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Dreadnought - Yager spielt Weltraumschach mit Großkreuzern

Auch auf der PS4 lenken sich zig Tonnen Stahl mit Eleganz.

Ich gebe zu, dass ich nach wie vor nicht genau weiß, was ich von Dreadnought halten soll. Das Tutorial wirkt, als würde da ein neues FreeSpace starten, aber wenn ihr dann im eigentlichen Spiel seid, dann ist es... nun, World of Tanks mit riesigen Raumkreuzern. Irgendwie jedenfalls. Dieser Vergleich hinkt sicher an genug Ecken und Kanten, aber er gibt euch eine Grundrichtung, worum es im kommenden Spiel der Yager-Studios aus Berlin so geht. Acht gegen acht, Flotten aus fünf Schiffen gegen fünf Schiffe, alles strikt klassenbasiert und mit zig Optionen zur persönlichen Gestaltung dieser Raumkreuzer, die sich übrigens auch in Planten-Atmosphären äußerst wohl fühlen. Beide Gruppen beharken sich dann für eine gewisse Zeit oder für eine Runde, gehen auf einer Seite dann mehr Trümmer zu Boden oder trudeln im All als beim Gegner, wird der Gewinner erklärt und eine neue Runde startet. Ein recht bekanntes Konzept.

Wie drückt Yager es aus? 'Think more Jean-Luc than Skywalker.' Passt, auch wenn ich eher an Kirk vs. Khan '82 denke.

Klassenbasierte Kleingruppenkämpfe gibt es zu Dutzenden, die Kunst liegt im Detail: Hier ist es die Art, wie sich die Kolosse steuern. Aus der Distanz betrachtet, wirkt es wie einer dieser alten Anime, in dem sich riesige Flotten mit tausenden von Geschützen beharken, während sie sich wie Wale umkreisen. In der eigenen Bewegung - ihr lenkt immer nur ein Schiff, die anderen werden von anderen Spielern gelenkt - müsst ihr euch erst mal daran gewöhnen, dass dies Wing Commander in Zeitlupe ist. Ihr müsst nicht in Sekundenbruchteilen überlegen, wie ihr durch die Asteroiden lenkt, sondern taktisch planen, wie schnell ihr um die Steine kommt, wo sich die Gegner befinden, wie lange sie brauchen, welche Reichweite ein Schiff seiner Klasse haben könnte und euch dann fast schon gemächlich in Position bringen. Wenn dann seine Silhouette wie ein kleiner Mond über dem winzigen Horizont der kosmischen Steinbrocken auftaucht, seid ihr bereit für eine volle Breitseite.

Diese Bewegungen fühlen sich einfach richtig an und das könnte neben all den anderen Feinheiten die größte Leistung Dreadnoughts sein. Es fühlt sich einfach nach zig Tonnen Stahl an, die nicht so leicht zu stoppen sind. Die Kraft bedeuten, solange nicht eine ebenbürtige Kraft direkt auf sie trifft. Wenn das passiert, dann... kommt der Punkt, an dem Yager noch ganz dringend schrauben muss. Wenn zwei Kathedralen-große Kreutzer das Feuer eröffnen, muss das richtig krachen, die Erschütterungen der Explosionen müssen auf dem Screen und bis in die Finger an Pad oder Maus spürbar sein. Und das ist nicht der Fall. Achtung, Beta! Daher, das ist noch eine Baustelle und hier sind diese murkligen Schüsse und Treffer, bei denen man sich schon fragt, ob eigentlich überhaupt was passiert, noch mit einem Gerüst verhängt. Große Eröffnung der Explosionen dann hoffentlich zum finalen Release.

Genug Optionen, um den Gegner zu überraschen. Und das ist nur für eines der über 50 Schiffe.

Die fünf grundsätzlichen Klassen sind relativ sauber nach Papier-Schere-und-so-weiter sortiert, von relativ klein und wenig, aber eher schwach, über Support-Funktionen zu groß und stark und langsam. Das ist fast schon einsteigerfreundlich und übersichtlich, lässt aber einen Mangel an Tiefe im System befürchten. Bis man dann einen Blick auf die Optionen wirft. Irgendwo in den Untiefen einer Alibi-Story geht es um drei Häuser, die sich bekriegen, und jedes davon hat einen Fertigungsbaum für Schiffe, die ihr nach und nach freischaltet.

Diese derzeit über 50 Schiffe halten sich alle zwar an die fünf Klassen, aber jedes hat seine eigenen Extras, Überraschungen und Tricks, die es für erfahrene Spieler fast schon notwendig machen, sie auswendig zu lernen, um nicht plötzlich mit heruntergelassener Hose dazustehen, wenn der Dreadnought, von dem man eigentlich weiß, dass seine Reichweite nicht so hoch ist, plötzlich schweres Artilleriefeuer auf die eigenen hinteren Reihen eröffnet. Um dies möglich zu machen, hat jedes der Schiffe - nicht die Klassen, sondern wirklich jedes Schiff - einen eigenen Tech-Baum, der schon mal von einem Dutzend bis zu 30 und mehr Ausbauten für Waffen, Fertigkeiten und Panzerungen haben kann. Auf diese Weise könnt ihr euch nie ganz sicher sein, womit ein Feind euch entgegenkommt, so wie auch er nie wirklich wissen kann, was ihr an Bord habt. Nun, fast. Die detaillierten Modelle der Schiffe werden natürlich ein wenig angepasst und ein scharfer Blick kann Hinweise auf bestimmte Waffen liefern.

Ihr könnt euch die Bewegungsebenen wie Wasser und die Kreutzer wie U-Boote vorstellen, um zu verstehen, wie ihr über Planeten oder auch in den Weltraum-Arenen manövriert.

Und so umkreist ihr einander in getimten Team-Deathmatches, sammelt Punkte und kehrt immer wieder zurück, denn lange halten selbst die mit Echtgeld zu habenden, besonders schönen - aber nicht unbedingt stärkeren - Heldenschiffe nicht durch, wenn sie erst mal von zwei Seiten eingezwängt sind. Die gespielten Schlachten in der neuen PS4-Version machten deutlich, dass die Kenntnis der Schiffe und der dazugehörigen Taktiken essentiell ist, wenn ihr nicht alle 20 Sekunden ein neues Schiff für den Respawn anfordern wollt, und dass hier genug Tiefe drinsteckt, um eine Art Action-Schach um Hindernisse herum mit den Schiffen spielen zu können. Die Pad-Steuerung kam dabei dem Geschehen nicht in die Quere, die Grafik auf der PS4 wirkte wie auf dem PC sehr detailliert bei den Schiffen und durchaus mehr als nur ansehnlich in einigen der Szenen im Weltraum. Auf dem Planeten könnten gerne noch ein paar Feinheiten in der Landschaft dazukommen und ein paar Korrekturen in der Geometrie und Physik scheinen auch noch fällig, aber hey, Beta. Da passiert noch was.

Es mag ein wenig verwunderlich sein, dass eines der wenigen deutschen Triple-A-Studios sich nun auf Free-2-Play-Taktik-Action stürzt, schließlich glänzte Yager zuvor mit einem der kontroversesten Shooter überhaupt - Spec Ops: The Line -, aber wenn man erst mal erst mal ein paar Runden Dreadnought hinter sich hat, ein erstes Gefühl für die großen Schiffe und all ihre Möglichkeiten bekam, dann wird klar, dass dies mehr ist als nur ein Lückenfüller zum nächsten Großprojekt. Dreadnought ist selbst dieses Großprojekt und in ihm steckt das Potential für eine Art Denker-Action, wenn erfahrene Kapitäne ihre Großpötte ausdauernd manövrieren, um die besten Schusspositionen ringen und sich gegenseitig mit ausgefeilten Setups überraschen. Dazu kommt, dass die Bewegungen am Pad schlicht Spaß machen. Den eigenen Dreadnought in eine viel zu enge Kurve zu zwingen, um zwischen zwei übergroßen Trümmertürmen auf einer fremden Planetenoberfläche dem Dauerfeuer von drei Verfolgerschiffen zu entgehen, dann dank eines Kollegen frisch repariert und mit aufgeladener Doomsday-Waffe wieder aufzusteigen und mit doppelter Münze alles heimzuzahlen, macht weit mehr Spaß als ich je erwartet hätte. Fast schon ein wenig ein Spiel für langsame Genießer. Und sicher weit, weit mehr als nur das nächste Stangen-Free-2-Play.

Aber versucht es selbst: Die offene Beta ist am PC eröffnet (die PS4-Beta startet später in diesem Jahr).

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Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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Dreadnought

PS4, PC

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