Dragon’s Dogma 2 ist der beste Trost für Switch-Verweigerer, die trotzdem gern das neue Zelda spielen würden
Desselben Geistes Kind.
Ich weiß, irgendwer schreibt mir gleich in den Kommentaren, um mir zu sagen, wie sehr es nervt, an allen Ecken und Enden von Zelda zu lesen. Und er oder sie hat vielleicht sogar ein bisschen recht damit. Trotzdem passt es hier wirklich ausgezeichnet – und ist als Einordnung hilfreich, die vielleicht dazu führt, dass mehr Leute einen Blick auf Dragon’s Dogma 2 werfen, die das sonst nicht getan hätten. Dieses Spiel hätte es verdient – und diese Leute haben Dragon’s Dogma verdient.
Es gibt Unterschiede, klaro. Dragon’s Dogma kommt von Capcoms Hideaki Itsuno (Devil May Cry 2, 3, 4 und 5) und ist damit entschieden kampfeslustiger. Gleichzeitig gibt es ein Party-System mit KI-Begleitern und andere Rollenspielelemente, die es ein Stück weit aus dem Zelda-Vergleichsfenster rücken. Aber es teilt auch Breath of the Wilds und Tears of the Kingdoms Lust auf Spielphysik, die Leidenschaft für eine lockere Leine und deren “Fuck-around-and-find-out”-Faktor. Das sind wichtige Dinge, die allesamt viele der gleichen, wichtigen Knöpfe bei den Spielern und Spielerinnen drücken.
Auch Dragon’s Dogma ist ein groß angelegter Fantasy-Sandkasten, der sich ungern erklärt und sich diebisch freut, wenn die Spielenden seine Geheimnisse und Systeme in endlos lohnenden Experimenten selbst entschlüsseln. Es lebt von der Lust des Ausprobierens, vom Spaß, die Welt bis in den letzten Winkel und aufs letzte Kirchturmdach hinauf zu erkunden. Und das macht es zu einem Verwandten im Geiste, den jeder kennen sollte, der auch die Marschrichtung der neuen Link-Spiele für spannend und anregend hält.
Capcoms Action-RPG-Sandbox mag zwar oft aussehen wie ein klassisches Rollenspiel, aber hier verfügt ihr eine Mobilität, die man in dem Genre eigentlich nie findet. In Kombination mit der mangelnden Lust dieser Welt, euch starre Grenzen zu setzen, beschert das ein großes Freiheitsgefühl. Es ergeht sich in einer Anfassbarkeit, die seiner Welt – ebenso wie Zelda zuletzt – eine Plastizität und Plausibilität verleiht, die man selten erlebt. Wasser, Öl und Feuer wirken exakt, wie man es erwartet: Fällt man in einen Tümpel, kann einem Feuer vorübergehend nichts anhaben, Eis und Blitze aber umso mehr. Laternen erlischen, wenn man durch einen Wasserfall läuft und wer ohne Licht oder Treibstoff dafür in eine Höhle hinabsteigt, sieht die Hand vor Augen nicht.
“Anfassen” ist sowieso ein gutes Stichwort. Eine “Festhalten”-Taste lässt euch nicht nur herumliegende Gegenstände, sondern auch Feinde greifen. Bekommt ihr einen Goblin zu packen, könnt ihr ihn so eine Klippe hinunterwerfen. An Feinden, die zu schwer sind, sie zu tragen, oder die fliegen können, kann man sich festhalten, oft mit unvorhergesehenen Resultaten. Gegner darf man ebenso greifen und werfen wie Umgebungsgegenstände und wer ohne Laterne (oder Treibstoff dafür) in einen Kerker geht, sieht die Hand vor Augen nicht. Ich habe selten eine so glaubwürdige Darstellung von Dunkelheit und Nacht in einem Videospiel gesehen wie in Dragon’s Dogma.
Wie viel ihr tragen könnt oder wie flink ihr euch bewegt, hängt übrigens nicht von Zahlenwerten ab, sondern von der Größe und Statur eurer selbst geschaffenen Spielfigur. Es gibt sogar Durchgänge zu Bereichen, die man nur durchqueren kann, wenn euer Charakter eine bestimmte, sehr kleine Körpergröße nicht überschreitet. Was ich sagen will: Dragon's Dogma rollt involvierte Rollenspiel-Elemente ohne Interesse an Tabellen, dafür aber in Echtzeit vor seinem Gast aus. Alles in Echtzeit. Das ist gelebtes RPG, natürlich und organisch.
Und dann ist da das Kampfsystem, das sich vom Zweihänder schwingenden Muskelprotz bis hin zum feingliedrigen Zauberer irrsinnig flexibel gibt und dennoch jede Klasse mächtig und spektakulär wirken lässt. Im Grunde hat das Capcom-Spiel hier sogar klare Vorteile gegenüber dem Nintendo-Produkt. Zwar kann man auch hier – Zelda nicht unähnlich – Gliedmaßen, Organe oder Hörner von Feinden abschlagen, die dann in den Crafting-Aspekt des Spiels einfließen. Aber man hat auch mehr Möglichkeiten, nicht den typischen Waldläufer-Tausendassa zu spielen und sich trotzdem für alles gewappnet zu fühlen. Tatsächlich war Dragon’s Dogma eines der wenigen Male in einem Fantasy-Spiel dieser Couleur, dass ich fast mehr Lust hatte, einen Magier zu spielen, anstatt einen Ritter mit Schwert und Schild. So cool sind die riesigen Wirbelstürme und die brutalen Meteoritenschauer, die man als Spitzhut in Gransys entfesseln darf.
Insofern: Ja – die Zeldas neueren Schlages und Dragon’s Dogma 2 sind unterschiedliche Spiele. Aber in ihrer Liebe für Freiheit und Spielerausdruck sind sie enge Seelenverwandte – und hoffentlich wenn schon nicht Erfinder, dann zumindest Wegbereiter einer neuen Art von Open-World, die sich weniger auf das Abarbeiten von Checklisten zusammendampfen lässt.