Dragon Quest XI - Nach wie vor ist die einzige Innovation der Reihe das eigene Genre
Panta Rhei, nur nicht Dragon Quest.
Dragon Quest ist oldschool. Nicht so ein klein wenig, wie irgendein Indie, das für die verfehlte NES-Liebe seines Schöpfers herhalten muss, der noch nicht mal geboren war, als Kid Icarus erschien. Nicht oldschool wie das Remake eines lange vergessenen Relikts, nach dem nie jemand gefragt hatte. Nicht Old School wie die nun selbst veraltete Virtual Console, die SEGA Master System Spiele 2008 zum gefühlten Neupreis verkaufte. Nein, Dragon Quest XI ist richtig(!!) oldschool.
Im Grunde ist es das gleiche Spiel, das erst Enix und dann Square Enix seit 1986 verkauft, als die Reihe das Genre des JRPGs in dieser so vertrauten Form praktisch erfand. Sicher, irgendwann ging auch Dragon Quest den Schritt in Richtung 3D (2000), dann wurde es... Nun, eigentlich blieb es dabei. Innovation ist nicht das Ding dieser Serie, ganz im Gegensatz zum ehemals großen Konkurrenten Final Fantasy, der als Klon des Originals startete und danach aus den Innovationen gar nicht mehr herauskam. Final Fantasy heute hat nichts mehr mit Final Fantasy damals zu tun. Dragon Quest? Willkommen zurück im Jahr 2000 und eigentlich 1986.
Auch von so neumodischem Krams wie einem globalen Release hält die Reihe nichts, denn Teil XI - mit vollem Namen: Dragon Quest XI: Echoes of an Elusive Age - ist seit Mitte letzten Jahres in Japan zu haben, dort sogar in einer 3DS-Version. Diese wird es hier nicht geben, dafür aber einen PC-Release. Irgendwo im Internet fliegt sicher die gesamte Geschichte nacherzählt herum, Famitsu gab eine eher bescheidene 30 von 40 - warum auch immer - und ganz wie früher haben wir bei der Reihe das Nachsehen. Immerhin, es erscheint nicht nur hierzulande, wenn auch mit solider Verspätung, man nutzte auch die Zeit für ein paar Verbesserungen. Dazu aber gleich mehr, erst mal, worum es überhaupt geht.
Wie immer in Japan ist der Held minderjährig - 16 wohl - und der Auserwählte. Er hat das Geburtsmal, das die Reinkarnation eines großen Helden so mit sich bringt und deshalb wird er zum König geschickt. Dieser jedoch zeigt sich alles andere als entzückt, dass The One auftaucht, denn dieser bringt zwar das Licht, aber das wiederum hat immer die Schatten im Schlepptau. Der König ist aber gern König, seine beiden nach einer Mischung aus Aragorn und Patrick Bateman gewandet in Vollplatte aussehende Söhne lauern gern auf die Thronfolge und eigentlich läuft alles. Also wird der Held in den Dungeon verfrachtet. Großer Fehler. Ich sage es immer wieder, mit einer flächendeckenden Politik der direkten Enthauptungen wäre nicht passiert, was natürlich folgt: der Ausbruch. Mit alten Freunden und neuen Bekanntschaften entlang des Weges führt euch das, was folgt, einmal mehr durch diverse Klimazonen, wo ihr lokalen Problemen den Kampf ansagt - oft genug wortwörtlich.
Ganz ehrlich, ich sitze hier und weiß nicht wirklich, was ich sagen soll. Rundenkampf? Check. NPCs in Städten verlassen nie ihren Platz, sagen einen Satz und wiederholen ihn, so oft ihr das möchtet? Check. Rüstungen und Waffen werden in jeder neuen Stadt um ca. 25 Prozent verbessert, wenn ihr in etwa so viel Gold ausgebt, wie ihr auf einem nicht zu überstürzten Weg zum Händler verdient habt? Check. Alle zwei bis vier Stunden ein Boss, der eine nicht zu schwer zu durchschauende Taktik anwendet, um euch ein wenig zu ärgern? Nun, das Letzte weiß ich nicht, ich habe nur eine Stunde in zwei Abschnitten verbracht, aber ich würde Geld darauf wetten. Und ja, es gibt natürlich Inns und weil das Japan ist, muss auch mal was gecraftet werden, aber das scheint bei den Prioritäten des Spiels weit hintenan zu stehen.
Mit anderen Worten: Cool! Ich mag, was ich hier sehe! Innovation kann jeder, aber sich selbst seit 1985 treu zu bleiben ist etwas, das ich mir von Bon Jovi gewünscht hätte, aber nur von Def Leppard bekam. Ich sage euch, kein schlechtes Album seit 1980, so wie auch Dragon Quest kein schlechtes Spiel seit 1986 ablieferte. Das ist die Konsistenz, die die Welt manchmal braucht! Sicherheit im ewigen Fluss des Lebens. Panta Rhei, sicher. Aber nicht bei Dragon Quest!
Okay, was soll ich sagen, es ist wieder mal das Proto-JRPG und es gibt hier kein System, kein Element, wahrscheinlich nicht mal einen Charakter, der nicht schon mal in Spiel und Anime zuvor existierte. Die Serie hatte eine Innovation und das war ihr eigenes Genre. Seitdem ist sie damit völlig zufrieden und ehrlich gesagt war ich es diese Stunde lang auch. Fröhlich Grinden der seit gefühlten Jahrtausenden vertrauten Figuren, Kämpfe in Runde wie seit dem Anbeginn der Zeit, Zaubersprüche, bei denen man sofort denkt "Hey, den kenne ich aus diesem Spiel, dessen Namen ich vergessen hab, aber es muss so 2002 gewesen sein. Oder 1993. Ich weiß es nicht mehr genau." Und ja, ich hatte wirklich, ehrlich und ohne Blödsinn viel Spaß damit.
Neu seit dem Japan-Release ist die aufs erste Hören ausgezeichnete englische Sprachausgabe zu den wirklich guten und teilweise sehr drolligen deutschen Texten. Und nein, es gibt keine japanische Sprachausgabe zum Auswählen, weil die japanische Version stumm ist. Ebenfalls neu ist die eigentlich völlig selbstverständlich scheinende Rennentaste, die im ursprünglichen Release nicht enthalten war. Dazu kommt, dass die Menüs jetzt benutzbar sind. Damit meine ich nicht nur die Übersetzung. So sehr wie die neuen Menüs entwicklerseitig gepriesen wurden, müssen die alten in Japan eine Katastrophe gewesen sein. Und schließlich gibt es noch als höheren Schwierigkeitsgrad die Option, eigene Regeln zu definieren und damit das Spiel zu beenden. Keine Ahnung wie die genau aussehen, ich denke es werden Sachen wie "keine Magie nutzen" oder etwas in der Art sein. Also ja, es hat sich in der Zeit was getan, auch wenn man trotzdem noch mal sagen sollte, dass andere Reihen in der Zeit, die hier diese Übersetzung beanspruchte, einen komplett neuen Teil veröffentlichten. Aber, gut Ding will Weile haben und deshalb gibt es ja auch nur elf Dragon Quests, so wie es nur elf Def-Leppard-Alben gibt.
Wenn ihr das Ganze übrigens so richtig gechillt angehen lassen möchtet: Nach einer halben Stunde merkte ich, dass ich die KI-Einstellungen komplett auf Automatik stellen konnte, was den Grind viel spannender machte. Schließlich könnte ich so nebenbei viel ungestörter weiter die letzte Sherlock-Staffel nachholen und gleichzeitig leveln. Wer das nicht machen möchte und keiner soliden KI zugucken möchte, die letztlich gegen sich selbst kämpft, stellt alle in der Party auf "Manuell" und wählt dann jeden Angriff und Zauber aus, ganz als wäre es 1986 und nicht so modern wie 1989 als ich das erste Mal in Dragon Slayer eine komplette KI-Automatik sah.
Dragon Quest XI ist ein Geschenk an alle, die diese "echten" JRPGs vermissen, diese aus der Zeit, als das Genre noch "true" war und nicht verseucht von Innovationen und magischen Kochsimulatoren. Sicher, hier und da gibt es ein Minispiel und Dinge wie automatischen Kampf, aber auch diese Art von Erweiterungen zur Minimal-Formel lassen sich bis in die 16-Bit-Zeit zurückverfolgen. Eine Truppe etwas zu nett wirkender Charaktere, eine große Welt, eigentlich viel zu niedliche Monster und 50 bis 100 Stunden Rundenkampf. Das ist es, was euch nun mit Sprachausgabe und Rennentaste im September erwartet. Wenn das für euch gut klingt, dann markiert es im Kalender, es werden nicht so viele seiner Art dieses Jahr dazukommen.
Entwickler/Publisher: Square Enix Erscheint für: PC, PS4 (Switch ist grundsätzlich angekündigt, aber noch ohne Termin und weit weg)- Geplante Veröffentlichung: 4. September 2018 - Angespielt auf Plattform: PS4 Pro