Drakensang: Am Fluss der Zeit
Mit Excel zu mehr Spielspaß
Auch nach der Identitätsfindung bleibt Radon Labs der mit dem ersten Teil eingeschlagenen Richtung treu ergeben: In geradezu malerischen Umgebungen schlägt sich eure vierköpfige Party durch sehr gut geschriebene, wenn auch nicht bahnbrechend bedrohliche Questen. Deren Dialoge wurden nun sogar endlich von vorne bis hinten von brauchbaren bis namhaften und gut aufgelegten Sprechern vertont. Die Qualität ist also da, nicht zuletzt dank der intensiven Beteiligung der DSA-Autoren-Größen Florian Don-Schauen und Lena Falkenhagen.
Die hat sich Radon Labs dieses Mal direkt ins Haus geholt und in Kreativteams eingebunden, anstatt Material von externen Autoren sozusagen von außen in das Spiel zu pressen. Für eine abschließende Beschreibung und Beurteilung - gerade im Vergleich zum ersten Teil - haben wir noch nicht genug vom Spiel gesehen. Im Gegensatz zur amerikanischen DAO-Konkurrenz geht dem gemütlichen Drakensang mit all seinen Aufgaben, Nebenhandlungen und Randfiguren aber bisweilen ein wenig der Fokus für das große Ganze ab, sodass man gerade zu Beginn oft vergisst, warum man eigentlich nochmal in Aventurien unterwegs ist.
Das ist kein exklusives Radon-Labs-Problem, ich bin mir nicht einmal sicher, ob es überhaupt ein Problem ist. Ich finde es nur erwähnenswert, dass Dragon Age eben über diese gewisse treibende Zielstrebigkeit und Dringlichkeit verfügte, die eigentlich den allermeisten allen Rollenspielen vor ihm - und vermutlich auch in Zukunft noch - ein wenig abging. Doch das gehört vermutlich in einen anderen Artikel. Nicht wenige werden den entspannt-bekannten Fantasy-Spielplatz, den Drakensang ihnen bietet, sicher als eine willkommene Abwechslung zum harten und hin und wieder geradezu gemeinen Dragon Age empfinden.
Radon Labs hat auf jeden Fall Wort gehalten und die Spielerfahrung spürbar verdichtet und gestrafft. Die Laufwege wurden dank einer neuen Schnellreise-Funktion, die aktiviert wird, sobald man den entsprechenden Ort einmal entdeckt hat, in einem angenehmen Rahmen gehalten und die einzelnen, erneut sehr beschaulich gestalteten Schauplätze sind lebendiger, etwas kompakter und gleichmäßiger mit Betätigungsmöglichkeiten gefüllt.
Da das gesamte Abenteuer entlang des Flusses verläuft, fungiert im zweiten Drakensang ein Schiff als eure Helden-WG, zu der ihr regelmäßig zurückkehren könnt, um eure Party zu verwalten, umzustellen usw. Auch dies reduziert die Laufwege auf willkommene Weise. Im Vorgänger durfte man noch ganz bis nach Ferdok in sein geerbtes Anwesen zurückschleichen, was teils ewig gedauert hat.
Wenn es in der Welt um das hübsche Flussidyll dann doch mal brenzlig wird, fällt im jederzeit pasuierbarem Strategiekampf vor allem eines auf: Erneut gibt es keine Formationsbefehle, mit denen man seine Fernkämpfer und Zauberer zuverlässig vor Feinden schützen kann, die sich in die zweite Reihe wieseln. Trotzdem wird das dank einiger Ergänzungen nicht mehr so oft zum Problem wie zuvor.
Zum einen bietet das Spiel mit dem Zwergen-Geoden und dem Gjalskarländer mittlerweile echte Supporter beziehungsweise Tanks unter den Charakterklassen, zum anderen haben Krieger mit der „Verspotten“-Spezialfähigkeit endlich eine Möglichkeit, die Gegner auf sich zu ziehen und damit die Magier und Bogenschützen ihres Teams vor gegnerischen Nahkämpfern zu schützen. In der Praxis wäre zwar noch ein gegenteiliger Zauber oder Skill wünschenswert, mit dem sich der Wirkende entsprechend uninteressanter machen könnte. Aber vielleicht taucht dieser fromme Wunsch ja irgendwo im Excel-Sheet für den nächsten Teil auf.
Insgesamt bietet Am Fluss der Zeit das gleiche solide, wenn auch in unserer Fassung noch durch teils sehr ungelenke Schlaganimationen verunzierte Kampfsystem, wie der erste Teil. Dabei hat die Optik sehr wohl einen kleinen Sprung gemacht. Es handelt sich natürlich sichtlich noch um die gleiche Grafik-Engine. Dank ansprechenderer Beleuchtung und schärferen Texturen sowie einigen Verbesserungen bei den Gesichtern kann sich Am Fluss der Zeit durchaus sehen lassen.
Auch der zweite Teil von Drakensang wird also das Rollenspiel nicht neu erfinden. Dafür spricht alleine schon eingangs erwähntes Excel-Sheet - jene chinesische Mauer der Tabellenkalkulation, die nur dem einen Zweck dient, aus der bestehenden Engine und dem bekannten Universum das beste DSA-Spiel herauszuholen, das Radon Labs machen kann.
Das ist - wie könnte es bei einem DSA auch anders sein - wieder einmal ganz bestimmt nicht etwas für alle. Es müsste aber mit dem Teufel zugehen, wenn dieses routinierte Prequel nicht wieder für mindestens 100.000 deutsche Käufer genau das richtige wäre.
Drakensang - Am Fluss der Zeit erscheint Anfang 2010