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Divinity 2: Ego Draconis

Drachen fliegen

„Drachentöter zu sein bedeutet, den Drachen zu hassen, aber ihn auch zu verstehen.“ Die Zaubererin Morgana spricht in Rätseln. Aber immerhin will sie euch das sogenannte „Gedächtnis der Drachen“ einpflanzen. Soll sie also quatschen, was sie will. Immerhin habt ihr die Dame vorher schon bei einem Selbstgespräch ertappt, als ihr angekommen seid - bei ihrer Diskussion mit dem Unsichtbaren. Wer soll die Tante da noch ernst nehmen? Na ja, sie wird sicherlich nicht die einzige Verrückte in diesem Abenteuer bleiben. Hauptsache ist, es geht bald los.

Als Morgana euer Gehirn mit dem neuen Wissen füllt, färben sich eure Augen weiß. Das Merkmal der Drachentöter. Was passiert hier? Unheimlich ... Plötzlich besitzt ihr die Gabe, Dinge zu sehen, die ihr vorher nicht sehen konntet. Zum Beispiel diese wie eine Wasserleiche aussehende Spukgestalt, die euch plötzlich gegenüber steht. „Was ist los?“, spricht euch der Kerl auch noch an! „Ihr sehr aus, als hättet ihr einen Geist gesehen. Ha ha ha ha ….“ Sehr witzig.

Aber jetzt ganz ehrlich: sehr witzig! Divinity 2 glänzt tatsächlich oft mit tollen Dialogen. Nicht so wie Sacred 2, bei dem der Wortwitz mit ein paar Grabstein-Kalauern endet. „Ah, das ist wahrer gespenstischer Humor!“, kommentiert Morgana treffend. „Darf ich vorstellen: Toral.“ Okay, das ist offensichtlich die unsichtbare Gestalt, mit der die Dame vorhin schon geplaudert hatte. Es befinden sich bei ihr also doch noch alle Tassen im Dachstübchen. Beruhigend. Auf eine gewisse Art zumindest.

Ungewöhnlich: Sprungpassagen mit Plattformen.

Als unverzichtbar erweist sich alsbald die von Drachentötern beherrschte Fähigkeit des Gedankenlesens. Für mal mehr, mal weniger Erfahrungspunkte lässt sich so bei den meisten Gesprächspartnern Intimes ausspionieren. Ihr erfahrt dadurch zum Teil geheime Passwörter, Lageplätze von Schätzen oder schaltet in den Multiple-Choice-Gesprächen neue Antwort-Optionen frei.

Manchmal ist es aber einfach auch nur lustig, wenn etwa die Bedienung im Schwarzen Eber denkt: „Ach, diese Perversen. Uschi ist ein schöner Name, egal was für Witze man darüber machen kann.“ Oder die Wache Sven sorglos vor sich hin reimt: „Im Dunkeln sie stets das Vorspiel begann, doch dann – oh Schreck – Michelle war ein Mann.“ Klasse, dass sich Herausgeber Dtp bei der deutschen Lokalisation offenbar nicht lumpen lässt. Nicht nur die Texte wirken einfallsreich, auch sind die Gespräche ansprechend vertont. Als Synchronsprecher fungieren bekannte Stimmen, die ihr vom Kino vielleicht als deutsche Ausgabe von Marlon Brando, Angelina Jolie, Christina Ricci oder Gene Hackman kennt.

Nahezu jede Aufgabe, bei der Gespräche involviert sind, lässt sich auf mehrere Arten lösen. Aber ob ihr euch nun freundlich oder böse gebt, verändert euren Helden beziehungsweise eure Heldin nicht. Es kann allenfalls passieren, dass euch Gestalten, die ihr zum Beispiel in eine Straflager-Expedition abgeschoben habt, später in einer anderen Quest ein Messer zwischen die Rippen jagen wollen. Oder dass euch jemand eine helfende Hand reicht, den ihr an anderer Stelle geschont habt.

Das Inventar wirkt aufgeräumt, lässt aber eine Sortierfunktion vermissen.

Diese verflixte Schatztruhe! Das Teil will sich trotz eurer Kunst im Schlösserknacken erst öffnen, wenn ihr zuvor drei Fragen richtig beantwortet. Hat man so etwas schon einmal gehört? Was interessiert es mich, was auf dem Bild zu sehen ist? Oder was ihr von einer anderen Schatztruhe haltet? Egal, so eine Schatztruhe hat es ja auch nicht leicht im Leben, spielt ihr das Spiel eben mit. Nachdem ihr der Kiste alle Wünsche erfüllt habt, öffnet sie sich mit einem lasziven „Jaaaa, dringe in mich ein …!“ Meine Herren, wenn es die wortwörtlich alte Schachtel so nötig hatte, hätte sie sich auch vorher nicht als Quizmaster betätigen brauchen.

Vieles an Divinity 2 wirkt (auf den zweiten Blick) für ein Rollenspiel ungewöhnlich. Etwa die Weise, wie ihr eure Fähigkeiten auswählt. Völlig bar jeglicher Klassen-Verpflichtung, einfach dort punkten, wo es euch beliebt. Und auch zum Teil, wie ihr eure Aufgaben bewältigt. Natürlich existieren jede Menge Aufträge der obligatorischen Art „Finde meine entlaufenen Schweine“ oder „Besorge zehn Koboldherzen“. Aber später erwarten euch noch durchaus knifflige Schalterrätsel, die verborgen in Wänden und Balken schlummern, sowie Hüpfpassagen, die fast an Tomb Raider erinnern. Überhaupt wirkt das Spiel mit seinen Kampfanimationen der Marke God of War sehr actionorientiert. Aber keine Sorge, Divinity 2 bleibt trotz dieser Anleihen ein Rollenspiel. Ein Rollenspiel, das allerdings auch vor Textaufgaben nicht zurückschreckt. Ein Beispiel gefällig?