Dragon Quest Heroes II - Folgt dem Ruf des staturdefizitären Königs!
Der perfekte Genre-Mix aus RPG und Hack'n'Slash
Derzeit ist es praktisch grundsätzlich eine Freude zu Square Enix zu fahren, um sich ein neues Spiel anzugucken. Selbst dann, wenn man im Vorfeld nicht unbedingt diese Erwartung hatte. Aber ja, derzeit scheint man sich hier mit jedem Titel nicht nur Mühe zu geben, man scheint in manchen Fällen fast schon extrem ambitioniert alles besser zu machen als es vorher war. Womit wir beim gefühlten Motto dieses ersten Eindrucks zu Dragon Quest Heroes 2 wären.
Wie gesagt, meine Erwartungen hielten sich auf dem Weg in Grenzen. Ja, Teil eins war gut, es war bunt, es war nett, aber es war auch noch sehr nah an der alten, etwas starren Grundformel früherer Warriors-Massenprügler dran. Mehr ein gelungener Skin für ein Spielkonzept, das ich zwar auf einem gewissen Level immer mochte, aber für das ich nie die enthusiastische Hingabe hatte, die Fans von KOEIs Flaggschiff der letzten knapp 20 Jahre aufbringen konnten. Ein wenig zu monoton nach ein paar Leveln, etwas zu konfus und wenn jemand sagt, dass diese Spiele doch immer das Gleiche seien, würde ich zwar nicht unbedingt zustimmen, aber es fällt auch nicht schwer zu sehen, woher sie damit kommen.
Dragon Quest Heroes 2 ist kein "normales" Warriors-Spiel, auch wenn es wie ein Großteil davon von Omega Force entwickelt wurde. Sicher, der Kampf ist immer noch da und er ist, was er ist, aber dazu gleich noch mehr. Erst einmal, nach was es sich noch viel mehr anfühlt: ein Dragon-Quest-Spiel. Zwei Serien zu vereinen und einen Crossover in die Welt zu setzen, heißt eigentlich fast immer, dass es mehr in die eine oder andere Richtung geht, wenn die Genres doch recht unterschiedlich sind. Wie gesagt, neigte die Nadel zuerst deutlich in Richtung Warriors, schlägt sie diesmal deutlich in Richtung des JRPGs, das Dragon Quest ja sonst ist. Wenn es nicht gerade mit Minecraft gekreuzt wird, aber das ist ein anderes Thema (welches ihr spielen solltet).
Ihr findet in Heroes 2 die vertraute Struktur, dass der Held allein loszieht, seinen ersten Begleiter findet, diese Mini-Party auszieht und im Laufe der Quest, die Welt zu retten, neue Freunde ran holt. Ihr zieht also nicht gleich mit großer NPC-Truppe in Massenkämpfe. Die Welt selbst ist die eines ganz klassichen Dragon Quest. Ihr habt Städte, dazwischen liegen große, offene Spielbereiche zum Erkunden mit jeder Menge Schatzkisten und Monstern, es gibt kleine und größere Quests entlang des Weges, hier und da einen Boss, bevor ihr zu neuen Orten kommt. Wie viele neue Städte, das muss man sehen, es scheint sich hier doch mehr um eine Hub-Hauptstadt zu drehen, aber so sind Fantasy-Königreiche meist: Zentralistisch angeordnet um eine große Stadt. Und ich bin mir a) relativ sicher, dass ich den Begriff "zentralistische Anordnung" hier falsch verwende, dass b) so ziemlich jeder andere das auch tut und c) ich nach kurzer Recherche so langsam glaube, dass es keine definiert richtige Anwendung dieser Wortkonstellation gibt.
Eine andere Wortkonstruktion, die das Spiel in seiner übrigens augenscheinlich so humorvollen wie ambitionierten Übersetzung von sich gibt, will ich euch nicht vorenthalten und sie stammt aus der Beschreibung des Königs: "Er ist sehr intelligent, selbst wenn er Staturdefizite hat". Er ist kleinwüchsig. Ist es okay, über Kleinwüchsige zu sagen, dass sie Staturdefizite haben? Wahrscheinlich nicht. Aber es ist definitiv die höhere diplomatische Schule des Bodyshamings zu sagen, dass jemand Staturdefizite hat. Genug davon, zurück zum Spiel.
Die Stadt ist also ein Hub und wie es sich für einen solchen gehört, gibt es dort eine Reihe von Läden, die euch nach und nach Dinge verkaufen, aber auch die Möglichkeit geben, eigene - im relativen Sinne - zu craften. Einer der wichtigsten Orte ist eine Art Gildenhaus und das beschriebt auch seine Funktion ganz gut, denn hier findet der nicht gerade kleine Teil des Multiplayers statt. Nach und nach schaltet ihr neue optionale Dungeons frei, die ihr mit Freunden oder Fremden besuchen könnt, ihr rüstet eure bis dahin gesammelten Charaktere aus, gebt ihnen Online-Look-Updates. Es ist ungefähr das, was ich mir unter einem Suikoden-Multiplayer-Hub vorstellen würde, hätte es jemals einen gegeben.
Die Gilde könnt ihr euch damit als eine Art in der Stadt "nach innen" gerichtete Spielwelt vorstellen, die üblichen Solo-Wege führen wie Arme aus der Stadt heraus und bringen euch ziemlich direkt in die großen, relativ offenen Welt-Bereiche. Hier kommen wir dann auch endlich mal zum Kampfsystem. Dieses ist nach wie vor eine Kreuzung aus dem relativ limitierten Prügelsystem eines Warrior-Spiels und einem komplett ausgestatteten JRPG. Ihr habt leichte und schwere Angriffe, Ausweichbewegungen und die im Menü auf eine Schnellauswahl gemappten Spezialangriffe, Support-Moves und was es sonst noch so gibt. Ihr lenkt immer nur eine der bis zu vier Figuren, die eure Truppe ausmachen, aber welche das ist, liegt bei euch und lässt sich jederzeit wechseln.
Was bis hier hin klingt wie eine Variation eines Tales-Spiels, läuft eher ab, wie ein reduziertes Dragon-Quest-GTA. Alle Monster rennen durch die Welt, belästigen harmlose Bewohner, tanzen etwas demente Tänze und fühlen sich eigentlich ganz wohl, bis ein wild um sich hackender Trupp Irrer ihnen das Leben schwermacht. Es gibt keine Trennung zwischen Welt und Kampf, ihr lauft herum und hackt weg, was euch gefällt. Es ist ein sehr lockerer und spaßiger Ablauf, der sich auch lange wiederholen lässt, schlicht, weil die Bewegungen, Trefferverhalten und alles, was dazu gehört, einfach auf den Punkt sitzt. Ein Vergleich zu dem aktuellen Mass Effect bietet sich an: Beides sind im Herzen Rollenspiele, beide haben sich für eine Variation des Kampfsystems entschieden, Mass Effect für einen Shooter und Dragon Quest für ein Hack 'n' Slash. Der kleine Unterschied ist, dass das eine leider nur ein bestenfalls durchschnittlicher Shooter wurde, das andere aber ausgehend vom bisher Gesehenen ein fantastisches kleines Hack 'n' Slash ist.
Natürlich rennt ihr nicht nur ziellos herum, es gibt erst mal auch eine Story, von der ich bisher weiß, dass sie mich nicht beeindruckte, vor allem, weil ich um in der Präsentation Zeit zu sparen fast alles wegdrückte. Aber: Ich konnte alles beschleunigen und sogar wegdrücken, was bei J-Spielen nicht immer der Fall sein muss - siehe Star Ocean. Überhaupt ist hier alles auf Komfort, durchdachte Bedienung und sinnvolle Strukturen geeicht. Nichts steht euch groß im Weg, wenn ihr einfach nur die nächsten Monster weghacken wollt und so sollte das auch sein.
Folgt ihr der Story, ob ihr sie nun lest oder nicht, gibt es natürlich auch eine ganze Reihe an Story-Missionen, die an den Leveln als eigene Dungeons oder Gebiete dranhängen, manchmal aber auch in den offenen Welten selbst spielen. Diese sind mehr oder weniger das, was man von einer Warriors-Mission erwarten sollte. Hunderte von Gegnern, Massen an eigenen NPCs, viel Hacken, viel Slashen, große Trefferpunkte- und Kombozahlen und ein sehr gradliniger, Trigger-basierter Spielablauf. Hier gönnt sich das JRPG definitiv eine Pause, Warriors rückt in die erste Reihe und das Spiel ist deutlich näher an seinem Vorgänger als es sonst der Fall ist. Kein Problem, dank des wie gesagt guten Spielgefühls.
Bosse gibt es natürlich auch, die haben es zumindest bis zu einem gewissen Grad in sich und deshalb gibt es für die Missionen einen Multiplayer auf Abruf. Wenn ihr eine solche startet, könnt ihr einen Ruf in die Welt setzen und entweder erhalten eure Freunde den oder, falls diese nicht verfügbar sind oder ihr keine habt, Fremde. Wenn diese dann bei sich die Option angewählt haben, dass sie so einen Ruf bekommen möchten, können sie direkt per Knopfdruck in euer Spiel mit einsteigen.
Leider können diese "Hilfsspieler" dann eine der coolsten Fertigkeiten nicht nutzen, nämlich die, Monster-Münzen zu sammeln. Diese sorgen entweder dafür, dass ein Monster dieser Gattung für ein Weilchen auf eurer Seite kämpft oder - weit unterhaltsamer - dass ihr für eine kurze Zeit selbst als dieses Monster kämpft. Einige der Highlights hierbei waren eine herumschwebende Wolke mit Kulleraugen, die mit Blitzen massiven Flächenschaden anrichtet, aber auch große Halb-Boss-Monster wie einen Golem, der die Figuren um das Fünffache überragt, dürft ihr dann selbst spielen und es war großartig. Auch dank dieses Features bestand zumindest während der gespielten drei Stunden noch keine Gefahr, dass Heroes II in die übliche Falle eines Hack 'n' Slash fällt, die da "zügig einsetzende Monotonie" heißt.
Dragon Quest Heroes II dürfte einer dieser raren Fälle werden, wo der Nachfolger direkt auf dem Vorgänger aufbaut, aber schlicht alles von vorn bis hinten besser macht. Die offenen Gebiete mit ihren kleinen Quests sind genau der JRPG-Wander-Kick, den das Spiel brauchte, die Benutzerführung ist ein Traum und die Grundmechanik ist nun so verfeinert, dass die reine Bewegung der Figur in den Kämpfen, die ja immer noch das Gameplay-Element Numero uno sind, einfach Spaß macht. Nehmt dann noch die Möglichkeit des Monsterrekrutierens und vor allem -verkörperns dazu, dann habt ihr einen echten Gewinner, dem man sogar verzeihen kann, dass er sich - wenn auch auf diplomatischen Wege - über die Kleinwüchsigkeit des Königs lustig macht. Die einzige Gefahr hier ist wie immer Abnutzung im Laufe der 30 oder 40 Stunden, die das Ganze dauern soll, aber selbst hier gibt es Anzeichen, dass genug Elemente vorhanden sind, um erfolgreich gegenzusteuern. Für eine Serie, die man eigentlich vor ein paar Jahren schon halb abgeschrieben hatte, prügelt und baut sich Dragon Quest aktuell wirklich gut. Ich bin gespannt, ob die Hauptserie - Teil XI endlich dieses Jahr - da noch mithalten kann.
Entwickler/Publisher: Omega Force / Square Enix - Erscheint für: PS4, Switch (beide auch Europa), PS Vita, PS3 (nur Japan) - Gespielt auf: PS4 - Preis: ca. 50 Euro - Erscheint am: 28. April 2017 (PS4 Europa), Switch in 2017 - Sprache: Deutsch - Mikrotransaktionen: Nein