Dungeon Siege III
Ein Leben nach dem Boll
Es war einmal vor langer Zeit in einem extrem generischen Fantasyreich ein einsamer Farmer, der auszog, um einen Dämon zu killen. Oder einen bösen König. Oder was anderes in der Richtung. Das machte er auch frohen Mutes und kehrte zurück in seine Hütte. Kurz danach wiederholte er diese heroische Aufgabe mit einem recht ähnlichen Ausgang. Seine Belohnung war die Aufmerksamkeit eines noch viel böseren Magiers mit dem furchteinflößenden Namen Boll. Er wirkte seinen schlimmsten Zauber auf den armen Farmer. Er verwandelte einen aberwitzig schlechten Film in viel Geld. In Form von Steuereinsparungen. Und der Farmer war Geschichte. Oder so sollte man meinen, denn das Märchen ist noch nicht zu Ende und überraschenderweise gibt es doch ein Leben nach dem Boll.
Dungeon Siege III verspürt wenig überraschend keine Lust, sich länger mit dem Boll-Werk auseinanderzusetzen und startet stattdessen frisch durch. Obsidian Entertainment hat schließlich eine Menge Erfahrung darin, Fortsetzungen zu RPG-Legenden zu basteln. KotOR 2, Neverwinter Nights 2 und demnächst Fallout: New Vegas sprechen da eine deutliche Sprache, warum also nicht auch die Reste von Gas Powered Games auflesen und mit Square Enix als Publisher die Wiederbelebung einleiten?
Im Gegensatz zu den eben genannten Schwergewichten bedienten die ersten Dungeon Sieges das locker-flockige Loot-Ende der Rollenspielskala und verbanden ein linear-simples Weggebilde ohne unnötige Wortwechsel mit schicker, extrem klischeebeladener High-Fantasy-Optik. Mit anderen Worten: Ich mochte sie. Die perfekten Spiele für einen chilligen Sonntag-Nachmittag. Leveln, looten und laufen. Ersatz-Diablos. Damit will sich Obsidian nicht ganz zufriedengeben. Sie sind es gewohnt, große und komplexe Stories zu erzählen und so soll Dungeon Siege III eine Brücke zwischen dieser Studio-Tradition und den Qualitäten der ersten beide Spiele ziehen.
Die Geschichte wird sich an Schlüsselpunkten aufgabeln, was aber nicht annährend so weit gehen soll wie das Konsequenzen-System aus Alpha Protocol. Am Ende bleibt hier wohl immer noch das Action-RPG im Vordergrund, doch ist es eine reizvolle Vorstellung, das in Verbindung mit ein klein wenig mehr Handlung als „Töte den letzten, fiesen Typen in Stage 20“ gereicht zu bekommen.
Weil Koop immer mehr im Kommen ist und sich der Stil eines Action-RPGs dafür auch wunderbar eignet – die Beweisführung Diablo 2s in diesem Punkt darf man als abschließend bezeichnen – setzt auch Obsidian auf dieses Extra, ohne jedoch einen getrennten Modus einzubauen. Der Singleplayer startet mit der normalen Kampagne und die meiste Zeit wird der einzelne Spieler von einer KI-Figur begleitet. Der zweite Spieler kann nun jederzeit einfach zum Pad greifen und mitspielen. Was ich noch nicht ganz verstanden habe und sicher im Laufe der nächsten Monate näher spezifiziert wird, ist die Frage, was passiert, wenn ein Mitspieler nicht einfach den Mitläufer nehmen möchte, sondern eigene Pläne bei der Klassenwahl hat. Obsidian hat darauf sicher eine Antwort und ehrlich gesagt klingt der Pick-up-and-Play-Ansatz durchaus nett.
Zwei der noch unbestimmten endgültigen Zahl an Klassen stellten sich bisher vor. Der Guardian, ein Kämpfertyp mit schwerer Rüstung und Waffen, nahm hier die Rolle des ersten Spielers ein, während er von einer Magierin der Archon-Klasse begleitet wurde. Während die mit Feuerbällen von erstaunlicher Effizienz +1 um sich warf, konnte der Guardian zwischen zwei Angriffsmodi wechseln. Der schnelle Angriff eignet sich besser, um einem einzelnen Gegner harte Treffer zuzufügen, während ein scheinbar eher langsamer Rundschlag dazu dient, Gruppen auf Abstand zu halten. Das klingt erstmal nach nicht so viel spielerischer Abwechslung, aber für dieses Genre – oder zumindest dieser Serie – ist es schön zu sehen, dass es nicht nur auf einen einzelnen Button hinausläuft.
Was natürlich ebenfalls nicht fehlen darf, sind die Fertigkeitenbäume, die hier sich mit jeder Klasse drastisch unterscheiden sollen. Jede Gruppe hat ihre eigenen Fähigkeiten, was man wohl zu den allgemeinen Gegebenheiten des Genres zählen darf. Was genau die Bäume beinhalten, ließ sich Obsidian noch nicht entlocken, aber jede Sparte bringt nicht nur eigene Skills mit, sondern auch Rüstungsgruppen und Waffen. Das, in Verbindung mit der gefächerten Handlung, soll jedem Durchgang genug Eigenständigkeit für ein paar spannende Durchgänge geben.
In den ersten Dungeon Sieges gehörte die Optik zu den Stärken – zumindest solange man nicht gegen klassische Fantasy hatte – und Teil 3 wird hier aller Wahrscheinlichkeit und dem ersten Eindruck nach keine Ausnahme sein. Schöne Field-of-Depth-Effekte hübschen die sowieso schon nett anzuschauenden Dungeons und Landschaften auf und sorgen bei jedem Anhänger traditioneller tolkien'scher Werte für wohligen Nostalgiecharme, verpackt in modernste Technik.
Schöne Fantasy, Action-RPG mit Story und nahtloser Koop? Das klingt zumindest für mich erstmal nach einem perfekten, faulen Wochenende, ganz im Sinne der Qualitäten, die ich an den Vorgängern schon schätzte. Sicher, kaum etwas wirklich Spektakuläres wird hier gezeigt und eigentlich gab es das alles, was bisher zu sehen war, auch schon mal in der einen oder anderen Form. Na und? Wenn es um Fantasy-Action-RPGs geht, habe ich in regelmäßigen Abständen Hunger auf neue Kost und das hier sieht exquisit aus. Nicht revolutionär, aber da der Weg bis zu Diablo 3 wohl doch noch etwas weiter wird, dürfte wenig gegen einen stilvollen Zwischenstopp bei Dungeon Siege III einzuwenden sein. Und wer weiß, vielleicht offenbart es im Laufe der kommenden weiteren Präsentationen ja doch noch eine echte, eigenständige Idee.
Vor 2011 ist mit Dungeon Siege nicht zu rechnen, dann soll es für PC und diesmal auch für PS3 und Xbox 360 erscheinen.