Skip to main content

Dragon Age: Inquisition - Test

Habt ihr Angst vor Drachen? Nein? Dann könnt ihr hier sogar noch etwas lernen...

Nach dem schwachen zweiten Teil nun die Wiedergutmachung. Eine große Welt mit einer großen Geschichte und ein paar echt großen Drachen.

Fantasywelten sind schon ein faszinierendes Konstrukt der Sozialarchitektur. Ihr habt fast immer eine Kultur, die über einen Zeitraum von Millennia nicht in der Lage war, Strom für was anderes als Angriffszauber zu nutzen oder auch mal als Innovation das Schießpulver zu entdecken. Gleichzeitig übertrumpfen architektonische Wunderwerke einander und stehen Reihe, um die Kultur der "Alten" zu preisen. Um genau zu sein, ist das alles immer wieder ganz schön systeminhärent-reaktionärer Mist, der eine anhaftend rückwärts gerichtete Sichtweise als ein Ideal verklärt und die Rückkehr zu einem goldenen Zeitalter propagiert, die niemals erfolgen kann.

Der Grund dafür ist, dass diese Welten eben auch in einem Zustand leben, den ich die Permakalypse getauft habe. Es gibt immer einen Feind, der alles bedroht. Der mal Jahrhunderte schläft, mal in regelmäßigen Abständen die vermeintliche Ruhe stört, aber immer im Hintergrund lauert. Gleichzeitig stehen natürlich auch die Helden bereit, das abzuwehren, was auch immer kommen mag. Reich das Land, das Helden hat, und arm das, das sie braucht? Fantasywelten sind Krösus und Kirchenmaus zu gleichen Teilen.

Eine immer noch nicht geschlossen zu erkundende Welt wartet auf euch, aber eine, die in vielen Facetten und mit viel Fläche zeigt, was sie zu bieten hat...

Ihr könnt nehmen, was ihr wollt. Herr der Ringe? Sauron ist der Prototyp des Konzepts. Dragonlance hat es mit seinen Göttern fest in der DNA, im Schwarzen Auge gibt es immer einen Neuen, der alle paar Jahre Stunk macht - ich hab vergessen, wie die Entsprechung aus Shannara sich nannte -, und Michael Moorcock hat eine Karriere um das Konzept gebastelt. Für die betreffenden Welten selbst spielt das selten eine große Rolle. Die Wahrheit ist nämlich, dass es danach immer weitergeht. Es geht weiter und wenn das Setting erfolgreich genug ist, steht der nächste Weltenkiller schon in den Startlöchern. Irgendwelche neue alte Elfenmagie wartet nur darauf, in die falschen Hände zu geraten, vergessene Artefakte liegen immer in der einen oder anderen eisigen Festung bereit, tote Götter schlafen nur, bis mal nicht so viel los ist. Und der Zirkel beginnt von vorn. Willkommen bei Dragon Age: Inquisition.

Wobei, man muss es der Welt von Thedas lassen: Es ist schwer zu sagen, ob die eine Katastrophe schon durch ist und man die nächste bekämpft oder ob es im Einklang mit der letzten rumpelt. Aber da ich jetzt schon häufiger gelesen habe, dass Inquisition sich wie ein großes Finale verhalten und geradezu Endzeitstimmung aufkommen soll... Nein, in keiner Weise. Eigentlich ist es genau diese Stasis in immerwährender Bewegung. Der Katalysator in Form eines neuen Bösen ist vorhanden und es erfüllt seine Aufgabe adäquat. Die Beschleunigung der Bewegung und gleichzeitig die Stabilisierung des Status quo erfolgt durch die Helden, und sie spielen ihre bekannten Rollen. Sie alle führen ihren ewiglichen Tanz auf und nur der partielle Wechsel der Perspektive ist zumindest in der Serie ungewohnt.

...mal geheimnisvoll...

In Orlais nennen sie es das große Spiel, wir nennen es banal Politik und in Bezug auf Inquisition nenne ich es "Marker auf Karte anklicken und Punkte abholen". Der Grundgedanke des Spiels ist, dass eure Bioware-typische Rasselbande nun nicht mehr allein durchs Unterholz turnen kann, um das Böse aus der Welt zu treiben, sondern dass sie Verbündete brauchen. Ihr seid schließlich die Inquisition, frisch ins Leben gerufen mit dem Auftrag, als Ordnungsmacht aufzutreten, wo im Nachgang der Verderbnis, dem laufenden Krieg zwischen Magiern und Templern und der aufziehenden neuen Bedrohung nur Chaos herrscht. Wie gesagt, eine Katastrophe geht, die nächste kommt.

Ihr habt eine schicke Burg, darin eine große Landkarte mit vielen, vielen Markierungen darauf und ungefähr 90 Prozent dieser klickt ihr an, um zu erfahren, welches Problemchen dahinter lauert - vom großmäuligen Adeligen bis zu Blutmagieraufständen kann das alles Mögliche sein. Dann entscheidet ihr, ob ihr mit Diplomatie, Spionage oder der Armee eingreifen wollt, ein Timer beginnt zu laufen und irgendwann bekommt ihr ein paar Punkte, Ressourcen oder auch mal einen netten Gegenstand. Schwerlich das große Spiel der Nationen, das ihr hier mit Feingefühl betreiben müsst, aber ich muss zugeben, dass es trotz all seiner spielerischen Beschränktheit zumindest erfolgreich den Eindruck vermittelt, dass in der Welt eben doch etwas mehr los ist als nur in eurer unmittelbaren Bewegung.

...mal mystisch...

Die anderen 10 Prozent der Karte sind dann die wichtigen 95 Prozent des eigentlichen Spiels. Hinter ihnen verbirgt sich ein gutes Dutzend Gebiete, etwa zu gleichen Teilen auf Ferelden und das Nachbarland Orlais aufgeteilt. Und gute Güte, sind die groß. Und nicht nur groß, sie sind immer wieder ausgesprochen schön und aufwändig gestaltet. Zeigte Origins kleine Einblicke in eine größere Welt und der zweite Teil einen Punkt etwas genauer, lässt Inquisition Thedas nun endlich wenigstens etwas aufleben. Die Gesamtfläche ist dabei wirklich anständig, jedes der größeren Gebiete hat deutlich mehr Fläche, als zum Beispiel Witcher 2 in einem seiner auch nicht so kleinen Bereiche hatte. Sie repräsentieren auch die Vielseitigkeit der Welt ausgesprochen gut. Man kann es zwar auf landschaftliche Stereotypen herunterbrechen - Mittelgebirge, schroffe Küstenlande, Sümpfe, Hochländer, Wüste und so weiter -, aber jedes von ihnen bringt in der liebevollen Ausgestaltung so viel eigenständigen Charme und Charakter mit, dass sie sich wirklich nach etwas Eigenem anfühlen. Es ist eine Welt, in der es Spaß macht, einfach loszuziehen und zu schauen, was da entlang des Weges kommt. Oft genug werdet ihr für die Neugier belohnt und entdeckt mal kleine Feinheiten und mal beeindruckende Aussichten. Es fühlt sich groß, frisch und lebendig an.

Gerade Letzteres liegt auch daran, dass man sich endlich mal zumindest etwas Mühe mit den Details der Welt gab. Mein persönlicher Eindruck von Bioware war stets, dass sie ihre Spiele als eine Art ausuferndes Kammerspiel betrachteten. Die Kulissen müssen da sein und in ihrem Falle auch zahlreich, aber die Protagonisten standen immer im Vordergrund. Ob der Hintergrund hübsch angemalt war, war ihnen nie so wichtig. In Inquisition hüpft viel Getier durch recht detaillierte Flora, die NPCs sind zwar immer noch Deko mit Aussagekraft in einzelnen Debatten, aber zumindest etwas natürlicher eingesetzt, und auch wenn sie nicht einem Tagesablauf nachgehen, nimmt man ihnen doch zumindest etwas mehr ihr Leben in dieser Welt ab, als es zuvor der Fall war.

Ein Tag-Nacht- oder irgendein Zyklus innerhalb der Gebiete fehlt leider nach wie vor komplett. An der Küste regnet es immer, der Sumpf dämmert in ewiger Nacht vor sich hin und über den Hinterlanden Redcliffes oder der Metropole Val Royeaux scheint ewige Sonne. Es war Dragon Age 2 nett, die verschiedenen Gebiete zu unterschiedlichen Zeiten zu sehen, aber angesichts eines echten Fortschritts verzichte ich auch gern darauf: Das Recycling der Gebiete ist praktisch beendet. Es gibt Orte, wo ihr vielleicht zweimal mit unterschiedlichen Questzielen hinkommt, aber das ist die absolute Ausnahme. Ansonsten hat jeder Ort seinen Platz in der Handlung mit einer wirklich erschlagenden Zahl an Nebenquests. Ihr freut euch, ihn zu erkunden, und wisst, dass ihr nicht wiederkommt, wenn ihr nicht wollt.

...mal majestätisch...

Apropos Nebenquests: Wenn ich meine "erschlagend", dann meine ich "Skyrim-Level". Es gibt grob geschätzt über hundert, mal kurze, mal großzügige und immer mit ein wenig Hintergrund nett ausgestaltete Geschichten entlang des Weges. Nicht jede ein Kracher, manche kaum mehr als ein Spaziergang, aber wenn ihr euch auch auf die vielen, vielen Bücher, Briefe und Gespräche einlasst, jede einzelne eine kleine, wichtige Ausgestaltung des Bereiches, in dem sie stattfindet, sogar ein paar würdige Rätsel inklusive. Gut so, denn ihr werdet viele von ihnen erledigen müssen. Kommen wir noch mal zu dem "politischen Ansatz" des Spiels und damit der eigentlichen Handlung zurück und indirekt zu der einzigen Reihe an Nebenmissionen, auf die ich lieber, zumindest in der Intensität, verzichtet hätte.

Die Fäden aus den vorherigen Spielen werden aufgegriffen, die Magier und Templer sind im Krieg, der nördliche Nachbar Tevinter macht Stunk und zu allem Überfluss reißt ein neuer Bösewicht den Himmel selbst auf und lässt Dämonen herauspurzeln. Außerdem kontrolliert er auch noch Drachen. Wie gesagt, in dieser Welt weiß man gar nicht so genau, wo die eine Katastrophe aufhört und die nächste anfängt. Um mit all dem aufzuräumen, kommt ihr in die Situation, die "Inquisition" zu gründen, eine Art aufstrebende Ordnungsmacht, die die Zivilisation zusammenhalten und vor allem natürlich die Sache mit den Dämonen klären. Und nein, Thedas' Inquisition entstammt auch hier zwar kirchlichen Ursprungs, aber sie ähnelt mehr einer traditionellen politischen Macht, als es bei der realen Inquisition der Fall war. Während diese eher ein Strippenzieher mit einem ganz eigenen Ruf war, vertraut man in Thedas mehr auf klassische Armeen.

...und immer ein klein wenig im guten Sinne kitschig.

So oder so, ihr braucht Einfluss, um weitere Verbündete zu gewinnen (Hauptmissionen), und dazu braucht ihr wieder Machtpunkte (Nebenmissionen). Ihr könnt also nicht einfach durch den Hauptstrang der Handlung galoppieren - der mit kaum unter 20 Stunden, eher deutlich mehr, auch nicht zu kurz ausfiel -, sondern seid gezwungen, auch noch einmal so viel Zeit in Nebenaufgaben zu stecken. Bei den normalen dieser Art ist das kein großes Problem, aber jedes Gebiet behelligt euch auch mit einer Reihe von Intermezzos, die sich schnell abgenutzt haben. Wie gesagt, der Himmel ist aufgerissen und Dämonen fallen raus. Nur euer Held kann diese Risse schließen und daher muss er das persönlich tun. Ungefähr hundertmal. Immer sind es zwei Wellen von Dämonen aus einem Pool von nicht mal einem Dutzend. Immer. Wieder. Und wieder. Und wieder. Es müssen nicht alle Risse geschlossen werden und wenn ihr genug andere Nebenquests erfüllt, dann könnt ihr den Rissen sogar weitestgehend aus dem Weg gehen. Aber als Füller sind sie so offensichtlich und billig, wie es nur wird, und damit diesem sonst so persönlich und individuell ausgestalteten Spiel denkbar unwürdig.

Über die Charaktere des Spielers würde ich das nicht sagen, nicht einmal, dass sie austauschbar sind, ein Wort, das ich jetzt schon ein paar Mal über sie hörte. Sie sind so gut oder schlecht wie alle anderen Bioware-Charaktere. Jeder hat eine klare Agenda, eine Persönlichkeit und einen Grundgedanken, der in seine Entwicklung einfloss. Der Unterschied ist, dass sie bei anderen Titeln, selbst einem ja auch auf das große Ganze ausgelegten Mass Effect mehr im Vordergrund standen. Hier geht es um den Helden, mehr aber noch um das Gefühl, für die Inquisition als Machtfaktor (was dem Spiel mal mehr, mal weniger in der Umsetzung glückt) aufzutreten. Eure Begleiter sind für euch wichtig und nötig, aber sie sind eben auch nicht "mehr" als der innere Machtzirkel. Dieser fluktuiert in allen solchen Gebilden von Zeit zu Zeit und der Weggang oder das Dazukommen neuer Figuren und damit Ideen verändert die Dynamik, aber eher im Sinne von geordneter Plattentektonik. Ruhig, langsam, über die Zeit und ohne die lästige Erdbebengefahr. Die Gruppendynamik steht damit auch deutlich im Hintergrund. Die Gespräche wirken weniger persönlich und nah, ihr seid eben keine völlig auf sich gestellte Schicksalsgemeinschaft, sondern der Führungskreis von etwas viel Größerem, und so fühlt es sich in seinen gelungenen Momenten auch an. In seinen weniger gelungenen fragt man sich schon, was man hier eigentlich genau tut, wer diese Gestalten sind und wie sie einem bitteschön helfen sollen. Ihr könnt immer noch ein wenig mit allem und jedem anbandeln, aber es fühlt sich weniger nach Charakterliebe und mehr nach einer Office-Romanze an. Wie gesagt, es senkt nicht die Qualität der Charaktere an sich, sie haben auch alle ihre eigenen kleinen Quests, doch ihr werdet eine deutlich andere Dynamik vorfinden als in den Vorgängern und den meisten anderen Spielen des Entwicklers.

Warum immer unterschiedliche Waffen gezeigt werden, die der gewählte Charakter eh nicht nutzen kann, bleibt eines der vielen Geheimnisse der nicht ganz optimal gelösten Inventarverwaltung.

Was die Personalisierung angeht, werdet ihr euch sicher freuen zu hören, dass man nun wieder alle Charaktere in individueller von euch gewählter Rüstung in den Kampf schicken kann. Jeder Einzelne wird von Kopf bis Fuß von euch eingekleidet, zumindest in gewisser, vereinfachter Weise. Es gibt nach wie vor nur Rüstungssets, was ich schade finde. Ein Set aus verschiedenen Stiefeln, Hosen, Plattenpanzer und Helm hat was Individuelles, was mir angesichts der hier durchgestylten Gesamt-Ensembles leider abgeht.

Überhaupt ist das Loot etwas unbefriedigend. Ständig findet ihr irgendwas, aber es war erschreckend selten etwas Spannendes im Bereich Rüstung oder Waffen dabei. Graduell über das Spiel hinweg wurde es halt etwas beeindruckender, aber es scheint sich einer eigenwilligen Art von Realismus gewahr, dass ein Schwert seine Macht von dem erhält, der es schwingt, und am Ende nur ein Stück Metall ist. Mit anderen Worten: Eure Figuren werden besser, ihre Ausrüstung fühlt sich immer recht alltäglich an, selbst wenn sie mitunter rein optisch selbst Begriffe im Sinne von "wie ein Pfau herausgeputzt" noch hinter sich lässt. Auch das zufällige Verteilen ist mitunter ein Problem, da ich zum Beispiel häufig genug eine schöne Rüstung für einen menschlichen Schurken fand. Ich habe einen Zwergenschurken, eine Elfenschurkin, aber eben keinen Mensch. Gut, dass es ein recht umfangreiches Crafting gibt, mit dem man sich wenigstens selbst mit zumindest ein paar nützlichen Items belohnen darf.

Der Feind meines Feindes ist noch lange nicht mein Freund. Schon deshalb lasse ich diesen Bären es mal selbst mit den Banditen austragen und gucke wer geschwächt übrig bleibt.

Auch das Leveln ist eine eigenwillige Mischung aus den beiden vorherigen Dragon Ages. Ihr lernt vor allem neue Angriffe und Spezialfertigkeiten für den Kampf innerhalb der größtenteils bekannten Klassen und Spezialisierungen. Bei Letzteren kamen ein paar neue dazu, diese fühlen sich aber eher wie Variationen der Standards an. Keine der neuen Fertigkeiten fühlt sich interessanter als das an, was es schon gibt oder gab. Es ist die Kombination ihrer in einer Vierergruppe, die die Dynamiken entfesselt, und da gibt es mehr als genug Potenzial, um sich beim Leveln und späterer Nutzung auszutoben.

Bevor wir dazu kommen, noch ein Punkt, mit dem ich bei dem Spiel bis zum Schluss nicht warm wurde. Während die Karte und die Navigation auf dieser genau wie die Verwaltung der unzähligen Quests, Aufträge und Sammeleien vorbildlich gelöst wurde, sind sowohl das Inventar als auch der Charakterscreen eher umständliche Konstrukte. Viel zu große Schrift verrät viel zu wenig. Warum bei jedem Charakter Dutzende Waffen angezeigt werden, die er nicht nutzen kann, aber eben auch nicht alle Waffen aus dem Inventar, ist komplett unklar. Das Ritual von Zeit zu Zeit zu durchlaufen, was man an besseren Dingen auf Lager hat, wird zu einer kleinen Bürde. Ähnlich verhält es sich mit der etwas sperrigen Übersicht über die Figuren selbst. Es ist weniger eine Frage des Inhalts, der ist in Ordnung, mehr eine der Organisation, und die wurde in diesen Punkten seltsamerweise mit jedem Serienteil schlechter.

Der Kampf dagegen ist insofern wieder eine Weiterentwicklung, als dass er versucht, die positiven Seiten beider Vorgänger zu vereinen, und dabei auch recht erfolgreich ist. Für einen Standardkampf gegen Billigfeinde reicht es völlig, in der normalen Sicht zu bleiben, die KI der drei Freunde machen zu lassen und die eigenen Fertigkeiten der gerade gesteuerten und jederzeit innerhalb der aktiven Gruppe frei wählbaren Figur nach Gusto zu nutzen. Es ist ein wenig wie Teil 2, nur mit weniger Button-Mashing, da es reicht, die Taste für Standardangriffe einfach zu halten. Sind die Feinde dagegen eurer ungeteilten Aufmerksamkeit wert, geht auf es Knopfdruck in den Taktikmodus. Das Geschehen pausiert und ihr könnt Befehle und Ziele an alle Charaktere verteilen. Haltet dann die Ablauftaste gedrückt und solange ihr das tut, läuft das Geschehen weiter. Lasst ihr sie los, ist wieder Pause und ihr disponiert neu. Es funktioniert schlicht. Keine Hektik, außer ihr wollt sie, alle Möglichkeiten, Figuren zu positionieren und koordinieren. Das Beste aus beiden Welten, souverän vereint.

Die frei bewegliche Taktik-Sicht ist nicht nur praktisch, um bequem das Kampfgeschehen zu koordinieren...

Was dagegen schwach ausfiel, ist die Koordination der KI. War dies im ersten Dragon Age eine Wissenschaft für sich und im zweiten Teil auch noch recht ausgeprägt, wurde es nun auf ein paar rudimentäre Heilfaktoren zurechtgestutzt. Am Ende musste ich bei manchen Figuren sogar Angriffe wieder aus dem Schnellmenü nehmen, da ich beispielsweise der KI nicht sagen konnte, dass mein Magier bitteschön nie in den Nahkampf zu gehen hat. Eine Art des Angriffs jedoch legte sie genauso aus, benutzte diesen gerne und schon nach zwei Runden war der Magier in der Regel am Boden. Hier wünschte ich mir wirklich die vielseitigen Möglichkeit aus Origins zurück. Für eine gute Idee halte ich die strenge Limitierung der Heiltränke. Ihr habt nur recht wenige dabei, bekommt sie aber in eurer Lagern jederzeit aufgefüllt. Es unterbindet das endlose Einwerfen von Tränken, um eigentlich nicht zu gewinnende Kämpfe doch noch über die Runden zu retten, und zwingt euch, intelligenter zu planen.

Damit einhergehend danke ich auch Bioware, dass sie den Drachen - dem Namen der Serie angemessen - endlich wieder ihre Würde zurückgaben. Früher galt in der Rollenspielwelt, dass man rennt, sobald man einen Drachen sieht. Spätestens Skyrim führte das ad absurdum, indem es Drachen zum Massenschlachtvieh degradierte. In Inquisition dagegen: Selbst mit hochstufigen Helden hatte ich bis zum Ende keines der vier oder fünf wildlebenden Ungetüme erlegt. Sie haben unglaubliche Trefferpunktzahlen, jedes von ihnen hat einen Namen, eigene Stärken und (sehr relative) Schwächen. Es sind so würdige und individuelle Gegner, wie man sie sich nur wünschen kann. Wenn ich es dann irgendwann schaffe, mal einen niederzustrecken, werde ich das persönlich ein wenig feiern.

...sie lässt euch auch gut sehen, um welche Bedrohungen ihr euch dringend kümmern solltet. Die gleiche Szene um ein paar Grad gedreht: Vielleicht sollte ich das Drachenjunge einfach mal in Ruhe lassen.

Dragon Age: Inquisition ist auf jeden Fall erst mal eine mehr als gelungene Wiedergutmachung gegenüber allen, die dem zweiten Teil so zwiegespalten und verhalten gegenüberstanden wie ich auch. Das hier ist wieder ein großes Rollenspiel epischer Bandbreite, das diese nun auch in seinen Umgebungen feiert und nicht "nur" in der Handlung. Es ist euer erster echter Ausflug in die Welt von Thedas. Das Spiel ist sich dessen bewusst und hält unglaublich viel bereit, damit ihr euch angemessen austoben könnt. Große und kleine Geheimnisse, bedrohliche, verwunschene und wundervolle Orte warten auf ihre Entdeckung, und selbst wenn das dort gefundene Loot selten zufrieden stellt, sie selbst sind oft genug eine angemessene Belohnung in sich selbst.

Es ist sicher auch gut, dass sich die Dynamik der Erzählweise mit eurem Aufstieg zu einer echten Macht innerhalb Spielwelt verschoben hat und einen etwas anderen Blickwinkel auf das gibt, was ich leider nur als "die nächste übliche Bedrohung" bezeichnen kann. An dieser Stelle schwächelt das Spiel, das aber zumindest innerhalb einer Problematik, die alle Fantasywelten betrifft. Irgendwann hat sich der Spruch "Das Ende ist nah!" halt abgenutzt, weil man ja weiß, dass der nächste Weltuntergang schon bereit steht. Man nimmt das alles nicht mehr so ernst, aber zumindest greift es die Fäden der Vorgänger schön auf und spinnt sie interessant weiter.

Dragon Age: Inquisition ist insgesamt überraschend angenehm konservativ ausgefallen. Es sind vielleicht ein paar Vereinfachungen bei der Ausrüstung und KI zu viel, um es spielerisch ganz auf das Niveau von Origins zu heben. Und auch die Welt und Handlung sind ein wenig zu sicher gehalten, als dass sie so sehr fesseln, wie es 2009 der Fall war, aber es hat mit seinen gewaltigen, schönen, gekonnt ausgestalteten Gebieten und wundervoll furchteinflößenden Drachen genug zu bieten, um das fast aufzuwiegen. Es ist DAS Rollenspiel dieses Winters und auch ein würdiger Erbe für das Vermächtnis des besten Rollenspiels der letzten Generation.

Mit anderen Worten: Räumt den Feiertagskalender frei, legt Vorräte an und hüllt euch in eure liebste D&D-Kuscheldecke. Es ist mal wieder an der Zeit, eine Welt zu gewinnen und Drachen zu töten.

9 / 10

Schon gelesen?