Dragon´s Dogma - Test Seite 2
Wenn einer eine Reise tut: Capcoms Drachenjagd überzeugt mit ihrem Hang zum Abenteuer.
Eure Vasallen sind unterdessen von der redseligen Sorte, kommentieren schon mal einen Ort, von dem man gerade kommt, mit großen Augen, als sähen sie ihn zum ersten Mal. Die hilfreicheren ihrer Tipps, etwa, nicht an der Felskante herunterzufallen oder sich vor dem giftigen Tümpel zu hüten, sind gleich doppelt lustig, wenn derselbe Besserwisser direkt im Anschluss über die Kante segelt oder in dem Tümpel planschen geht. Alles in allem sind die NPCs, von denen ihr einen selbst formt und erzieht und zwei aus der Welt oder per In-Game-Browser von anderen Spielern rekrutiert, aber einer der schönsten Einfälle des Spiels. Wenn es hart auf hart kommt, leisten sie zuverlässige Arbeit. Sowohl im Kampf als auch beim Buffen (wenngleich sie auch nicht immer die Affinitäten richtig berücksichtigten) oder dem Einsammeln von Ressourcen werten sie euer Erlebnis auf. Zudem skaliert ihr so auch euren eigenen Schwierigkeitsgrad. Wer alle verdienten Rift-Punkte für das hintere Drittel aufhebt, kann sich dort Schützenhilfe leisten, die ihm das Spiel deutlich einfacher macht. Man genießt wirklich den Gestaltungsspielraum, den man in dieser kampfbetonten Open-World mit all ihren Variablen hat.
Ein bisschen davon dürft ihr auch in einer Handvoll Schlüsselsituationen durch eure Entscheidungen wirken. Wer sich dieses Genres schon immer wegen der erzählerischen Komponente nahe fühlte, dürfte trotzdem an der falschen Adresse sein. Die Handlung um den stillen Protagonisten ist gerade in den ersten zwanzig Stunden recht zurückhaltend und abseits einiger wirklich guter Zwischensequenzen ein bisschen schludrig präsentiert. Obwohl sie nur langsam in Fahrt kommt, nimmt sie dann aber trotzdem einige interessante Wendungen, die man so nicht unbedingt kommen sah. Gerade, wenn man denkt, man sei durch mit dieser Welt, setzt das Spiel doch noch einmal überraschend einen drauf. Es ist weit entfernt davon, in die Riege der Titel aufgenommen zu werden, die man Leuten wegen ihrer Geschichte empfiehlt, bleibt aber unvorhersehbar und "anders" genug, dass man ihm zumindest zugestehen muss, dem Spieler stets zwei Schritte voraus gewesen zu sein.
Unter den Quests findet sich vor allem an den "Schwarzen Brettern" dieser Welt einiges an Füllwerk, das kleinere Akte mörderischer Populationskontrolle von euch verlangt. Diese hat das Spiel vom Umfang her absolut nicht nötig und sind allesamt optional. Man erledigt so etwas eher am Rande, unterwegs. Tatsächlich dienen sie meist dem Zweck, euch zu Abstechern in die Wildnis hinein zu ermutigen, wo ihr eigentlich nur schnell über die sichereren Wege von A nach B wolltet, und eure Umgebung etwas genauer im Auge zu behalten. Die zentralen Story-Aufgaben sind zwar recht laufintensiv und schicken einen nach hinten hinaus ein bisschen zu freimütig durch die Gegend - manchmal zwei Mal hintereinander in dieselbe Region. Trotzdem wird hier zeitweise ein anständiger Zug entwickelt, weil man keine Ahnung hat, wohin die Geschichte als Nächstes führt und was die Figuren als Nächstes machen.
Optisch reißt das Spiel auf den ersten Blick keine Bäume aus, eröffnet aufmerksamen Hinguckern aber in einigen Kerndisziplinen aber recht erstaunliche Talente. Es ist ein ziemlich nüchterner Blick, den die Japaner hier auf eine klassische, mittelalterliche Fantasy-Welt werfen und sie trotzdem noch gerade fernöstlich genug gestalten, damit sie doch irgendwie exotisch wirkt. Einige könnten die zurückgenommene Gestaltung der Wälder, Sümpfe und Gebirge als langweilig empfinden, mir gefiel der natürliche Fluss der Landschaften hingegen ziemlich gut. Wenn Capcom sich dann dazu entscheidet, ein spektakuläres Panorama vor euch auszubreiten, fällt euch das umso mehr auf.
Wo das Spiel ansonsten gerade technisch nicht der große Angeber ist - hier und da sind die Texturen ein wenig weichgezeichnet, der zentrale Stadt-Hub ist doch recht leblos -, punkten aber gerade Beleuchtungs- und Schatten-Effekte mit wunderbar plastischen Licht-Reflexen und ungeheurer Tiefe. Gerade in den stimmungsvollen Nachtszenen oder den modrigen Dungeons vermittelt das regelmäßig das tolle Gefühl eines verdammt realen Ortes, und kontert damit die Wirkung der doch sehr auf den Kampf konzentrierten Wildnis gekonnt aus. Neben den bedrohlich animierten, mythischen Monstren begeistern buchstäblich blendende Zaubereffekte, die man in dieser Qualität wirklich nur sehr selten sieht. Und wenn der Wind Bäume und Pflanzen ordentlich zum Wackeln bringt, macht auch die ansonsten nicht unbedingt topaktuelle Vegetationsgrafik wieder etwas her.
Mit den opulenten Effekten und den schönen Bewegungsabläufen von Monstern und Helden im Clinch befinden sich wiederum die schnöden Charaktermodelle vieler NPCs. Die Quest-Stichwortgeber erinnern mit ihren unbeholfenen Animationen an die Rollenspiele der PS2-Ära und verleiden einem die eine oder andere spannende Situation. Dazu machte das Streaming der Daten, das auf der Oberwelt und innerhalb der einzelnen Dungeons die Ladezeiten minimiert, auf unserer Debug-Redaktionskonsole eine nicht allzu gute Figur. Das ist zwar nicht verwunderlich, weil das Laufwerk der Entwicklerkonsole deutlich langsamer ist als das Gegenstück aus der Feld-, Wald- und Wiesenversion des Gerätes, aber in dieser Form habe ich das noch nicht erlebt. Wenn ich sprintend unterwegs war, spawnten einige Gegnermobs schon mal erst, als ich mittendrin stand und einen fortgeschrittenen Fußpilz zwischen den Zehen eines Zyklopen diagnostizierte. Auf handelsüblichen Geräten dürfte das Problem nicht in diesem Maße ins Gewicht fallen, eine Installation wird aber wohl erste Wahl sein, da auch die übrigen Ladezeiten nicht unbedingt die kürzesten sind.
Die regelmäßigen Talfahrten der Bildrate sind zwar in diesem Spiel nicht wirklich störend, zumal auch, weil die Steuerung eigentlich immer trotzdem schön direkt anspricht. Im hinteren Teil des Abenteuers geht es an den Achselhaaren eines wütenden Ogers hängend und durch seinen Bizeps hindurch-clippend, während eure Zaubererkollegen hausgroße Eiskristalle aus dem Boden schießen lassen, aber eben doch hier und da in unangenehme Bereiche hinab. Immerhin gibt es kein Tearing - zumindest keines, das großartig aufgefallen wäre. Insgesamt erhält das Spiel durch diese technischen Probleme eine etwas unfertige Note - viel weniger Spaß macht es aber dadurch trotzdem nicht.
Dragon's Dogma, ein Spiel, das sich seinem Gast nur langsam öffnet und sicher nicht alle seine RPG-Hausaufgaben gemacht hat. Trotzdem wird man für sein Durchhaltevermögen und seine Neugier mit einem enorm angenehmen Fall von Größenwahn und Machtbesoffenheit belohnt. Schon früh macht man sich die Umgebung zunutze, sucht nach Felsen und Anhöhen, von denen aus man einem Zyklopen wie ein Terrier ins Genick springt und kommt sich irgendwann wirklich wie die Krone der Schöpfung vor, während man erschließt, wie die Welt von Gransys so tickt. Der Handlungsspielraum und die Freiheit, sowohl in Kampf- und Party-Gestaltung, waren von einem Team mit dieser Zusammensetzung so nicht zu erwarten.
Natürlich, manche werden anders herum argumentieren. Sie werden behaupten, das Spiel versage dabei, sich zu erklären, komme über die Maßen sperrig daher, und bleibe an seinen inszenatorischen Rändern zu dröge. Dazu fällt mir dann wieder die Situation ein, in der ich auf einem flammenden Sechserspack gigantischer Chickenwings 200 Meter tief eine Schlucht hinunter stürze. Sagt ihr mir, was für euch überzeugender klingt.