüge in der optischen B-Note hinnehmen, wenn allerdings als größter Kritikpunkt das Fehlen der Schnellspeichertaste bleibt, dann kann es nicht so verkehrt gelaufen sein.
Divinity 2 ist für PC schon länger und seit kurzem auch für Xbox 360 zu haben.