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Dragon's Dogma: Dark Arisen (PC) - Test

Ein unterschätztes Juwel, endlich auf der richtigen Plattform.

Eurogamer.de - Empfehlenswert Badge
Dark Arisen vereint gekonnt sperriges RPG mit spektakulärer Action: Mysteriös, gewaltig, motivierend - und endlich in flüssiger Grafik.

Es gab eine Zeit, da dachte Capcom ernsthaft, Dragon's Dogma könnte weltweit an die zehn Millionen Exemplare absetzen. Heute, bald vier Jahre später, wissen wir, wie die Geschichte ausging: Director Itsunos Kommentar war Wunschdenken. Eine Weiterführung der Reihe steht nach der brillanten Erweiterung Dark Arisen und dem nur in Japan erhältlichen Dragon's Dogma Online noch in den Sternen. Selbst um diese PC-Umsetzung, die der Ur-Version endlich die fürchterlichen Ruckler, spät auftauchenden Gegner und das verheerende Tearing austreibt, mussten wir lange bibbern.

Und doch ist es nicht so schwer zu verstehen, woher Itsunos überhöhte Einschätzung kam. Nicht etwa ungesund überhöhtes Selbstbewusstsein oder Marktblindheit waren verantwortlich, es muss eher die Liebe zu diesem Titel gewesen sein. Denn lieben muss man es einfach irgendwie. Das haben ja vielleicht einige schon seinerzeit in meinen Tests zu Dragon's Dogma und Dark Arisen gelesen: Das hier ist eigentlich die schönste denkbare Hochzeit eines japanischen Actionspiels mit westlichem RPG, die man sich vorstellen kann. Neben dem Verzicht auf Zielmarkierungs-Overkill und endlose Lore-Textwüsten besticht vor allem, wie viele Dinge dieses Spiel unter Führung des Devil-May-Cry-Directors anders macht als alle anderen.

Open World mal anders: Reisen dauern lange (dank günstigerer Reisesteine im Add-on ist das kein Problem mehr) und sind beschwerlich. Wer weiß, worauf man unterwegs trifft...

Das beginnt mit der Fähigkeit, kleine Gegner oder Gegenstände zu greifen und anschließend zu werfen, sich mit derselben Taste aber an größeren festzukrallen und zu ihren Schwachpunkten hinaufzuklettern. Das nutzt Dragon's Dogma für wundervoll packende Gefechte gegen gewaltige Feinde von Zyklopen über Chimären und Hydras bis hin zu fliegenden Greifen. Dann ist da das herrlich logische und anfassbare Regelwerk. Füllt ihr eine leere Flasche mit Öl, könnt ihr diesen Gegenstand wie viele andere auch ausrüsten und dann auf Gegner werfen. Im Fall der Flasche Öl erzeugt ihr so ein herrlich brennbares Monster. Wer mag, kann mit einer Flasche Wasser etwas Brennendes sogar löschen. Die Wechselwirkungen überraschen bisweilen.

Erst gestern stand ich einem wilden Höhlentroll am Rand einer Serpentine gegenüber und es sah nicht gut aus. Mit etwas Glück - und Unterstützung meines feuerzaubernden NPC-Vasallen - setzte ich das Biest aber in Brand, das daraufhin in Panik geriet und in den Abgrund und seinen Tod stürzte. Das Spiel ist voller solcher Überraschungen, was zweifellos auch daran liegt, dass es sich nicht immer wirklich gut erklärt. Aber wenn der Groschen dann fällt, ist der Aha-Moment umso größer. In dieser Hinsicht sind sich Dragon's Dogma und From Softwares Dark Souls nicht unähnlich.

Auf Finstergram warten stärkere Monster und ein morbide in sich verschlungener Dungeon. Das Licht und die Zaubereffekte sind heute wie damals zum Dahinschmelzen.

Ein weiterer Faktor, dem jedermann einfach Respekt abringen muss, ist, wie kompromisslos Capcom in dieser Drachenhatz mit Licht und Dunkelheit spielt. In der Nacht kann man kaum die Hand vor Augen sehen. In unterirdischen Dungeons sind selbst in kleinen Räumen gegenüberliegende Wände häufig nicht zu erkennen. Und sobald man etwas Öl in seine Laterne füllt - die zu besitzen alles andere als selbstverständlich ist -, tanzen wundervolle Schatten über klamme Wände und morsches Holzinterieur. Des Nachts eigentlich nur auf dem Weg von A nach B über einen schlafenden Zyklopen zu stolpern und auf einmal in einen mordsgefährlichen Kampf verwickelt zu sein, das ist ein sagenhafter Moment. Natürlich sieht das reichhaltige Lichtspiel noch dazu einfach fantastisch aus. Das sah es damals schon, aber selbst Anfang 2016 hilft es noch dabei, das betagte Spiel visuell durchaus frischzuhalten.

Das System, sich einen festen NPC-Begleiter, einen so genannten Vasallen, zu erschaffen, aufzuleveln und mit losen Anweisungen zu erziehen, ist brillant. Auch wenn vielerorts damals am Spiel vorbeispekuliert wurde - "Warum nicht gleich ein Koop-Modus!?" -, ist das Gequassel der gelehrigen Kompagnons (das man auch abstellen darf), einfach sympathisch und verleiht dem Spiel ein gewisses Wir-Gefühl von Teamwork und Zusammenhalt. Das hier ist meine Kreatur, meine Schöpfung, und sie wird alles für geben. Zwei weitere, fremde Vasallen heuert man im Rift an, einer geisterhaften Zwischenwelt, oder trifft sie auf den Wegen und Straßen des herrlich grünen Gransys. Da sie aber im Level stagnieren, muss man fleißig durchrotieren und stets auf der Suche nach neuen Begleitern sein.

Die Begegnungen mit den größeren Gegnern sind immer wieder ein Highlight. Eine gut zusammengestellte Party wirkt Wunder.

Was den Helden selbst angeht: Egal welche der anfangs drei, später neun Klassen man sich auch zu eigen macht und wie man auch zwischen ihnen hin- und herwechseln will: Jede hat ihre Daseinsberechtigung. Es ist selten, dass sich die Zauberer in einem Action-Rollenspiel so mächtig anfühlen wie hier. Ich hab das damals vermutlich schon in den anderen beiden Tests zu Dragon's Dogma beziehungsweise Dark Arisen geschrieben. Aber der zwanzig Meter Hohe Tornado, den der Erzmagier bei entsprechender Ausbildung beschwört, ist einfach ein wundervolles Beispiel für einen befriedigenden Zaubereinsatz in dieser Sorte Titel.

Es ist einfach schön, wie viele ungeahnte Tiefen das Spiel auch nach zwei Dutzend Stunden noch offenbart. Immer gibt es einen Move, den man noch nicht kannte, eine Fertigkeit, die man noch nicht probiert, und eine Tür, die man noch nicht aufgestoßen hatte. Und wenn die Story sich dann dem Ende zuneigt, zieht einem das Spiel dermaßen den Teppich unter den Beinen weg, das man beinahe sprachlos ist und eine Weile um die richtigen Antworten ringt. So weit solltet ihr mindestens schon sein, wenn ihr das riesige Inselverlies Finstergram betretet, das die Erweiterung Dark Arisen vor der Küste von Gransys platziert. Hier müsst ihr voll auf dem Posten sein, denn das hier ist veritabler High-Level-Content, für den ihr mit allen Wassern gewaschen sein solltet. Designtechnisch war dieser in sich verschlungene Dungeon eines der Highlights des Jahres 2013

Das Spiel lässt in Sachen Komfortfunktionen vor allem im Inventar etwas zu wünschen übrig. Ein Beinbruch ist das aber nicht.

Der PC-Port ist eine mehr als nur gelungene Angelegenheit: Support für Auflösungen bis 4K, die dazu passenden, etwas höher als damals aufgelösten Texturen (vor allem auf Charakteren), Tiefenschärfe-Optionen, Sichtweitenjustierung und verschiedene Filtering- und Anti-Aliasing-Einstellungen holen das Spiel wohlbehalten in die Neuzeit. Natürlich wird niemand Dark Arisen für ein aktuelles Spiel halten. Aber diese Welt so flüssig und in so sauberer Optik zu erleben - man bekommt das Gefühl, das es von Anfang an so gedacht war. Und die Monsterdesigns und der allgemeine Look der Welt gefallen heute wie damals ausnehmend gut. Aber bei Capcom gehören verhunzte PC-Umsetzungen ja schon länger der Vergangenheit an.

Dragon's Dogma ist also wieder da. Und es sieht gut aus wie nie zuvor. Wenn man der Liste der Steam-Topseller am Vorabend seiner Veröffentlichung Glauben schenkt, steht ihm am PC vielleicht ein zweiter Frühling bevor: Dark Arisen gastiert dort schon den ganzen Tag auf Platz eins, vor The Division, Counter-Strike: GO, XCOM 2 und GTA5. Nicht schlecht für ein fast vergessenes Spiel vom Ende der letzten Konsolengeneration.

Zu wünschen ist ihm diese späte Anerkennung. Dragon's Dogma ist mutig, entschieden gegen den Strich gebürstet und fordert euch an jeder Wegbiegung aufs Neue heraus. Immer wenn man meint, man hätte es durchschaut, schlägt es wieder einen wilden Haken und zeigt dabei eine neue Seite von sich. Wie schön wäre es, wenn ein Erfolg am PC Capcom wieder zu derart eigenwilligen Experimenten ermutigte.

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