E3 2012 - Gewinner, Verlierer und was es sonst gab - Kommentar
Konnte die Messe die Erwartungen erfüllen? Hatte man eigentlich welche? Hoffentlich nicht.
E3 2012. War da was? Schon wieder vorbei? Uups.
Eine so irrelevante Show hatten wir schon lange nicht mehr, da muss man nicht um den heißen Brei herumschleichen. Mit ganz, ganz, ganz wenigen Ausnahmen war praktisch alles bekannt, was passierte, die Keynotes zum allergrößten Teil mal gelungene, mal grenzpeinliche, mal sprachlich surreale Selbstbefeierung der Leute, die viel Geld ausgaben, um sie zu veranstalten. Daran an sich gibt es nichts auszusetzen, so soll es ja auch sein, aber eigentlich sollte das frenetische Klatschen nicht einsetzen, nur weil Master Chief oder Mario übers Bild wuseln. Überschwängliche Freudenbekundung sollte einsetzen, wenn sie etwas tun, wenn in einem Spiel auftauchen oder wenn sie eine gänzlich neue Konsole in der Hand halten, von denen wir ein paar Stunden zuvor nichts ahnten.
2012 Fehlanzeige. Hätten sich nicht wenigstens Ubisoft und Sony erbarmt und sich nicht Watch_Dogs, Splinter Cell: Blacklist und Beyond für diesen Moment aufgehoben, dann wäre diese Show ohne Neuigkeiten ausgekommen. Oh, halt eine gab es doch und sie tauchte da auf, wo man sie nicht unbedingt vermutet hatte: Im Entertainment-Mittelteil der Microsoft-Show. Warum wurde Smartglass eigentlich nicht mit den Worten "Guckt mal, wir können auch Wii U. Ganz nebenbei. Auf einem iPad." vorgestellt? Wahrscheinlich weil sich dafür irgendjemand bei Microsoft der Tatsache bewusst hätte sein müssen, dass die E3 technisch gesehen zwar Entertainment im Titel hat, aber doch eine Spielemesse ist. Medialer Crossover wurde bei Microsoft ganz groß geschrieben, Smartglass und Kinect sollen Filme und Musik auswählen, der Internet Explorer kommt auf die Xbox (ist das jetzt wirklich eine große Sache oder bleibe nicht nur ich hier unberührt...?) und auch ESPN mag ganz toll sein. Aber für uns hier ist Baseball in der Breitenwirkung eher eingeschränkt und außerdem ist es kein Baseballspiel. Das wäre zwar auch nicht spannend, aber wenigstens ein Spiel. Statt dessen verlässt sich Microsoft auf sein Zugpferd Halo, setzt mit Forza ein wenig nach und schließt das Ganze sehr passend mit Black Ops 2 ab.
Aber vielleicht ist die Sensation wirklich der Aufwand, mit dem Microsoft seinen Entertainment-Bereich ausbaut. Und warum auch nicht? Mit Windows Media Center Edition wurde der Traum, einen PC in alle Wohnzimmer zu bekommen nicht wahr. Nun jedoch passiert etwas noch Besseres: In vielen Wohnzimmern steht ein Gerät, dass all das kann, aber unter hundertprozentiger Steuerung des Konzerns steht. Wer glaubt, dass diese oder auch die nächste Generation von Konsolen die Letzte sein wird, dürfte sich getäuscht haben, denn dass Microsoft dieses eroberte Terrain wieder herausrückt, kann ich mir nicht im Entferntesten vorstellen. Das, was eine Spielkonsole in Zukunft sein wird, dürfte sich ändern, vielleicht ist es irgendwann wirklich nur noch eine Streaming-Box, aber auf die dann etablierten Nutzer, Inhalte und die Kontrolle über das Entertainment-Angebot der für den Service ebenfalls zahlenden Content-Anbieter wird kein Konzern verzichten. Insoweit war diese dröge halbe Stunde der Microsoft-Show ganz interessant, aber auf der E3, in der Kern-Show, fehlplatziert.
Ich würde jetzt ja gerne sagen, dass die Wii U der Showstopper war, der alles veränderte, aber dafür war einfach schon zu viel im Vorfeld bekannt. Nichts gegen die Konsole, nichts gegen die Spiele, aber eine Sensation? Mein Enthusiasmus rührte von der Möglichkeit her, Mario in HD hüpfen zu sehen, aber so viel Freude mir die Aussicht darauf auch bereiten mag, als Messe-Sensation qualifiziert sie das nicht. Auch die Tatsache, dass Nintendo endlich das Online-Spiel für sich entdeckt hat, kann man nur mit sehr viel Zynismus als Aufreger verkaufen. Erstaunt hätte es nur, wenn es nicht so gewesen wäre.
Sony schließlich konnte mit The Last of Us und Beyond Exklusiv-Achtungserfolge einfahren. Zwei vielversprechende Titel, aber wiederum: Sehr schön und überhaupt, der ganz große Enthüllungskracher sieht anders aus. Und warum ist ein Laden wie Sony eigentlich nicht in der Lage, etwas wie God of War IV noch drei Monate länger unter der Decke zu halten und damit dann donnernd die Show zu eröffnen? Wenigstens bei Beyond hat das ja weitestgehend geklappt, sogar mit geschickter Einstreuung einer Tech-Demo im Vorfeld.
Das soll jetzt nicht bedeuten, dass die Spiele, die im Rahmen der E3 2012 vorgestellt und teilweise auch näher beleuchtet wurden, schlecht wären. Praktisch jeder der gezeigten Titel sieht hochwertig aus und wird auf dem einen oder anderen Level gut bis hervorragend sein. Der allgemeine Trend der Fortsetzungen und Nachfolger setzt sich fort, Ausnahmen wie Watch_Dogs, Beyond oder Last of Us bestätigen die Regel. Dass das so ist, dürfte keinen verwundern. Eine neue IP zu erstellen, verschlingt Unmengen an Werbegeldern, die man häufig erst mit den Fortsetzungen wieder einfährt. Da zahlt es sich halt mehr aus, auf vorhandene Namen und etablierte Spielumgebungen zu setzen - und nicht zuletzt den Wiedererkennungswert im Media-Markt-Regal - , zumal sich Entwickler und Hersteller in der Regel sicher sein können, den hohen Qualitätsstandard zumindest zu halten. Man weiß halt wie es geht.
Seien wir ehrlich, jeder von uns hat die eine oder andere Serie, wo er sich durchaus über regelmäßigen Nachschub freut, aber ein wenig Sorgen beginnt man sich ob des Trends schon zu machen. Electronic Arts hat ja einen gewissen Ruf in dieser Hinsicht, aber dass auch von Microsoft nichts Neues kam, war ein wenig schade. Sogar noch erschütternder war es, dass Nintendo - alle Freude über Mario in HD außen vor - keine einzige neue IP im Angebot hatte, die die eigenen Visionen für die Wii U definieren würde. Diese Aufgabe blieb weitestgehend Ubisofts ZombiU überlassen, der hier letzten Nennung einer neuen Marke.
Und wieder, in den nächsten Monaten kommt viel Material, auf das man sich solide freuen kann und das in prinzipiell breiter Auswahl. Ob das nun das neue Castlevania, Halo oder Assassins Creed ist, bleibt jedem selbst überlassen, aber es war wirklich keine Show der Visionen. Eine solide Spiele-Zeit werden die nächsten Monate sein und dass die Gamescom genutzt werden wird, um neue Konsolen zu präsentieren oder sonstiges Revolutionäres zu bieten, darf schon jetzt bezweifelt werden. Frank Gibeau von Electronic Arts hat wohl recht, wenn er dieses Jahr als eine Art Ruhe vor dem Sturm beschreibt, der im nächsten Jahr scheinbar auf uns Spieler zukommt. Wenn das so ist, dann warum nicht? Genug zum Spielen wird es bis dahin wohl geben, selbst wenn sowohl dabei die großen Aufreger fehlen, wie auch die E3 2012 selbst es eher ruhig angehen ließ.
Auf den nächsten Seiten lest ihr ein paar Gedanken aus der Redaktion zur E3 2012.