Dragon Age 2
Einsame Helden bluten besser
Leider gibt es den heftigen Qualitätssprung in der Grafik – und er ist wirklich gewaltig – nicht umsonst. Die wesentlich feiner gezeichneten Figuren, die weit detaillierte Landschaft und natürlich auch die für die sehr flüssigen Kampfabläufe nötigen Animationen fressen Rechenpower, mit der ein moderner Semi-High-End-PC so reichlich gesegnet ist. Die Konsolen leider nicht und für eine homogene Cross-Plattform-Entwicklung muss ein Kompromiss gefunden werden. Je weiter herausgezoomt wird, desto mehr passiert auf dem Screen und umso mehr muss gerechnet werden. Also bleibt man einfach näher am Geschehen. Heiße ich das gut? Ich halte mich raus. Das Aufheulen überlasse ich PC-Fans.
Und wer weiß, vielleicht lässt sich am Ende das Mausrad weiter drehen als man jetzt denkt. BioWare hat bisher immer von den ersten Preview-Versionen bis zum Finale in fast allen Spielen immer eine ganze Menge an der Kamera geschraubt. Was schon zu sehen war, ist eine freie Kameraführung, BioWare nennt sie Tactical Camera 2.0, die nicht am jeweiligen Charakter festhängt, sondern sich frei drehen und bewegen lässt. Auf dem ganzen, in Zeitpause eingegefrorenen Schlachtfeld könnt ihr Befehle vergeben und dann sofort wieder durchstarten. Nur halt nicht ganz rauszoomen.
Worauf ihr trotz des einen Hauptcharakters nicht verzichten müsst, sind Begleiter und Sidekicks. Vier Leute sind es nach wie vor in der Party, oder zumindest ist das das Maximum. Nur leider hält man sich noch äußerst bedeckt, wenn es darum geht, wer das sein wird. Alte Bekannte aus Origins sollen wohl nicht in dermaßen aktive Rollen schlüpfen, alles Neulinge also. Eine Magierin namens Bethany, Hawkes Schwester, wurde bereits vorgestellt und ein kurzer Ausblick auf einen, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht spielbaren NPC gewährt. Ein dramatischer Kampf wurde durch einen Drachen beendet, der allerdings nicht die Gruppe attackierte, sondern sich stattdessen in die gute, alte Flemeth verwandelte und die Gruppe mit einer elaborierten Version von „Was´up, Doc?" begrüßte.
Einen Mangel an Begleitern soll es auf keinen Fall geben und eine gesunde Mischung aus Taktik und persönlichen Vorlieben wird aufgefahren. Wer den einen Kämpfer so gar nicht leiden kann, wird einen zweiten finden. Hoffentlich entspricht der dann mehr eurem Gusto, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass es noch viel mehr als das werden und am Ende wird es sich wohl auf das Kontingent von Origins einpendeln.
Wesentlich schlanker, oder zumindest sortierter, soll das Itemsortiment ausfallen. Man hatte ein Einsehen damit, dass es in Origins zwar viel zum Sammeln gab, aber das Allermeiste davon kaum über den Status von Abfall hinauskam. Die Items, Waffen und Rüstungen in Teil 2 sollen für den Finder – oder Erwerber in den Läden der Städte – ein Gewinn sein und dementsprechend sollte am Ende in diesem Bereich weniger letztlich mehr sein.
Die Zahl der Zauber und Fertigkeiten erschien den Entwicklern in Origins ebenfalls ein wenig zu groß oder vielmehr zu unsortiert. Man hatte relativ schnell das Ende der Talente erreicht, die man wirklich nutzte, was etwa eines Drittels des Angebots entspricht, während der Rest mehr aus Verzweiflung und Punkteüberschuss befördert wurde. Ein paar bekannte Klassiker wie die wandelnde Brut-Bombe werden wieder ihre Aufwartung machen, ein paar Neue kommen dazu, das Gesamtpaket will mit dem Anspruch antreten, wesentlich abgerundeter zu sein. Als weiteren Bonus werden sich Talente über spezielle Gegenstände verbessern lassen. Mal gucken, wie das funktioniert.
BioWare zieht für Dragon Age 2 alle Register! Ein starker, dramaturgischer Ansatz, der neue Freiheiten eröffnet, ein überarbeitetes, dynamisches Kampfsystem und der Grad von Hingabe zu den Feinheiten, den man von den Kanadiern inzwischen gewohnt ist. Mir persönlich hat es besonders der frische Rahmen angetan. Die Rückblicke erlauben es, eine wesentlich größere – um nicht schon wieder das überstrapazierte „epischere" benutzen zu müssen – Storyline aufzubauen, die den Wegen der Helden über Jahrzehnte folgt. Und ein mehr an Dynamik im Kampf schadet nie.
Oder doch? Natürlich schreit so mancher Verrat angesichts der Modifikationen an etwas, dass in seinem Herzen bisher weitestgehend dem geliebten Baldur´s-Gate-System entsprach. Gerade der mögliche Verzicht auf die Taktik-Sicht von oben scheint genau dieser Furcht in die Hände zu spielen. Ich sehe es gelassener. Taktische Befehle lassen sich nach wie vor vergeben und ein gesundes Balancing gehört zu den Dingen, die BioWare nie auf die leichte Schulter nahm. Was die kurze Entwicklungszeit und die damit implizierte Umkehr des Sprichwortes „Was lange währt, wird gut" angeht, dem setze ich einfach mal zuversichtlich „Ausnahmen bestätigen die Regel" entgegen. Wenn eine Firma für Ausnahmen und Ausnahmespiele zu haben ist, dann ist es BioWare. Das haben sie oft genug bewiesen. Und Dragon Age 2 vermittelt den Eindruck, als hätte es sich bei Origins um kaum mehr als eine Aufwärmrunde gehandelt.
Dragon Age 2 wird am 8. März 2011 in den USA für PC, Xbox 360 und PS3 erscheinen. In Europa müssen wir uns drei Tage länger gedulden, hier wird der 11. März angepeilt