Dolby Atmos für Gamer - Die große Übersicht: Wie funktioniert es, was kostet es, was braucht ihr?
Die Zukunft des Surround-Sounds ist dreidimensional
Wenn euch Laserstrahlen akustisch um die Ohren fliegen, Regen scheinbar von der Decke tropft und Konzerte so klingen, als würden sie bei euch im Wohnzimmer stattfinden, dann ist Dolby-Atmos im Spiel. Wirklich neu ist dieser Klangstandard nicht. In ausgewählten Kinos erlebt man ihn seit 2012. Gamer kommen allerdings erst seit 2016 in den Genuss - und die Unterstützung kommt leider nur schleppend voran. Aber wer Atmos in seiner vollen Pracht erlebt hat, kehrt ungern zum altbackenen 5.1 oder 7.1-Standard zurück. Hier erfahrt ihr, wo der Unterschied liegt und was euch der Einstieg kostet.
Erstmal: Warum wechseln? Nun, zum einen, weil jene Surround-Techniken, die in den Heimkino-Standards 5.1 und 7.1 resultierten, schon seit 25 Jahren existieren. Man könnte meinen, ein Vierteljahrhundert genüge für die Perfektion des Klanggenusses, doch weit gefehlt! Noch immer gibt es Filme, die einen zwingen, ständig an der Fernbedienung herumzuspielen oder Pegel-Automatiken zu aktivieren, weil der Tontechniker beim Abmischen keinen ordentlichen Mittelwert zwischen Soundeffekten und Sprache fand. Dazu gibt es noch immer zu harte Schwenks von links nach rechts oder von vorne nach hinten und umgekehrt. Um es kurz zu fassen: Die alten Surround-Standards sind brauchbar, aber etwas grob.
Wie HDR - aber für die Ohren
Was, wenn nicht mehr zwischen getrennten Kanälen unterschieden würde? Was, wenn die aufgenommenen Objekte anhand ihrer Position im virtuellen Raum selbst bestimmen könnten, wie stark sie von Teilen der Surround-Anlage wiedergegeben werden; wenn sie genau mitteilen könnten, in welchem Winkel und in welcher Entfernung zum Hörer sie liegen? Genau das passiert bei Dolby Atmos und seinem konkurrierenden Standard DTS-X.
Was nach einem grandiosen Fortschritt für Kinofilme klingt, ist im Gaming-Bereich eine längt fällige Entwicklung, denn 3D-Spiele-Engines arbeiten seit jeher objektbasiert. Statt Klangeffekte im Nachhinein auf ein optisches Ereignis zu münzen, tragen sie ihre Soundquelle mit sich und bewegen sich in einem künstlichen dreidimensionalen Raum. Wenn also ein Need-for-Speed-Polizeiauto an euch vorbeifährt, dann stammt dessen Sirenenklang aus einem virtuellen Klangerzeuger, der am Auto klebt. Warum um alles in der Welt sollte man dessen Akustik auf fünf oder sieben fest unterteilte Lautsprecher festnageln, wenn er seine Position im Raum genau mitteilen kann?
Dolby Atmos und DTS-X räumen das ein. Das Ergebnis ist filigraner als normales 7.1 und lässt eine erheblich genauere akustische Ortung zu. Nicht zuletzt aufgrund der zusätzlichen Deckenlautsprecher, die der früheren horizontalen Ausrichtung eine hörbare vertikale Komponente verleihen. Zum ersten Mal kann man wirklich von dreidimensionalem Raumklang sprechen. Spiele wie Shadow of the Tomb Raider oder die Gears of War-Serie profitieren so stark davon, dass sie das Spielerlebnis positiv beeinflussen.
Vom Groben ins Feine
Siehe etwa Lara Crofts jüngstes Abenteuer. Es ist bereits erstaunlich, dass man dank Atmos genau hören kann, aus welcher Urwald- Baumkrone ein Vogel zwitschert. Wirklich vorteilhaft wird das Ganze aber, wenn man beim Tauchen hört, wo sich rettende Luftblasen befinden, wo Giftpfeile herumzischen und auf welcher Höhe eine rotierende, knarrende Holzplattform liegt.
Das größte Missverständnis in Bezug auf Atmos ist die Falschannahme, die Deckenlautsprecher seien nur dann von Nutzen, wenn Hubschrauber oder Flugzeuge über einen hinwegfliegen. Klar, solche Effekte gibt es durchaus und sie tragen ihren Teil zur Immersion bei. Ein witziger Effekt ist beispielsweise Regen, der akustisch von der Decke zu tropfen scheint. Was viele dabei vergessen, ist dass Dolby Atmos und DTS-X den Raumklang in jeder beliebigen Szene voller machen, weil die Deckenlautsprecher als Volumenpegel dienen.
Wenn Lara Croft durch eine Höhle kraxelt, reflektieren sie alle Soundeffekte so, wie es die Höhle in der Realität tun würde. Das Gefühl für die Größe einer Höhle ist authentischer, weil es nicht mehr auf das zweidimensionale Vorne-Hinten-Schema beschränkt ist. Da zudem keine feste Trennung mehr zwischen den Kanälen besteht, können Reflexionen nahtlos in jede Richtung wandern. Konzertmitschnitte auf Blu-ray machen sich diesen Effekt schon seit Jahren zunutze.
Das sind vornehmlich Effekte der Höhen und Mitten, aber wie steht es denn um den Bass? Nun, der erfährt über Atmos ebenfalls eine besondere Behandlung, denn anstelle eines einzelnen Subwoofers können gleich zwei genutzt werden.
Zwei Subwoofer? Wozu das denn? Eine berechtigte Frage mit einer faszinierenden Antwort: Ein zweiter Subwoofer ermöglicht dem Atmos-Receiver, den Bass-Effekt des ersten Tieftöners einzuschränken, beziehungsweise auf eine begrenzte Fläche zu verkürzen. Das kann man sich vorstellen wie einen Wellengang auf hoher See, der auf eine andere Welle trifft, die in entgegengesetzter Richtung verläuft. Beide Wellen neutralisieren sich an der Stelle, an der sie aufeinandertreffen. Der Basseffekt wird dadurch feiner und vor allem ortbar, wenn es erwünscht ist. Kurzum: Kino-Qualität für die eigenen vier Wände.
Der Standard der Zukunft schon jetzt verfügbar
Während sich Dolby Atmos auf Ultra-HD-Blu-rays und bei Streaming-Services wie Netflix immer stärker durchsetzt (und langsam, aber stetig auch die deutsche Synchronisation einschließt), fällt die Unterstützung in Spielen noch dünn aus. Das liegt weniger am Willen der Hersteller als an den Hardware-Voraussetzungen. Sonys PlayStation beispielsweise, unterstützt Atmos hardwareseitig überhaupt nicht. Selbst bei Filmen muss man den erweiterten Raumklang von der Konsole durchschleifen lassen, damit er ohne Umwandlung in ein anderes gängiges Format beim Receiver ankommt. Spiele sind völlig davon ausgeschlossen, was bei der Playstation 5 jedoch ganz anders aussehen dürfte. Gerade im Hinblick darauf, dass Sony Raytracing im Audiobereich verspricht.
Die Xbox One kommt dagegen schon jetzt wunderbar mit Atmos klar, wenn man sich die kostenlose Dolby-App aus dem Microsoft Store herunterlädt. Netterweise inkludiert das die Funktion für Netflix. Wer also Serien wie "Der Dunkle Kristall: Ära des Widerstands" in Atmos genießen will, aber einen Fernseher verwendet, dessen eingebaute Netflix-App den Standard nicht unterstützt, findet in Microsofts Konsole eine Alternative. Schade nur, dass ein ganzer Haufen Spiele Atmos nur auf der Xbox One X zulässt.
Wer Atmos auf dem PC genießen will, benötigt derweil zwingend Windows 10, da die zugehörige Dolby-App ausschließlich im Microsoft Store vorliegt. Lasst euch nur nicht verwirren: Dolby versucht euch in dieser App auch Atmos für Kopfhörer zu verkaufen. Diese Funktion ist für Heimkinos unnötig und darf einfach ignoriert werden.
Günstige Receiver im Kostenbereich von etwa 300 bis 400 Euro unterstützen inzwischen alle gängigen Formate, also sowohl Atmos als auch DTS-X. Sie bringen normalerweise vier oder fünf HDMI-Buchsen und einen HDMI-Ausgang mit, die sowohl HDR als auch Dolby Vision durchschleifen. Nur Samsungs HDR10+ zieht derzeit den Kürzeren.
Das genügt für viele Setups und hat den praktischen Nebeneffekt, dass man den HDMI-Kabelsalat vom Fernseher fernhält, denn der Receiver fungiert nebenbei als Multimedia-Hub. Und zwar vollumfassend, meist mit zusätzlichen Funktionen wie UKW- und Web-Radio, Spotify, Deezer, MP3-Player und (je nach Modell) Anschlüssen für den Plattenspieler.
Empfehlen können wir euch in diesem Segment die Receiver der Marken Denon und Onkyo. Beide bieten viele Features für einen guten Einstiegspreis und nur wenige Mankos. Siehe etwa das Modell Denon AVR 1500H, das momentan für rund 300 Euro zu haben ist. Der Denon-Receiver zeichnet sich durch 145 Watt je Kanal und einen bemerkenswert weichen Klang aus, der an analoge Verstärker erinnert. Auf der negativen Seite steht eigentlich nur das arg spartanische Optionsmenü, das an 4K-Fernsehern sehr verpixelt wirkt.
Onkyos Network Receiver für ca 350 Euro bringt es sogar auf 165 Watt je Kanal samt einem modernen, grafisch aufbereiteten Menü. Außerdem verfügt er über mehr HDMI-Eingänge und einen zweiten Ausgang für einen Kontroll-Bildschirm. Er klingt allerdings erheblich härter und digitaler als Denons Gerät.
Beide Varianten können wir empfehlen, auch wenn Denon klanglich besser abschneidet. Lasst nur die Finger von Pioneer-Receivern, denn im unteren Preissegment leisten sie zu wenig. #
Die Mittelklasse
Es geht noch besser: Einstiegsgeräte verfügen nur über sieben Hauptkanäle plus Subwoofer-Anschlüsse. Das ermöglicht eine 5.2-Konfiguration plus zwei Deckenlautsprecher (also 5.2.2), oder normales 7.1, wenn man auf Atmos verzichtet. Zwei Deckenlautsprecher an der vorderen Seite erweitern das Klangspektrum bereits hörbar und können für erhöhten Spielgenuss allemal ausreichen, aber erst bei vieren wird der komplette Raum ausgefüllt.
Das ist mit den oben genannten Einstiegsgeräten leider nicht möglich. Erst im Mittelklasse-Segment ab ca. 700 Euro aufwärts kommt 9.2-Hardware zum Einsatz. Auch hier kann man sich die Konfigurationsmöglichkeiten ausrechnen: 7.2.2 oder 5.2.4 - die hintere Zahl steht jeweils für die Anzahl der Deckenlautsprecher.
In dieser Preisklasse wäre das Modell VSX-LX503 von Pioneer eine Empfehlung wert, da es in Sachen Preis-Leistung ungeschlagen ist. Für rund 750 Euro (mancherorts sogar für 650 Euro im Sale) erhält man sehr satten Klang, eine ordentliche Benutzerführung, viele Anschlüsse und 180 Watt je Kanal. Nur eine Eigenschaft fällt negativ ins Gewicht: Während günstige Modelle anderer Hersteller bereits ermöglichen, jeder Klangquelle eine eigene Equalizer-Einstellung zuzuschreiben, muss bei diesem Gerät eine Einstellung für alles herhalten. Die nächstbeste Alternative wäre der Denon AVR-X3600H, der auf 900 Euro kommt, aber im Ausgleich dafür weichen Klang mitbringt, so wie das günstige Einstiegsgerät derselben Serie.
Es geht natürlich noch extravaganter. Nach oben sind keine Grenzen gesetzt. Wer vierstellige Beträge auf den Tisch legt, erhält Anlagen, die bis zu sechs Deckenlautsprecher unterstützen. Aber das ist das Territorium wahrer Cineasten mit dickem Geldpolster, denn ohne passende Lautsprecher bringt euch das alles nichts.
Guter Sound braucht gute Lautsprecher
Dolby Atmos und DTS-X bauen auf dem 5.1 und 7.1-Standard auf. Wenn ihr also schon eine Surround-Anlage besitzt, genügt euch ein Aufrüst-Set aus Receiver und Deckenlautsprechern. Wobei wir bei der Front zu zwei ordentlichen Standboxen raten, denn sie tragen den Hauptteil des Klangererlebnisses. Neueinsteiger sind mit Komplettsystemen wie etwa dem Ultima 40 Surround Paket von Teufel (799 Euro) gut bedient.
Soundbars mit Atmos-Funktion können eine günstige Alternative darstellen, klingen aber normalerweise nicht halb so gut wie ein gut ausdefiniertes System mit Boxen, die im Raum verteilt wurden. Da alle Receiver inzwischen Messmikrofone mitbringen, die euch beim Kalibrieren helfen, liegen Welten zwischen den Qualitätsleveln.
Wer bei den Frontboxen nicht knausert, kann sich unter Umständen sogar den Subwoofer sparen, der bei manchen Herstellern nur matschiges Brummen von sich gibt. Das tilgt zwar die Möglichkeit gegenseitig ausgesteuerter Subwoofer, kann aber der allgemeinen Klangqualität zuträglich sein, weil sich gut ausdefinierte Bässe grundsätzlich besser anhören als ein reiner Tiefton Brüllwürfel.
Als gutes Aufrüst-Set für die Front legen wir euch die Ultima 40-Serie von Teufel (399 Euro) ans Herz, die ihr um einen Ultima Center-Lautsprecher für ca 130 Euro ergänzen könnt. Soll es noch ein wenig hochwertiger sein, dann greift zur GLE-Serie von Canton, oder zur T8-Serie von Teufel. Sehr nett, wenn auch etwas teurer, sind die Nubert-Sets, hier seid ihr bei um die 3000 Euro. Wer wirklich Geld übrig hat, kann zum Beispiel auch bei KEF gucken, da liegt dann aber ein komplettes Set der R-Serie im knapp bis gut fünfstelligen Bereich.
Was die Deckenlautsprecher angeht, so habt ihr die Wahl zwischen drei Varianten. Ihr könnt ganz normale Satellitenboxen an der Decke montieren, auf dedizierte Deckenlautsprecher setzen oder für Atmos entworfenen Reflexionslautsprechern vertrauen.
Reflexionslautsprecher wie beispielsweise das Modell Reflekt von Teufel für 299 Euro (im 2er Set) oder Canton A 45 AR (für 300 Euro das Stück) liegen auf euren Frontboxen und strahlen ihren Klang an die Decke, damit er von dort reflektiert und im Raum verteilt wird. Zu dieser Konfiguration raten wir allerdings nur in Neubauwohnungen und Häusern mit Decken, die 2,30 Meter nicht überschreiten. In Altbauwohnungen mit hohen Decken verfliegt viel vom Reflexionseffekt in der allgemeinen Resonanz des Raums.
Grundsätzlich bieten euch Satelliten und echte Deckenlautsprecher, die ihr an die an die obere Seite eurer Wände oder an die Decke montiert, einen unverfälschteren, direkteren Klang, bringen aber sichtbare Kabel mit, die der besseren Hälfte nicht immer gefallen. Die einzige Alternative dazu wären kabellose Lautsprecher, nur kocht da jeder Receiver-Hersteller sein eigenes Süppchen mit einem eigenen Übertragungsprotokoll und teils gesalzenen Preisen für kompatible Boxen.
Dolby Atmos ist ein extravagantes Klangerlebnis. Sicher nicht billig, nicht einmal in der Einstiegsklasse, aber allemal sein Geld wert. Spätestens mit der Einführung der neuen Konsolengeneration zum Weihnachtsgeschäft 2020 werden Atmos und DSX-X zum neuen Klangstandard mutieren - zu Recht, denn ein intensiveres Mittendrinn-Gefühl für Spiele und Filme ist derzeit nicht machbar. Wer mit Blick auf sein Konto mit der Anschaffung hadert, kann sich ja in kleinen Schritten ein System aus älteren Teilen zusammenbauen. Alle von uns empfohlenen Receiver ermöglichen euch, einzelne Boxenreihen abzuschalten oder in ihrer Frequenzreichweite einzugrenzen.