Dying Light 2: Stay Human angespielt: Lest, was das neue Zombie-Spiel zu bieten hat
Vier Stunden in dem neuen Zombie-Open-World-Titel: Open-World-Erkundung, flüssige Parkour-Einlagen und reichlich Rollenspielelemente machen Lust auf mehr.
Auf geht es das erste Mal Spielen mit dem neuen Dying Light 2, zuvor nur kurz und knapp die Vorgeschichte: Im Jahr 2014 konnte die Ausbreitung eines modifizierten Tollwuterregers in der türkischen Stadt Harran nur durch einen radikalen Luftschlag verhindert werden. Dachte man zumindest, denn einige Jahre später entweicht das Virus erneut aus einem Labor und infiziert den Großteil der Weltbevölkerung, die sich in hungrige Menschenfleischfresser verwandelt. Dying Light 2: Stay Human spielt 15 Jahre nach der Zombiekalypse, in der der klägliche Rest der Zivilisation in verfallenen Städten haust und modernes dunkles Zeitalter erlebt.
An dem Punkt beginnt die Reise mit dem frischen Helden Aidan Caldwell, der auf der Suche nach seiner Schwester Mia in die Stadt Villedor kommt und zur Begrüßung von einigen unfreundlichen Einwohnern gleich mal aufgeknüpft werden soll. Warum so feindselig? Der Grund ist schnell erklärt, Aidan trägt keinen Biomarker, ein elektronisches Band, welches mit einem grünen Licht anzeigt, dass keine Virus-Infizierung besteht. Bandlose werden, ohne groß zu fragen, zügig beseitigt. Sicher ist sicher. Glücklicherweise wird Aidan im letzten Augenblick gerettet, mit einem Marker ausgestattet und findet sich mitten in einem Ränkespiel verschiedener Fraktionen wieder, die mit harten Bandagen um die Vorherrschaft in Villedor kämpfen.
Dying Light 2 - Willkommen im modernen Mittelalter
Bevor ich mich auf die ausgiebige Storymission begebe, die für den Anspieltermin freigeben wurde, schaue ich mich erst einmal in der offenen Spielwelt um. Villedor ist riesig, eine einst stolze Metropole im Zustand des fortgeschrittenen Zerfalls. Hochhäuser sind von Pflanzen überwuchert, der Strom weitflächig ausgefallen und Lager von den Bewohnern mit kruden Wehrtürmen und Holz-Barrikaden zum Schutz gegen Infizierte und Banditen notdürftig befestigt. Modernes Mittelalter nennen die Entwickler von Techland ihre schick in Szene gesetzte Vision einer in den letzten Zügen liegenden Zivilisation, die sich mit einfachen Mitteln behelfen muss.
Am besten lassen sich die abwechslungsreich gestalteten Stadtbezirke aus luftiger Höhe erkunden. Dank Aidans Parkourfähigkeiten kein Problem, mit denen ihr geschmeidig über die Dächer spurtet. Ihr kommt schnell in einen Flow, wenn Aidan an Fassaden hochklettert und Lücken zwischen den Häusern überspringt. Allerdings sollte man dabei nie die Ausdaueranzeige aus dem Blick verlieren, denn jede Bewegung kostet Kraft. Nicht nur einmal landet Aidan unsanft auf dem Asphalt, weil ich dachte, ein Klimmzug ist doch bestimmt noch drin. War er aber nicht, und die Wiederbelebung erfolgt meist in seinem Appartement ein gutes Stück vom letzten Absturz entfernt.
Apropos schnelle Fortbewegung: Mit dem Gleitschirm bekommt Aidan etwas später im Spiel ein wichtiges Werkzeug, um weite Entfernungen zügig zurückzulegen. Auch bei einem todesmutigen Sprung aus dem zehnten Stock rettet der handliche Paraglider im Rucksack das virtuelle Leben, wenn ihr kurz vor dem Aufprall an der Reißleine zieht und sanft die letzten Meter hinab gleitet. Mit ein bisschen Übung lässt sich der Gleitschirm sehr präzise steuern und Aidan erreicht nicht nur ungeahnte Höhen, sondern auch ansonsten durch Klettereinlagen unerreichbare Zugänge. Hilfreich sind dabei Kanaldeckel aus denen gut sichtbar heiße Luft entweicht, die geben dem Gleiter Auftrieb und Geschwindigkeit. Werden mehrere Auftriebspunkte nacheinander genutzt, lässt sich jedes noch so entlegene Ziel erreichen.
Tank, Medic oder Brawler, was wollt ihr in Dying Light 2 sein?
Ebenso elegant und fließend wie die Parkourläufe erweisen sich auch die Kämpfe, wenn ihr es denn so wollt. Grundsätzlich lassen sich die tagsüber umher schlurfenden Standard-Infizierten und einfaches Banditenpack auch mit einigen kräftigen Hieben ins digitale Jenseits befördern. Dazu stehen eine ganze Reihe martialischer Mordinstrumente, wie Beile, Macheten oder der gute alte Baseballschläger mit rostigen Nägeln, zur Verfügung. Davon findet ihr fast an jeder Ecke ein Exemplar und tauscht so eure Waffe, wenn ihre Haltbarkeit sich erschöpft hat und nicht mehr zum Angriff taugt.
Bekommt Aidan es mit anspruchsvollen Gegnern zu tun, ist taktisches Kämpfen angesagt. Ducken, wegrollen, im richtigen Augenblick parieren, so lassen sich auch Zwischenbosse und die in der Nacht deutlich angriffslustigeren Infizierten bezwingen. Eine frühzeitige Spezialisierung auf eine der drei Klassen Tank, Medic oder Brawler unterstützt dabei euren favorisierten Kampfstil. Nutzt ihr Ausrüstung mit Tank-Spezifikation haltet ihr mehr Schaden aus, ein Medic bekommt mehr Lebensenergie beim Heilen und ist flinker unterwegs. Als Brawler werden die ausgerüsteten Waffen deutlich schlagkräftiger.
Zudem lassen sich manche Waffen noch mit Modifikationen veredeln und zum Beispiel mit Gift-, Strom- oder Feuerschaden anreichern. Nach einem verlorenen Bosskampf gegen den stummen Hünen Hermann mit seinem Mords-Vorschlaghammer habe ich meiner vergleichsweise mickrigen Axt Feuer und Strom als zusätzlichen Schadenbringer hinzugefügt. Aus dem mächtigen Boss wurde ein trauriges Etwas, das nach drei Hieben lichterloh brannte, unter Stromschlägen zuckte und ruckzuck den Lebensbalken verlor. Wahrscheinlich wird es in der finalen Version des Spiels nicht mehr möglich sein, sich so einfach ein derartiges Waffenmonstrum zu basteln. Das haben mir zumindest die erstaunten Mitarbeiter von Techland gesagt, die den Kampf beobachtet haben.
Habt ihr keine Lust euch immer mitten ins Gewühl zu stürzen, dann nutzt Pfeil und Bogen. Besonders in Missionen, in denen Banditenlager ausgeräuchert werden müssen, macht es den Auftrag erheblich einfacher, wenn so viele Gegner wie möglich aus der Ferne ihr Ende finden. Mit dem Fernglas wird vorab die Situation ausgekundschaftet und Feinde dabei gleich markiert. Ein paar gut gezielte Pfeile für die Wachposten und dann erst schleicht ihr ins Lager und meuchelt die Überlebenden und den zähen Kommandanten dahin. Mit etwas Stealth-Geschick erobert ihr so schnell und gefahrlos den Bereich und freut euch über eine neue Safe-Zone sowie fette Beute.
Level Up: Mehr Action-RPG im Parkour-Runner wagen
Was mit gut gefallen hat: Dying Light 2: Stay Human hat sich zu einem ausgewachsenen Action-RPG gemausert. Um die Fähigkeiten von Aidan zu verbessern, verteilt ihr nach Rangaufstiegen Punkte und schaltet neue Kampf- oder wahlweise Parkour-Skills frei, von denen jeweils gut zwei Dutzend zur Verfügung stehen. Zudem bastelt ihr euch aus gesammelten Materialien Waffenverbesserungen, Mods, Medizin sowie andere nützliche Verbrauchsgegenstände und optimiert eure Kleidung. Jede Menge Hosen, Jacken, Shirts, Armschienen oder Handschuhe, die allesamt unterschiedliche Wertverbesserungen spendieren, sammeln sich mit der Zeit in eurem Inventar an. Damit ihr nicht den Überblick verliert, sind alle Waffen und Ausrüstungsgegenstände mit einer gängigen Farbcodierung, von weiß für gewöhnlich, blau für selten oder lila für einzigartig, versehen.
Die besten Gegenstände bekommt ihr nicht nur nach dem erfolgreichen Abschluss einer Haupt- oder Nebenmission, sondern findet auch in der offenen Welt Kisten mit wertvoller Beute. Allerdings müsst ihr dazu ein gehöriges Risiko eingehen und euch tagsüber in die Häuser der Dark Zones wagen, in denen sich die UV-Licht-scheuen Infizierten zurückziehen, bis die Nacht anbricht. Da hilft nur schleichen und beten, dass ihr nicht ein plötzliches Geräusch mitten in einem Zombienest verursacht und dann blitzschnell von den Monstern umzingelt werdet.
Gegen eine Handvoll halb vermoderter Normalo-Zombies, wie "Virals" oder "Biter", könnt ihr noch entkommen, wenn ihr schnell einen Weg nach draußen ins schützende Sonnenlicht findet. Tauchen Mutationen auf, dann wird es allerdings kritisch. Ihr bekommt es immer wieder mit "Agiles" oder "Volatiles" zu tun, die sich fast so flink wie Aidan bewegen, massige "Goons", "Bomber", die sich in die Luft sprengen oder dem neuen "Revenant", der einen giftigen Nebel ausstößt und seinen Mitinfizierten in der Nähe noch einen Buff verpasst.
Dying Light 2 - Hier seid ihr verraten und verkauft
In Villedor ringen mehrere Fraktionen um die Vorherrschaft. Mit den Survivors und den Peacekeepers, die übrigens gar nicht mal so friedlich sind, sondern mit Gewalt einen Polizeistaat installieren wollen, bekommt Aidan es in der gespielten Storymission zu tun. Welche Seite ihr unterstützen wollt, das entscheidet ihr. Verlassen könnt ihr euch auf die Versprechungen der Fraktionsführer sowieso nicht, denn jeder verfolgt seine eigene Agenda und Aidan ist wenig mehr als ein Werkzeug, um dem jeweiligen Gegner ins Handwerk zu pfuschen.
Allerdings habt ihr mit euren Entscheidungen einen wesentlichen Einfluss auf die Weiterentwicklung der Spielwelt. Narrative Sandbox nennen die Entwickler die Option, an neuralgischen Story-Punkten tiefgreifende Machtverschiebungen vorzunehmen. Ein Beispiel aus der Anspielmission: Die überlebensnotwendige Wasserversorgung der Stadt ist in Gefahr, denn die Brüder Joe und Jack halten den Wasserturm besetzt und wollen das knappe Gut nicht mehr rausrücken. Sobald Aidan vor ihnen steht, unterbreiten die finsteren Gesellen ihm ein unmoralisches Angebot und ihr habt 20 Sekunden Zeit, darauf einzugehen und sie ziehen zu lassen oder den beiden die Rübe einzuschlagen. Ich habe mich für die Rübe entschieden und nach einem knackigen Bosskampf die Wasserversorgung gesichert.
Übergebt ihr die wichtige Einrichtung den Peacekeepers, installiert die Fraktion in den von ihnen kontrollierten Bezirken Autobomben, die im Kampf gegen Zombiehorden nützlich sind. Wählt ihr die Survivors, werden mehr Seilrutschen aufgestellt, mit denen ihr euch schnell durch die Gegend bewegt. Im Spielverlauf lassen sich mehrere wichtige Einrichtungen erobern, beispielsweise ein Umspannwerk, mit dem die Stromversorgung wiederhergestellt wird. So nehmen eure Entscheidungen einen erheblichen Einfluss auf die weitere Ausrichtung von Villedor.
In den vier Stunden Spielzeit konnte ich mich nur auf die Story-Missionen konzentrieren. Schade eigentlich, denn die lebendige Spielwelt bietet reichlich Raum zur Erkundung, eine Vielzahl an Nebenmissionen und interessante Orte, die ich gerne besucht hätte, so aber erst einmal ignorieren musste. Aber Februar 2022 ist ja nicht mehr so lange hin - Bedenken über weitere Verschiebungen schieben wir mal zur Seite -, dann geht es zurück in die Welt der Infizierten und dann werde ich Villedor ganz nach meinen Vorstellungen formen. Ich freue mich schon drauf.