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Divinity 2: Ego Draconis

Alles im Loot

Ein besonders elegantes Schlachtengemälde zeichnen natürlich die Animationen zweihändiger Kämpfer, doch auch beidhändige Breitschwerter oder Schild-Schwert-Kombi schinden durchaus für Rollenspielverhältnisse untypischen Eindruck.

Die große, motivierende Stärke von Divinity 2 ist die Charakterprogression: Bei jedem der häufigen Levelaufstiege bekommt man vier Steigerungspunkte für die fünf Basisattribute von Kraft bis Intelligenz und einen für die knapp 50 Spezialfertigkeiten (40 für die menschliche Seite, 8 für den Drachen). Die haben jeweils zu Beginn eine maximale Stärke von fünf, was den Spieler recht effizient davon abhält, sich in eine Sackgasse zu spezialisieren.

Wie auch ich werden wohl die meisten Spieler schnell dazu übergehen, interessante Mischklassen der Marke Eigenbau zu kreieren, was dank der flexiblen Fertigkeiten auch gar kein Problem, ja in sich sogar sehr motivierend ist. Als reiner Nahkämpfer kann es zum Beispiel wünschenswert sein, die Waldläufer-Fertigkeit „Böse Überraschung“ zu erlernen. Mit der schießt man nämlich einen Pfeil ab, der die Defensive des Gegners schwächt, nur um sich dann mit gezücktem Schwert dem mürbe gewordenen Feind entgegenzuwerfen.

Oder man wählt wie meine Wenigkeit den Weg des Beschwörers und tauscht seine Manapunkte gegen Geister ein, die aus der zweiten Reihe den medizinischen Notdienst geben, oder rekrutiert Untote, die die meist drei- bis sechsköpfigen Gegnermobs in Nahkämpfe verwickeln und damit von einem selbst ablenken. Wer lieber Ein-Mann-Armee spielen will, dem stehen dafür auch besonders harte Spezialattacken oder zerstörerische Zauber zur Verfügung. Hier ist wirklich für jeden etwas dabei.

Ein angemessener Thronsaal für unseren Feldzug.

Die vermeintlich fehlende taktische Tiefe der zu leichtem Chaos neigenden Klick-Gefechte kommt somit über die Entwicklung des Charakters und seiner Talente wieder ins Spiel. Jeder Stufenaufstieg und jede neue Fähigkeit hat deutlich spürbare Folgen. Und weil das so ist, geht man in Divinity 2 trotz seiner recht offenen Welt nicht so schnell verloren, wie mir das zum Beispiel in Oblivion passiert ist. Man will sich um die Entwicklung seines Charakters kümmern und schaut sich deshalb umso zielsicherer nach den glaubhaft und gleichmäßig verteilten Haupt- und Nebenquests um, anstatt ziellos umherzuwandern.

All diese kleinen Geschichtchen zwischendrin sind sogar noch wesentlich straffer geschrieben als die Infolawine, die einen im anfänglichen Trümmertal-Akt so unbarmherzig verschwurbelt überrollt. Gutes, schnörkelloses Questdesign in kompetent gemachten Dungeons oder auf der durchaus schön gestalteten Oberwelt, das vor allem bei Nebenaufgaben durch einige interessante Wahlmöglichkeiten glänzt. Bringt ihr dem Geist des verfluchten Despoten Jovis gegen eine üppige Ausrüstung seine Seele zurück oder vernichtet ihr diese, damit seine mit ihm verfluchten, aber eigentlich schuldlosen Untertanen endlich ihren Frieden finden? An anderer Stelle spielt ihr den Mitwisser in einer gefährlichen Dreiecksbeziehung. Allein bei euch liegt die Entscheidung, was ihr mit eurem Wissen anfangt.

Als ehemaliger Drachentöter bietet sich dem Spieler auch die Option, gegen einen anfänglich happigen Erfahrungspunkte-Obulus die Gedanken des Gesprächspartners zu lesen, wodurch ihr hin und wieder die wahren Absichten eines Questgebers oder den Aufenthaltsort eines wichtigen Items erfahrt, was bei vielen Entscheidungen innerhalb der Questen hilft.

Fast alle Gegenden gefallen durch organisches Design.

In Divinity 2 ist übrigens zur Abwechslung mal kein binärer Moralzeiger am Werk, wie etwa in Knights of the Old Republic, Mass Effect oder inFamous. Es ist allein eure Entscheidung, eure Moral, die in Rivellon hin und wieder einfach über Leben und Tod entscheidet - oder über die Art und Umfang eurer Belohnung. Ich fand es sogar recht befreiend, dass diese Wahlen nur selten für den Charakter wirklich einschneidende oder weitreichende Folgen mit sich brachten, weil man dadurch auch mal aus dem Bauch heraus handeln konnte, ohne zu fürchten, durch seine Entscheidung die Geschichte in unvorhergesehener Weise zu manipulieren.

Ego Draconis ist außerdem ein ziemlich großzügiges Spiel: Alle paar Meter findet man neue, interessante Gegenstände, die sich oft mit Hilfe von Rohstoffen durch Bezauberung oder Veredelung noch weiter individualisieren lassen. Erze, Pflanzen, Bücher, Rüstungskomponenten und sogar Körperteile für den hauseigenen Nekromanten füllen euer Inventar im Nu und sind immer spannend genug, um einen fast schon Diablo-artigen Rausch nach neuen Items auszulösen. Auch wenn wir den zahlreichen unterschiedlichen Kategorien, Wertigkeiten und Attributen tausender Ausrüstungsgegenstände solche Wortkreationen wie „Norifundus‘ Prachtstiefel des Haies der Hoffnung“ oder „(Ungewöhnlich) Gewöhnliche [sic!] Armeerüstung aus Platin der Rache“ zu verdanken haben.

Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

Divinity 2: Ego Draconis

Xbox 360, PC

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