Dragon's Dogma - Vorschau
Ein Held ohne Herz kommandiert Vasallen ohne Willen - und mittendrin entdeckt Capcom das Party-basierte Rollenspiel für sich neu.
Und weil sich das Spiel, vermutlich ganz bewusst, nicht ganz so umfassend erklärt, hier vielleicht noch einmal in aller Deutlichkeit: Dragon's Dogma ist kein Koop-Spiel. Fast in jedem Pressematerial und in allen Bildern sieht man immer vier Figuren durchs Bild wuseln, jede mit eigenem Namen über dem Kopf. Und doch wird sich niemals direkt ein anderer Spieler in eurer Version des Reiches Gransys bemerkbar machen. Stattdessen entdeckt Capcom hier das Party-Rollenspiel für sich neu, indem es die geisterhaften Entitäten der sogenannten Vasallen-Legion eurem Kommando unterstellt. Beinahe menschlich, nur ohne wirklichen eigenen Willen, könnt ihr bis zu drei zusätzliche Streiter an eure Seite berufen und jederzeit ihr Ding machen lassen. "Angriff!", "Hierher!" und "Hilfe!" regeln nicht mehr als das Nötigste, der Rest passiert zuverlässig von selbst.
Interessant wird das dadurch, dass euch neben den zwei normalen, KI-gesteuerten Vasallen auch einer ins Feld folgt, über dessen Entwicklung und Ausstattung ihr die alleinige Weisungsbefugnis habt. Wie ein Pokemon vom Mittelaltermarkt formt und pflegt ihr ihn, passt ihn so an, dass er eure eigene Spielweise bestmöglich ergänzt, bis er irgendwann ganz euer Geschöpf ist. Euer persönlicher Vasalle wird dann über das Internet auch anderen Spielern zur Verfügung gestellt. Denn an Rift-Steinen beschwört man die Helferlein anderer Drachendogmatiker in sein eigenes Spiel. Und die sind stärker als diejenigen, die kostengünstig bis umsonst auf dem Level eurer Hauptfigur vom Spielcode generiert werden. In besonders kniffligen Gebieten kann man, ganz Dark Souls, brutal vor die Wand laufen, sodass schlagkräftige Unterstützung für ambitionierte Spieler zur echten Option wird, so sie sie denn bezahlen können.
Nur gegen gutes Rift-Geld erhaltet ihr die Kopie des Vasallen eines anderen Spielers, der schon mal gute zehn Level über der Fähigkeitsstufe eures Schützlings liegen kann. Ihr dürft sogar eine Bewertung abgeben, und ihm ein Geschenk für seinen Herren zustecken, wenn sich eure Wege wieder trennen. Alles in allem muss ich schon sagen, dass mich die KI-Kollegen im Kampf durchaus überzeugt haben. Ihre sechs aktiven und ebenso vielen passiven Fähigkeiten haben sie gut im Griff, Grund für Ärgernisse gab es nie. Ich bin schon auf die Tandem-Aktionen gespannt, die später im Gefecht möglich sein sollen.
Das Kampfsystem selbst ist eine Mischung aus in Echtzeit ausgelösten Schlag- und Zauberkombinationen und Spezialfähigkeiten, die mithilfe der Schultertaste ausgelöst werden und euch meist in eine etwas längere Animation versetzen. Es ist ein schnelles, knackiges Kämpfen, das bei den schwereren Gegnern erst richtig in Fahrt kommt. Schnetzelt man sich durch die Goblins noch beinahe in Diablo-Manier, wollen die Echsenmenschen erst um ihren Krokodilsschwanz erleichtert werden, bevor die eigenen Schläge Wirkung zeigen. Unbestreitbarer Höhepunkt sind aber die Schlachten gegen Zyklopen, Höhlentrolle oder andere Fabelwesen, die Capcom sich aus verschiedenen Menschen-Mythen zusammengewildert hat (an dieser Stelle vielleicht noch einmal die Bitte an Capcom, das Spiel um ein umfassendes Bestiarium zu ergänzen). Diese Gegner erklimmt man ähnlich wie in Shadow of the Colossus so lange, bis der Ausdauerbalken an seinem Ende angelangt ist.
"Ihr habt unterdessen ganz andere Probleme, etwa, euch auszumalen, welche Form wohl der rote Fleck haben wird, den ihr nach dem nächsten wilden Prankenklatscher im Nacken des Ungetüms hinterlassen werdet."
Wie man hier Schwachpunkte abarbeitet, Stück um Stück etwaige Körperpanzerung absprengt und dabei durchgeschüttelt wird wie ein loser Zweig, der sich im Pelz eines genervten Altdeutschen Schäferhundes verfangen hat - das ist genau so packend, wie es sich anhört. Unten lassen die Kollegen die Waffen klirren, werden von einer Riesenkeule durch die Luft gewirbelt oder warten sogar schon auf Wiederbelebung, die immer nur von euch kommen kann. Ihr habt unterdessen ganz andere Probleme, etwa, euch auszumalen, welche Form wohl der rote Fleck haben wird, den ihr nach dem nächsten wilden Prankenklatscher im Nacken des Ungetüms hinterlassen werdet. Das sind die Höhepunkte, vor denen man sich zunächst fürchtet, wenn sich die Umrisse eines solchen besonderen Feindes aus dem Dickicht herausschälen, und Gelegenheiten, zu denen man viele Augenblicke großen Heldentums erlebt oder oft sogar selbst verantwortet.
Dass die Spektakel-Initiative damit vom Spieler ausgeht, ist auch besser so. Denn die eigentlichen Quests dümpeln aktuell noch ein wenig dahin, sodass man vorrangige Story-Missionen eher dadurch von den Nebenaufgaben trennt, dass ihre Beschreibung im Tagebuch eben nicht "Töte so und X Exemplare von Spezies Y" lautet. Auch das Spiel selbst scheint bisher noch nicht so genau zu wissen, was primäre und was sekundäre Quests sind, es ist einfach nicht gekennzeichnet. Zweifellos die Sorte Komfortfunktion, die man eher gegen Ende ins Spiel programmiert, aber trotzdem etwas, das ich unbedingt noch gerne sähe. Hier und da sorgt zwar schon jetzt ein überraschend detailliert ausgestalteter und dunkler Dungeon für stimmungsvolle Höhepunkte. Ich fände es dennoch schön, wenn die Quest-Beschreibungen im finalen Spiel den gleichen Zug vermitteln würden, wie die motivierende Jagd nach neuer Ausrüstung und Leveln.
Überhaupt: Dafür, dass eure Vasallen so viele Kalendersprüche zu Flora, Fauna und Geografie von Gransys abgeben, bleibt der Rest der Welt doch erstaunlich still. Es fehlt den Figuren an Tiefgang, alle bleiben seltsam anonyme Stichwortgeber. Auch die Handlung, bei der immerhin ein ziemlich gefährlich aussehender Drache vom Himmel steigt, was selbst in dieser Welt nicht allzu häufig vorkommen dürfte, und euch als erste Amtshandlung unter mystischem Geschwurbel euer schlagendes Herz aus dem Leib reißt, verläuft in diesem eröffnenden Teil des Spiels schnell ein wenig im Sande.
Was ich damit sagen will: Wenn es diesem Spiel noch an etwas fehlt, dann an Substanz, die über das Spielerische hinausgeht und den Aufenthalt in dieser Welt über die mechanisch durchaus aufregenden Aspekte hinaus interessant machen würde. Dinge, die einen auch nach dem Spielen noch beschäftigen und dafür sorgen, dass man sich auch nächstes Jahr um diese Zeit noch an das Abenteuer Dragon's Dogma erinnert. Und nicht nur an dieses eine Mal, als man aus dem struppigen Federkleid eines erlegten Greifen eines besonders hübsches Breitschwert zog. So wie es bisher ist, ist man hauptsächlich wegen des echt und ehrlich vermittelten Gefühls einer unbequemen Reise dabei - und natürlich wegen der Menge an attraktiver und beinahe anfassbarer Beute.
Es dürften noch einige weitere Stunden vergehen, bis ich dieses Spiel in seiner Gänze verstanden habe und erkenne, was neben dem postulierten Verzicht auf simultane Mehrspieleroptionen wohl noch zum Dogma dieses Drachen gehören mag. Aber Zeit ist ja noch genug. Bevor Dragon's Dogma Ende Mai endlich den gebotenen Sicherheitsabstand zu Skyrim hergestellt hat, freue ich mich einfach auf das, was für mich bis jetzt schon erwiesen ist: Ein motivierendes, originelles und in Teilen wirklich aufregendes Kuckuckskind, das Capcom Herrn MMO und Frau Koop da untergejubelt hat.