Drova ist Gothic von oben – und ein hübscher Herbst-Geheimtipp
Sperrig, aber gut. Und ab heute erhältlich.
Drova: Forsaken Kin trägt seine Inspirationen offen vor sich her: Riesige Mücken, hüfthohe Ratten, entstellte Hunde, mannsgroße Laufvögel mit messerscharfen Schnäbeln – und wenig Händchenhalten. Die Beschreibung “Gothic von oben” ist bequem, aber deshalb nicht weniger treffend.
Wie auch in Piranha-Bytes-Klassiker kommt ihr wie der Fisch aus dem Wasser in einer fremden Umgebung an und müsst euch in der etablierten Ordnung erst zurechtfinden. Und natürlich reagieren auch hier Welt und NPCs überraschend umfassend auf eure Taten. Quests bauen mehrstufig aufeinander auf, ohne dass ihr allzu genaue Anweisungen oder präzise Richtungsweisungen bekämt und die Gegner skalieren nicht mit euch mit, sodass ihr schnell merkt, wo ihr euch besser noch nicht umschauen solltet. Und natürlich klickt man sich seine Skills nicht einfach selbst auf einem Fertigkeitenbaum zusammen, man lernt sie bei Experten, die man auf seiner Reise trifft.
Ihr seid neu hier - und die Welt lässt euch das spüren
Drova – das sagenhafte Wunderland, das sich als deutlich weniger wundervoll herausstellt, als überliefert – ist eure Auster. Allerdings eine Auster mit so dicker Kruste, dass ich manches Mal nicht wusste, wie ich sie aufbekommen sollte. Wo war überhaupt vorn und hinten? So viel sollte man vorweg klarstellen: Hier einen Fuß in die Tür zu bekommen, das ist alles andere als einfach, denn schon zu Beginn stellt man euch ohne große Orientierungshilfen vor eine Reihe von Quests, um überhaupt erst an halbwegs brauchbare Ausrüstung zu kommen. Ich fand den Einstieg deshalb haarig, aber nicht weniger faszinierend.
Der nächste “Berg”, den man nehmen muss, ist das Kampfsystem, das ich nicht unbedingt als Highlight des Spiels bezeichnen würde. Weil Blocks mit dem Schild nie allen Schaden abwehren, setzt man schnell zu viel darauf, Gegner zu umkreisen, damit ihre Angriffe an euch vorbeifliegen, und dann ihre Cooldowns bis zur nächsten Attacke für Gegenschläge einzusetzen. Dann wiederholt man das Ganze. Sobald einem der Raum zum Weglaufen ausgeht, und es ans reine Kämpfen geht – den Einsatz von Attacken, Defensive und Magie – fühlt sich das alles etwas zu statisch an und auch an Feedback mangelt es spürbar.
Doch auch das ist etwas, mit dem ich mich gern arrangierte, denn sich hier durchzuwuseln und die langen Textdialoge mit vielen Antwort- und Wahlmöglichkeiten mitzunehmen und nach und nach zu erschließen, wie dieses Land funktioniert, das hatte einiges von der Magie der alten Zeiten. Immer wieder stolperte ich über rätselhafte Altare, die auf spannende Rätsel hindeuteten, Fährten, die mich zu grauenerregenden Szenen lockten und ich war durchweg von den hochgesteckten RPG-Ambitionen überrascht.
In Drova summieren sich eine Menge Kleinigkeiten zu einer überraschend komplex simulierten Welt. Dinge, wie die Tatsache, dass mit gezückter Waffe Looten und das Untersuchen der Umgebung nicht möglich ist, dass NPCs das Gespräch verweigern oder Gewalt androhen. Dass Tag- und Nachtwechsel deutlich veränderten, wie man spielt. Dass man sich einer von zwei Fraktionen exklusiv anschließt und das den Verlauf verändert. Dass es nicht trivial ist, wie sehr ihr euer Gegenüber zu einer Entscheidung drängt – all das flößt dem Abenteuer Leben ein, das man von Pixelart-Spielen für gewöhnlich nicht erwartet.
Ich habe Drova sowohl mit Maus und Tastatur als auch mit vollem Controller-Support an 4K-TV und Steam Deck gespielt und muss sagen, dass mir die Joypad-Variante bestens gefällt. Handheld-Fans dürfen sogar den Font dreistufig skalieren, was dann durchaus reicht, die langen Texte auf Valves Unterwegs-PC zu lesen. Cloud Saves werden ebenfalls unterstützt.
Drova also: Sperrig, schwierig und doch einladend, wenn man nur neugierig genug ist. Und hab heute Abend auf Steam sowie im eShop, PlayStation Store und Xbox Store erhältlich.