Nimm’ das, Timothee: Dune Awakening ist auch ohne Paul Atreides mein bisher bestes Dune-Erlebnis – und so viel mehr als ein Conan Exiles im Weltraum
Der Wurm wartet.
“Passt eure Designs an Dune an, nicht Dune an eure Designs” – das war die zentrale Arbeitsanweisung von Creative Director Joel Bylos an seine Entwickler. Bis ich sie auf meinem Studiobesuch bei Funcom in Oslo hörte, dachte ich immer, mit “Conan: Exiles, aber auf Arrakis” wäre Dune: Awakening passend beschrieben. Danach fühlte es sich unfair verkürzt an.
Vielleicht sagen wir es so: Es ist ein guter Ausgangspunkt, wenn man versucht, sich dieses Spiel vorzustellen. Denn mit nichts zu beginnen und dann zu sammeln, leveln, questen, craften und bauen, um irgendwann in den PvP-Bereich des Spiels vorzustoßen, ist tragender, sinnstiftender Bestandteil des Gameplay-Zyklus. Doch da hört die Nähe schon auf. Denn diesem Arrakis fühlt man sich nahe, weil man die Bücher und Filme kennt und seine Sandwürmer so faszinierend findet. Aber nicht, weil man ein paar Hundert Stunden Conan Exiles gespielt hat.
Eine Welt ohne Paul Atreides
Funcom hat es sich wahrlich nicht einfach gemacht: Gleich zu Beginn stand die Szenario-Herausforderung. Da man zwar mit den Filmfirmen Legendary Pictures und Warner Bros. eng zusammenarbeitet, aber zum Beispiel nicht spoilern durfte, wie Paul-Atreides-Geschichte so weitergeht, erdachte man ein Alternativszenario, das Paul Atreides im Intro selbst vorstellt: Es handelt sich um eine Vision einer Zeitlinie, in der er nicht existiert. “Es ist die einzige, die ihm Frieden gibt”, erklärt Bylos das und ich finde, das macht es umso interessanter, sie zu spielen; verleiht ihr eine gewisse Legitimität.
In dieser Welt folgt Lady Jessica den Anweisungen der Bene Gesserit und gebärt eine Tochter, Ariste, was den kompletten Verlauf der Geschehnisse auf Arrakis verändert. Sie entdeckt den Betrug durch Doctor Yueh, sichert das Überleben der Familie Atreides, im folgenden entwickelt sich zwischen den Atreides und Harkonnen ein “Krieg der Attentäter”, dem als erstes die Fremen scheinbar erliegen. Aber ohne Paul “kein Muad'Dib, kein Lisan al Gaib, kein Kwisatz Haderach”.
Ich finde das Szenario spannend, bin mir aber auch bewusst, dass viele Fans des Materials es wahnsinnig wichtig finden, ob ein Spiel sich in den Kanon der übrigen Geschichte einfügt oder nicht. Als ich Joel Bylos frage, ob ihm das nicht Sorgen bereite, gibt er sich entspannt. “Ich glaube, jede Entscheidung, die ich treffe, ist tief im Kanon verwurzelt. Daher ist es leicht, zu verteidigen, was wir gemacht haben.” Er holt aus: “Lass mich Dir ein Beispiel geben, damit du nicht denkst, das ist alles vager Bullshit.”
Dune: Awakening - Bilder
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Bylos beschreibt, wie er dafür sorgte, dass es zum Beispiel keine Fragen über Lasguns und Schilde gibt. Trifft man in Dune einen Schild mit einer Lasgun, kommt es zu einer nuklearen Explosion. In der Welt von Dune: Awakening kommt es auf der Harkonnen-Hauptstadt auf Arrakis Carthag zu einer solchen Katastrophe, was wiederum die Implementierung von Sicherheits-Maßnahmen zur Folge hatte, die dafür sorgt, dass man in diesem Spiel mit Lasguns nicht auf Schilde schießen kann. “Ich ändere also nicht die Lore, ich erschaffe eine Kette an Ereignissen, die dazu führt, dass das Lore in unserem Spiel funktioniert.
Gerade die Einführung in das Szenario durch Paul, der darin gar nicht vorkommt, halte ich für einen kleinen Geniestreich, zumal er in dieser Vision Timothee Chalamet recht ähnlich sieht. Auf diese Weise holt man vor allem das Filmpublikum gut mit ins Boot. “Ich glaube, auf diese Art ist es vor allem wirkungsvoller”, erklärt Bylos und verweist darauf, dass auch im Buch Lady Jessicas Entscheidung immer wieder eine Rolle gespielt habe.
Überhaupt sei Lady Jessicas Loyalität dort häufiger ein Thema gewesen; ein Faktor, der sich durch die Geburt einer Tochter noch potenziert. Schließlich verhindert sie zwar das Ende der Atreides-Familie, steuert ihre Tochter Ariste (auf der "ganz andere Drucke lasten als auf Paul”, wie Bylos es formuliert), aber mehr im Sinne der Bene-Gesserit. Und am Ende dieses Weges steht eine Vermählung mit Feyd-Rautha Harkonnen. Vor dem Hintergrund eines weiter tobenden Krieges scheint das problematisch. Auch das ist das ein interessanter neuer Blickwinkel auf die Figur Lady Jessicas, die durchaus solide durch das Buch gestützt ist.
“Ich glaube und hoffe, Dune Fans werden sagen, ‘cool, das ist ein wirklich interessantes Was-wäre-wenn-Szenario, das den Kanon nicht durcheinanderbringt”, erklärt er. “Wenn wir versucht hätten, ‘das Spiel zum Film’ zu machen, wäre es nicht gut geworden. Und wenn wir versucht hätten, das ‘Spiel zum Buch’ zu machen, würde jeder nur als Paul spielen wollen, was in einem Multiplayer-Spiel nicht funktioniert.” Ich muss sagen, nachdem ich in Oslo gut sechs Stunden Dune-Awakening spielen durfte, war auch ich überzeugt, dass Funcom den richtigen Weg eingeschlagen hat.
Durch und durch Dune
Aber wie sieht das spielerisch dann aus? Nun, Funcom setzt euch auf einem Planeten mit wenig bis gar keiner Vegetation und Fauna aus, aus der man normalerweise Dinge bastelt. Stattdessen fördert ihr Erze und Gestein. Man setzt auf eine Durst-Mechanik, die dazu führt, dass ihr mit Wasser haushalten müsst, befördert die sengende Sonne über dem Planeten zum zentralen Spielelement, weil sie dazu anhält, sich im Schatten zu bewegen. Nur so bekommt ihr die Debuffs des Hitzeschlags nicht ab. Sandstürme sind ebenfalls eine stete Gefahr. In der “Deep Desert”, dem PvP-Gebiet, das neunmal so groß sein soll wie Conan Exiles, wirbeln sie als Coriolisstürme alles durcheinander und sorgen dafür, dass die Welt sich regelmäßig neu anfühlt.
Und natürlich sind da die Würmer, die sich mit einer Gewalt durch den Sand fressen, die ihn regelmäßig zu haushohen Dünen aufwirft. Die Sandwürmer werden nicht etwa faul dort gespawnt, wo sie gerade die meisten Spieler ärgern. Sie sind eigene Entitäten, die sich frei auf der Karte bewegen und Schwingungen folgen, die man auf dem Sand erzeugt. Hier und da brechen sie majestätisch durch glitzernde Dünenkämme, zeigen sich in all ihrer markerschütternden Pracht.
Immer ist man zugleich froh und schlottert mit den Knien, wenn sich einer nähert. Ihre Inszenierung und ihr Verhalten zeigen, dass in Ehrfurcht manchmal eben doch in erster Linie “Furcht” steckt. Es ist wahrlich ein spektakuläres Erlebnis, jedes Mal. Und auch spielerisch ist es interessant: Soll ich die Abkürzung über den Sand wagen oder nehme ich den langen Weg von einer steinernen “Insel” zur nächsten. Wie oft ich nur knapp dem hungrigen Beben hinter mir entging, weil ich mich im letzten Moment mit einem Greifhaken in Sicherheit zog, das war schon allerhand. Wirklich toll.
All das kommt zu einer Welt zusammen, die nicht nur wahnsinnig gefährlich und feindselig wirkt, sie belohnt auch alle paar Meter mit atemberaubenden Panoramen, ganz egal, ob nun am Tag oder bei Nacht. Wenn am Firmament die beiden Monde von Arrakis zu glühen scheinen, während ein viele Kilometer langer Heighliner kleinere Schiffe aus dem Faltraum in den Orbit des Wüstenplaneten spuckt, auf dem gerade der Sand von einem Lebewesen wie einer Naturgewalt umgegraben wird, fühlt man sich, als würde man sich auf einem alten Science-Fiction-Poster bewegen. Es ist die Sorte Schönheit, die sich Onlinespiele nur selten leisten. Verschwenderisch geradezu.
Für jeden was dabei: Die Klassen
Auch, was die Klassen angeht, wurde alles überzeugend auf Dune gebürstet: Ihr entscheidet euch zu Beginn, ob ihr für Atreides oder Harkonnen kämpfen wollt und wählt dann eine von fünf: Trooper, Swordmaster, Mentat, Bene Gesserit oder Planetologist. Jede von ihnen verlässt sich auf den Wechsel zwischen Nah- und Fernkampf, der häufig fließend erfolgt. Getreu der Fiktion sind Gegner mit Schilden nämlich nur mit langsamer Klinge zu verletzen – und die Schilde außer mit bestimmten Waffen – Disruptoren – absolut undurchdringlich. Paraden von Angriffen oder gelandete Kombos bringen Feinde ins Straucheln, woraufhin ihr mit gehaltener Angriffstaste einen dieser langsamen Wirkungstreffer platzieren könnt. Es gibt sogar einen Dash, der ziemlich mächtig ist und euch regelmäßig den Allerwertesten rettet.
Sowohl das Gunplay als auch der Nahkampf haben mir Spaß gemacht, auch wenn man immer noch merkt, dass es sich nicht um einen Action-Titel handelt. Die Gratifikation ist eher von der verkopften Sorte, aber das System geht zumindest zu Beginn gut auf und die Optionen, die da sind, machen Spaß. Ich habe wegen des Greifhakens direkt den Trooper gewählt und das wegen der dessen Granaten, die die Gravitation neutralisieren, auch nicht bereut. Ich mag, dass viele Gegenstände mehr als einen Nutzen haben. So sind die Antigravitationsgranaten nicht nur perfekt, um Gegner buchstäblich wehrlos in der Luft hängen zu lassen. Sie wirken auch als perfektes Falltuch, wenn man mal wieder auf eine gewaltige Felsformation geklettert ist – wie schon in Conan Exiles kann man auch hier wieder jede Wand hochkraxeln – sich den Weg nach unten sparen will.
Aber auch die anderen Klassen verfügen über coole Skills, derer man stets drei aktive und drei passive ausrüsten darf. Dank Trainern mixt man sie später auch und klopft sie so auf Synergien ab. Bene-Gesserit können sich zum Beispiel für einzelne Feinde Unsichtbar machen, oder ihre “Stimme” einsetzen. Die Mentaten sind menschliche Computer und spawnen deshalb automatische Geschütze – die wegen des Verbots von künstlichen Intelligenzen für Freund und Feind gleichermaßen gefährlich sind – oder Schilde, hinter denen sie Deckung nehmen können. Da ich nur mit dem Trooper spielte, bei dem sich viel um den Greifhaken und seine Granaten drehte, kann ich zu den anderen Klassen aber nicht ins Detail gehen.
Ach, das Spice hätte ich fast vergessen: Unter Einfluss der “Melange” erhält man einige Buffs und zusätzliche Informationen über die Welt und ihre Bewohner. So komplett sicher bin ich zwar nicht, ob es das Spielerlebnis grundlegend verändert, aber da schon die Rede von Entzugserscheinungen war, bin ich gespannt, welche Blüten das noch treibt. In jedem Fall ist Dune Awakening ein erstaunlich agiles Quasi-MMO mit schönem Erkundungsfaktor, wenngleich die Gegner-KI noch etwas stupide schien.
Nicht auf Sand gebaut!
Zu dieser Sorte Spiel gehört aber natürlich auch: Craften, craften, craften! Die ersten Stunden sind sehr dominiert von klaren Anweisungen, erst dieses zu sammeln, dann daraus jenes herzustellen. Hier lernt man mit dem Cutterray umzugehen, mit dem man erst einen Erzcluster oder Gesteinsbrocken scannt, woraufhin dann eine Art Sollbruchstelle am Fels hervorgehoben wird. Fahrt ihr mit dem Laser des Schneidgeräts diese Linie nach, erntet ihr die Ressource mit optimaler Ausbeute. Ein paar Basics bastelt man von Hand, während für alles andere Fabrikatoren notwendig sind: Aus dem Blut getöteter Gegner kann man mit den entsprechenden Anlagen etwa Wasser destillieren lassen, aus Erzen Barren und so weiter und so fort.
Das eskaliert dann auch ziemlich drastisch und man kommt schon sehr vom Hundertsten ins Tausendste. Aktuell hatte ich persönlich dadurch noch ein kleines Problem mit dem Spielfluss. Da in dieser Tutorial-Phase noch keine schnellen Transportmittel existieren, empfand ich die eine oder andere Situation noch etwas mühsam, etwa, wenn ich mit Blaupausen, die ich in einer Quest freigeschaltet hatte, zur Basis zurückkehren musste, um damit neue Errungenschaften herzustellen. Schließlich sind die Wege nicht ganz ungefährlich. Sonne, Würmer, Wassermangel und in schnellem Takt nachspawnende Feinde fordern, dass ihr durchweg wachsam und bei der Sache bleibt.
Eine naheliegende Alternative: mehr als eine Basis aufzubauen. Aber daran denkt man in dieser frühen Spielphase eigentlich noch nicht (Ressourcenverschwendung!). Gleichzeitig muss ich sagen, dass keine Einrichtung wirklich großen Rohstoffaufwand verschlang und alles reichlich vorhanden war. Und da man später aber auch Fahrzeuge herstellt – ein auf drei Ketten fahrendes Motorrad durfte ich gegen Ende meiner Session noch selbst bauen –, dürfte sich diese Mühsal später in Wohlgefallen auflösen. Zumal ich mochte, wie der Bau funktioniert. Das Gefährt kommt nicht einfach fertig aus der Anlage, sondern man crafted es aus diversen Einzelteilen, was Raum für Individualisierung lässt. Sogar Ornithopter bastelt man sich auf diesem Wege später.
Dennoch muss man klar sagen, dass man schon Spaß daran haben sollte, zumindest im Early Game unentwegt bestimmte Mengen Ressourcen von A nach B zu hieven und es sich irgendwo gemütlich einzurichten. Durch die mächtigen Bautools dürften auch interessante Kreationen möglich sein: Ihr platziert die einzelnen Bauteile erst als Hologramme, die ihr dann “ausfüllt”, wenn euch euer Aufbau gefällt. Intuitiv und schnell erledigt, wenn auch bisland noch nicht wirklich gemütlich. Ich bin nicht mal sicher, ob dieses Wort in diesem Universum überhaupt existiert.
Was ich natürlich noch nicht gesehen habe, ist das Late Game. Weder habe ich in die Deep Desert auch nur einen Fuß gesetzt, noch habe ich nur eine Nase voll Spice geerntet (zumindest nicht bewusst oder absichtlich). Wir bewegten uns geschlossen in den Survival-Karten vom Anfang. Nach hinten hinaus soll sich der Fokus des Spiels jedoch immer mehr vom Survival-Kleinklein zum größeren Ganzen wenden. Wenn man nicht nur verteidigt, was man aufgebaut hat, sondern seinen Einfluss noch erweitert und versucht, Kontrolle durch seine Beteiligung im Landsraad auszuüben. So weit konnte ich an nur einem Tag aber selbstverständlich noch nicht vordringen. Aber es stimmte mich zumindest zuversichtlich, dass man sich bei Funcom schon eine Menge Gedanken gemacht zu haben schien, dass sich das Spiel mit der Evolution seiner Bewohner auch sukzessive wandelt, anstatt zu einer eher linearen Machtspirale zu eskalieren.
So kann es klappen, mit Dune und mir
Ich habe ja schon an anderer Stelle schon über mein Problem mit Dune berichtet. Es war immer eine Welt, die mich zwar faszinierte und die ich respektierte, aber es erzählte einfach nicht die Art von Geschichte, die ich gerne höre. Zu esoterisch, mit dem Kopf zu weit oben in einer Wolke voller Spice. Ich sehe, dass es ein Sci-Fi-Universum von imponierender Dichte und Vielschichtigkeit ist, bin jedoch nun mal der Trottel, der Dune wegen Sandwürmern und Ornithoptern schaut und sich für die Warnung vor messianischen Überlieferungen nicht allzu sehr interessiert. Dune Awakening kriegt es nun hin, den Geist des Ursprungsmaterials zu respektieren und trotzdem den Blick feste auf die praktische Seite vom Leben und Kämpfen auf Arrakis zu richten. Mir kommt das natürlich zugute.
Ich will nicht ständig meine Rolle in einem galaktischen Ränkespiel hinterfragen, sondern meinen eigenen Weg gehen. Am besten über sengend heißem Wüstensand, der zunehmend bedrohlich unter mir zu rubbeln beginnt. Awakenings Entscheidung, Paul aus der Geschichte zu nehmen, erlaubt mir exakt das und befreit das Spiel für mich zumindest vordergründig von viel vom Ballast, der etwa die Filme für mich auf eine unpersönliche Ebene herunterzieht. Ich glaube, diese Wüste hier ist wie für mich gemacht. Mein Arrakis. Mein Dune.