E3 2012: Die Sony-Show - Kommentar
Quantic Dreams neues Spiel, Vita als Sorgenkind und The Last of Us endlich in Aktion
Und da war es auch schon wieder vorbei. Hat gar nicht wehgetan - okay, vielleicht ein Mal kurz, weiter hinten - aber auf dem Papier war das hier eine E3-Pressekonferenz, die nicht durchweg begeisterte, aber vollkommen in Ordnung ging. Vier wirklich neue IPs in Aktion gab es immerhin zu sehen. Zugegeben, nur zwei davon waren bisher nicht angekündigt und von den anderen beiden auch nur eine wirklich überzeugend. Trotzdem überwog das Gefühl, hier nicht nur Fortsetzungen bekannter Erfolgsrezepte zu erleben. Schon klar, ein bisschen hofft man jedes Jahr, zumindest einen Ausblick auf die neue Konsolengeneration zu bekommen. Wenn man jedoch auf die Geschichte der E3 zurückblickt, war die Dichte an Gerüchten vor der Enthüllung einer neuen Plattform immer eine ganz andere als in diesem Jahr.
Angesichts Sonys fast schon legendärer Unfähigkeit, Hardware-Geheimnisse bis zu ihrer angedachten Vorstellung unter blickdichten Laken zu halten, war in diesem Jahr besonders von dem japanischen Konzern nicht wirklich Konkretes in dieser Richtung zu erwarten. Wirklich schade ist hingegen, dass die ansonsten unterhaltsame Show mit der eigentlich so tollen PlayStation Vita einen etwas unglücklichen Verlierer hervorbrachte. Mittlerweile darf es schon ein bisschen mehr als ein überzeugendes Konzept sein. Wir wollen Spiele sehen. Viele davon. Und am besten noch in diesem Jahr.
Beyond
Nachdem Sonys Amerika-Chef Jack Tretton den PlayStation-Fans zur Einleitung eine ordentliche Bauchstreichel-Einheit verpasst hatte, kam der Konzern gleich mit der größten Überraschung des Abends aus den Startlöchern: Hatte man das neue Spiel der Heavy-Rain-Macher Quantic Dream nach dem Kara-Video von vor ein paar Monaten im Geiste auf circa 2016 datiert, zeigt David Cage schon jetzt erstaunlich fertig wirkende Szenen aus dem neuen Titel. Der Androide aus dem letzten Tech-Video war allerdings nirgends zu sehen, stattdessen schauspielerte niemand Geringeres als Juno-Darstellerin Ellen Paige von der Leinwand des Convention Centers herab. Gleichzeitig lieferte sie damit die Antwort auf die Frage, warum Naughty Dog das Gesicht des jugendlichen Sidekicks Ellie aus The Last of Us nachträglich noch etwas ändern musste. Hier hat das Uncharted-Studio zweifellos gesteckt bekommen, dass man sich optisch mit einem anderen First-Party-Entwickler auf Kollisionskurs befand.
Das Spiel selbst wirkte erneut extrem filmisch. Gestalterisch nah an Heavy Rain geht es jedoch wohl in eine übernatürlichere Richtung, denn die verstörte Jodie Holmes steht wohl mit einem jenseitigen Geist im Bunde, der ihr Kräfte verleiht oder sie beschützt. Auffällig war vor allem, dass Quantic durch die aus dem Kara-Video bekannte Technologie selbst auf der betagten PlayStation ungeahnt realistische Augenbewegungen und nuancierte Gesichtsausdrücke herauskitzelt. Hier und da blitzt noch der Spiele-Roboter durch. Die Stellen, an denen man die Figuren für beinahe menschlich hält, sind aber deutlich häufiger als in anderen Spielen zuvor - Quantics eigene ebenso wie die vom Rest der Welt. Ob sich das alles spielerisch gehaltvoller gestaltet, und ob Cage vielleicht mittlerweile auch ein paar Kurse kreatives Schreiben besucht hat, lässt sich natürlich noch nicht beurteilen. Der Ansatz, Jodie über einen Zeitraum von 15 Jahren durch Höhen und tiefen ihres Lebens zu begleiten, unterstreicht aber einmal mehr, dass die Franzosen immer noch gewillt sind, den Spieler in unkonventionelle Szenarien zu werfen. Schade, dass sich Cage am Ende wieder mit Superlativen in Richtung emotionalen und erwachsenen Spielen überschlägt, trotzdem nimmt man ihm das Versprechen einer erinnerungswürdigen Reise ab, denn das war auch Heavy Rain trotz aller Probleme. Sicherlich eine der überraschendsten Ankündigungen der Messe.
PlayStation All-Stars - Battle Royale
Bis auf dem Elefanten im Raum, dass Sony sich hier beispiellos ungeniert bei Nintendos Super Smash Bros. bedient, gefiel auch die Präsentation des massentauglichen Chaos-Prüglers. Die schönste Überraschung hier war die Ankündigung der Version für die PS Vita. Nicht so sehr wegen des Spiels selbst, sondern weil sie mit der PS3-Version komplett kompatibel sein wird. PS-Vita-User und PS3-Spieler treten in jeglicher Konstellation gegeneinander an und spielt man allein, darf man den Save seiner PS3-Version auch unterwegs mit dem Handheld weiterspielen. Genau diese Art von Integration ist es, die das Modell eines unifizierten PlayStation-Kosmos aufgehen lassen könnte und die Vita zu mehr als einem Ersatzgerät machen könnte. Hoffentlich kommt es gleichzeitig, sonst nützt alle Vernetzung nichts. Und wie der Anreiz aussehen soll, sich auf beiden Plattformen dasselbe Spiel zuzulegen aussehen soll, würde mich schon noch interessieren.
Das Spiel selbst versprüht trotz des hohen Plagiatsfaktors eine Menge Charme, weil alle Figuren von Fat Princess über Sly Cooper bis hin zu Kratos und Sweet Tooth in ihrem eigenen Stil gehalten sind und ihre asymmetrischen Skills für unvorhersehbare Kämpfe bürgen. Etwas Sorge machte mir lediglich das etwas undurchsichtige Score-System. Eine Punktestands-Anzeige gab es nicht, Skills und Tode wurden offensichtlich miteinander verrechnet, aber irgendwie wusste ich nicht so recht, wer gerade vorne lag und das könnte den Fights ein bisschen die Spannung und das am Ende einer Smash Bros. Runde normalerweise herrschende flirrende Chaos nehmen. Die Ankündigung von Nathan Drake und dem Big Daddy aus Bioshock als neue Ergänzungen zur Charakterriege des Spiels vollendete den Eindruck eines unterhaltsamen, aber immer noch befremdlich und unverfroren wirkenden Titels ab.
PS Vita - Gute Ideen und doch große Leere
Es sah zu diesem Zeitpunkt noch nach einem guten Abend für die PS Vita aus, doch danach gab es hauptsächlich nur gute Ideen zu hören. Was neue Spiele für das Quad-Core-Handheld betraf, enttäuschte der Rest von Sonys Kundgebung. Call of Duty: Black Ops Declassified erfuhr nicht mehr als ein müdes Namedropping, das Tretton gleichzeitig dazu nutzte, das enttäuschende Resistance : Burning Skies unter den Teppich zu kehren. Den kommenden Blockbuster-Ableger bezeichnete er kurzerhand als "ersten multiplayertauglichen Triple-A-Ego-Shooter" der Plattform.
Von Ubisoft kommt unterdessen ein Spin-off des dritten Assassin's Creed mit dem Untertitel Liberation. Hier spielt man einen weiblichen Attentäter, aber so richtig wollte der Trailer aus Spielszenen nicht begeistern. Es verströmte trotz aller Frische, die das neue Szenario in die Serie hineinpustet, irgendwie den Eindruck einer abgespeckten Handheld-Version. Ganz wie sie die PSP so oft von erfolgreichen Marken bekam. Dass mit Ubisoft Sofia nicht unbedingt das A-Team mit dem Titel betraut ist, passt da ganz gut ins Bild. Immerhin gibt es Güter zum Handeln mit der "großen" Version und Dinge, die man auf der jeweils anderen Konsole wird freischalten können. Ab dem 30. Oktober im Bundle mit der Vita zu haben. Mal schaun.
Sonst warf Tretton hauptsächlich die blassen Schatten einer tollen PSP-Zukunft in den Saal: Ein DLC für LittleBigPlanet 2 namens Cross-Controller, der - sofern die Technik hält, was sie verspricht und es die Entwickler dann auch nutzen - Nintendos Wii U ein bisschen den Wind aus den Segeln nehmen könnte. Hier soll die Vita als Touch-Controller mit Tilt-Sensoren als zusätzliches Fenster zum kleinen, großen Planeten dienen. Dazu kommen noch die PSone Classics, die nun auch auf dem Tragbaren funktionieren sollen. Mehr neue Spiele wären vermutlich nicht nur mir lieber gewesen. Dafür gibt es Video-Streaming per Youtube, Crackle und Hulu Plus bald auch auf der Vita. Die Frage bleibt dennoch: Wie will man mit diesem Aufgebot das Weihnachtsgeschäft gegen das im zu dieser Jahreszeit traditionell toll aufgestellte Nintendo und seinen günstigeren 3DS bestreiten?
Im Westen nichts Neues? Ubisoft: "Au contrair!"
Ein paar Zahlenspiele Trettons und dem Versprechen einer Ausweitung des PS-Plus-Angebots um kostenlose Titel der Marke inFamous 2, LittleBigPlanet 2 und Saints Row 2 später pries der Amerikaner die Partner des PSN: Amazon Instant Video, Cinema Plus, Hulu Plus und diverse Sport-Sender, die ebenso schwer zu überblicken, wie sie vermutlich knifflig in unseren Breiten zu empfangen sind. Ein Lob Trettons galt auch der hohen Vernetztheit der Spiele-Geräte. 80 Prozent aller PS3s und Vitas seien online. Ehrlich gesagt wundert mich heutzutage aber in erster Linie, dass die Zahl nicht noch höher ausfällt. Bevor es zu dröge wurde, hatte Ubisoft dann aber einen Gastauftritt auf der Sony-Bühne, bei dem man der Entwickler ganz nebenbei einen außerordentlichen Willen demonstrierte, Assassin's Creed mit dem dritten Teil wirklich einen neuen Anstrich zu verpassen.
Kurzum: in AC3 geht es auch zur See: Connor macht demnach auch die Karibik des 18. Jahrhunderts als Kapitän seines eigenen Schiffes unsicher. Die volle Kontrolle habe man, so der Ubisoft-Vorspieler, über die Steuerung des Schiffes und dessen Kanonen. Eine Seeschlacht entbrennt, die über die Schultern des Assassinen-Halbbluts schön packend in Szene gesetzt wurde. Besonders das Wasser und der dynamische Wellengang wussten zu beeindrucken. Das Wettersystem ließ mitten in dem Seekampf sogar einen Sturm aufziehen, bei dem das Schiff mit ungeheurer Wucht riesig aufgepeitschte Wasser-Steilwände emporschoss. Offenbar war es möglich, verschiedene Elemente der gegnerischen Kähne unter Feuer zu nehmen und als das letzte Geleitschiff der Feindfregatte mit zerknickten Masten im Nass trieb, begann eine spektakuläre Entersequenz, die aber abbrach, bevor es ans eingemachte ging. Das hatte man so nicht von der Reihe erwartet. Schön, dass Ubisoft noch andere Dinge einfallen, als die fehlgeleiteten Tower-Defense-Einkreuzungen aus dem letzten Teil. Ich hab auf einmal wieder Lust auf die Reihe.
Die von Ubisofts Dan Hay - einem Mann mit einer Stimme, mit der er in den 80ern unweigerlich Actionheld geworden wäre - erstmals vorgestellte Vier-Spieler-Kampagne von Far Cry 3 hingegen ernüchterte ein wenig. Nicht weil sie jetzt über die Maßen schlecht ausgesehen hätte, sondern weil sie optisch Meilen von der PC-Version entfernt ist. Die sah bisher nämlich immer unfassbar gut aus, während auf der PS3 die Farben künstlicher wirkten und Teile der Vegetation erst in 30 Metern Entfernung ins Bild ploppten. Obendrauf gab es schlimmes Tearing und ein etwas konfuses Gameplay - was allerdings auch an den schnellen Schnitten zwischen den vier Spielern liegen kann - und schon war der makellose Glanz der bisher vorgeführten Referenzvariante verflogen. Far Cry 3 ist wieder von dieser Welt. Zumindest wenn man keinen spieletauglichen PC besitzt. Eine ehrliche Präsentation war es trotzdem.
Move, PlayStation Eye und J. K. Rowling bremsen die PK
Der eindeutige Tiefpunkt - neben der Erkenntnis, dass Sony die PS Vita aktuell allein mit schönen Einfällen über Wasser zu halten gedenkt - war die Präsentation des neuen AR-Spielzeugs Wonderbook. An sich kein schlechtes Produkt, durch neue Geschichten von J. K. Rowling im weiteren Umfeld Harry Potters und eine interessante Hardware-Idee konzeptionell sogar ziemlich interessant, war die interaktive Seite dieses Augmented-Reality-Bilderbuches für alle Anwesenden eher ermüdend. Am hellhörigsten machte da noch, dass die Oscar-Gewinner von Moonbot Studios mit Diggs Nightcrawler eine Noir-inspirierte AR-Buchreihe in der Mache haben. Erinnerte von den Bildern her ein bisschen an Grim Fandango mit Fleisch auf den Rippen. Schade, dass wir statt der seichten Zauberstunde nicht das präsentiert bekommen haben.
Diese Sorte Produkt schießt auf der E3 traditionell an der Kernzielgruppe vorbei, wird aber trotzdem immer wieder vorgestellt. Mit derartigen Dingen sollte man sich in Zukunft doch eher kurz fassen und die Berichterstattung eher der General-Interest-Presse nahelegen. Wird trotzdem nicht passieren. Folglich erntete Sonys Andrew House im Anschluss an die Präsentation einen hämischen Lacher, als das platte Grußwort der weltberühmten Autorin nicht als Video vorlag, sondern in wenigen geschriebenen Zeilen an die Wand geworfen wurde.
God of War Ascension
Bevor Andrew House die Bühne für den griechischen Schlächter räumte, verkündete er zunächst noch die Umbenennung der PlayStation Suite in PlayStation Mobile. PlayStation zertifizierte Spiele laufen ab jetzt auch auf Android-Geräten des neuen Partners HTC. Das Bild, einen Sony-Funktionär mit einem Gerät des mit Samsung härtesten Konkurrenten im Bereich Smartphones in der Hand zu sehen, ist sicher das, was vom letzten Punkt auf Houses Teleprompter am meisten hängen blieb. Sony Santa Monicas Vorführung des neuen God of War - Ascension machte es etwas besser. Ich würde lügen, wenn ich behauptete, dass mich der allgemeine Spielablauf noch in Wallung bringen würde - fünf Spiele von der Sorte reichen mir mittlerweile eigentlich. Trotzdem hatten sich mich am Ende dann doch wieder: als nach der üblichen Schlachterei gegen ziegenköpfige Monstren und einen Elefantenmenschen, der ganz bestimmt nicht Teil der griechischen Mythologie war, ein gewaltiges Monster seine Tentakel aus der See schießen lässt, wird es auf einmal wieder extrem aufregend. Kamerafahrten und Inszenierung bezeugen erneut die große Klasse des Entwicklers. Und zwar besser als es der kürzlich vorgestellte Mehrspieler-Modus konnte. Die kurzen Augenblicke nie gesehenen Spektakels reichten, um mich davon zu überzeugen, den Titel im Blick zu behalten. Der 12. März wird zeigen, ob Ascension jenseits solcher Spitzen das Interesse halten kann.
The Last of Us - Der buchstäbliche Show-Stopper
Die Beschreibung der ersten konkreten Gameplay-Szenen von The Last of Us kann ich mir dank der Wunder des Internets wohl sparen. Ihr habt ihn ohnehin schon hier auf der Seite gesehen (siehe oben). Daher nur so viel: Das Gezeigte sieht absolut hervorragend aus und Naughty Dog scheint seinen Fokus auf lobenswerte Weise von den Massenkämpfen aus Uncharted auf strategischere, kleinere und dafür umso intensivere Kämpfe gelegt zu haben. Die Frage ist nur, wie sehr der Ablauf einem festgelegten Skript unterliegt. Es sah alles beinahe zu perfekt aus, jede Reaktion eines Gegners auf das überraschende (?) Auftauchen des Spielers könnte aus einem perfekt geschnittenen Film kommen und zu keinem Zeitpunkt hat man das Gefühl, Naughty Dog hätte auch nur irgendetwas dem Zufall überlassen. Im Grunde wirft diese Präsentation die gleichen Fragen auf, wie frühe Bilder des Tomb-Raider-Reboots. Hier könnte sich das Survival-Gameplay auf unangenehme Weise mit einer eingeengten Spielwelt und durchchoreografierten Feindbegegnungen reiben.
Eine andere Sache, die ich ein wenig Besorgnis erregend fand, war die drastische Gewaltdarstellung. Jeder einzelne Feind verfügt über ein hochdetailliertes Gesicht mit lebendigen Augen, die im Todeskampf im Würgegriff des Hauptcharakters verzweifelt über die Umgebung huschen. Das ist hart an der Grenze des Erträglichen. Sicher passt es hier zur Situation und dient dem Zweck, die Kälte dieser Welt zu unterstreichen, das Raunen, das bei der Exekution des letzten Feindes durch den Saal ging, sagt aber einiges über die Wirkung solcher Tötungsszenen. Man kann dennoch nicht umhin, die perfekte Inszenierung der überwucherten Metropole und die tollen Sprecher zu loben, die den Figuren gekonnt Leben einhauchen.
Gute Nacht und viel Glück!
Nach einem gemeinen Kalauer Trettons im Anschluss an den finalen Kopfschuss der Last-of-Us-Demo zog der Sony-Boss erneut die Samthandschuhe über, um der Community mit Worten die Füße zu massieren. Es war eine Show mit wenigen wirklichen Überraschungen und der einen oder anderen Länge, aber auch vielen guten Ideen, von denen man sich wünscht, Sony würde sie intensiver verfolgen, als Me-Too-Experimente wie etwa Move. Der hardwareseitige Nichtangriffspakt mit Microsoft wurde um ein weiteres Jahr verlängert und so fällt es nach dieser Vorstellung nicht schwer, Tretton beim Wort zu nehmen, wenn er verspricht, "the best is yet to come". Und wenn er nicht die Nintendo-Pressekonferenz meint, dann bleibt nicht allzu viel übrig.