E3 2018: Ihr irrt euch, was Remedys Control angeht
Wie ein Trailer sein Spiel unter Wert verkauft.
Der Titel hier ist zugegebenermaßen provokant, doch Controls Trailer auf der Sony-Pressekonferenz ließ mich bitterkalt zurück und wenn man sich anschaut, worüber die Leute im Anschluss an die Show sprachen, dürfte ich da nicht in der Minderheit gewesen sein. Ein weiteres Remedy-Spiel mit Telekinese und über die Schulter inszenierten Schusswechseln. Das sah so wahnsinnig bequem aus, dass ich Control in meiner Nachlese des PlayStation Media Briefings zum Spiel kürte, das am langweiligsten aussah.
Es war einfach kein guter Trailer, weil er hauptsächlich zeigte, was man von den Finnen ohnehin immer erwartet. Gleichzeitig wurden auf der Show links und rechts so viele Spiele von stärkerem Profil demonstriert. Den gezeigten Szenen von Control fehlte das Wichtigste: Kontext. Wir sahen nichts, was das Szenario, Prämisse und die Ambition des ehemals nur nebulös als P7 bekannten Spiels genauer umrissen hätte - und das sind eben die Dinge, die Control vom Rest der Action-Adventure Lawine der Sony-PK abheben.
Erst einmal die wichtigste Erkenntnis: Control scheint sich wieder enger an Alan Wake zu orientieren. Zwar emuliert man nicht noch einmal die finstersten Auswüchse David Lynchs, aber die Handlung geht wieder stramm in Richtung Pulp-Horror. Ein Weg, auf dem Remedy wieder zur übernatürlichen Verschrobenheit zurückfindet, die man in Quantum Break so schmerzlich vermisste. Der Weg dorthin führt über die Wahl des Szenarios und der Protagonistin. Control versetzt euch in die Rolle von Jessie Faden, die beim Federal Bureau of Control beschäftigt ist. Eine fiktive Behörde, die sich theoretisch auch in Fringe oder Akte X um seltsame Phänomene kümmern könnte.
Dreh- und Angelpunkt ist "The Oldest House", die möglicherweise magische Zentrale des FBC. Hier spielt sich die komplette Geschichte ab. Beklemmungen muss darüber aber niemand bekommen, denn das mysteriöse Gebäude ist eine "ganze Welt an nur einem Ort", wie Remedys Anna Megill es beschreibt. Ein sich ständig wie von Zauberhand neu konfigurierendes Bauwerk, in der allerhand mächtige und unerklärliche Gegenstände gelagert werden. Thomas Puha von Remedy betont, dass man großen Wert darauflegt, in "The Oldest House" das Weltliche mit allerlei Verrücktheiten aneinandergeraten zu lassen.
Das beginnt damit, dass der Direktor des Bureau von einer fremdartigen Macht umgebracht wird, die nur als "The Hiss" bekannt ist (toller Name übrigens!). Viele andere Mitarbeiter kontrolliert The Hiss wie gehirngewaschen und führt sie als die üblichen Remedy-artigen Feinde gegen euch ins Gefecht. Im Zuge dessen fällt die Verantwortung über die Anlage der jungen Frau zu, mit dem Auftrag, die Invasion abzuwehren, wieder Kontrolle über das mysteriöse Gebäude zu erlangen und seine Geheimnisse zu schützen. Helfen soll Jessie dabei die aus dem Trailer bekannte, lebendige (?) Waffe. Anna Megill beschreibt das mächtige Werkzeug, das im Verlauf unterschiedliche Formen annimmt, als analog zum mythischen Schwert Excalibur aus der Artussage. Denn nur der Direktor kann sie führen.
Der Rest sind die erwarteten Kämpfe unter Kräfteeinsatz, was sich aus dem Spielkontext gerissen so selbstverständlich wie langweilig anhört: Schild aus Umgebungsobjekten formen, Stühle per Telekinese nach seinen Gegnern werfen - diese Dinge eben -, während die ausgefuchste Physik die Umgebung mal wieder schön auf die Kräfte reagieren lässt, die auf sie wirken. Vor dem Hintergrund einer immer in Bewegung und Reformation befindlichen Umgebung, die zu einem nicht eben kleinen Grad auf surreale Traumlogik setzt, und voller mystischer Geheimnisse steckt, klingt das aber auf einmal wieder spannend. Schade, dass uns der Trailer so wenig darüber verriet.
Noch eine Sache, die der Trailer nicht vermittelte: Scheint es angesichts der gekonnt inszenierten, aber vertraut wirkenden Quasi-Superhelden-Action zunächst noch so, als würde Sam Lakes Team sich für Control spielerisch nicht gerade strecken, trauen sie sich in Sachen Ablauf tatsächlich etwas Neues. Die Entwickler nutzen Wörter wie "Sandbox", wenn sie von Control sprechen und erzählen von einem dominanten Erkundungsaspekt, der alternative Pfade samt Nebenquests öffnet, anhand derer man noch tiefer in diese Welt und Charaktere eintauchen kann. Selbst der Begriff Metroidvania fällt, weil man in Bereiche stolpern soll, die erst mit einer bestimmten Fähigkeit zugänglich werden. Weiterhin verspricht man Erzähltechniken, die man von Remedy bisher noch nicht kenne, was durchaus neugierig stimmt.
Und da haben wir es: Einen so starken Jojo-Effekt, nachdem mich erstes Spielmaterial so gar nicht in Wallung brachte, habe ich lange nicht erlebt. Spätestens, wenn der Geist von Jessies verstorbenen Vorgänger beginnt, zu ihr zu sprechen, wird klar, dass Control viel von der übernatürlichen Verschrobenheit mitbringt, die Remedys letztem Spiel schon gutgetan hätte. Quantum Break kam im Kontrast freudlos, unterkühlt und technokratisch daher. Schön, dass sich Remedy für das nächste Projekt offenbar vornahm, wieder etwas mehr Spaß mit seinem Thema zu haben. Eine Wohltat - auch wenn am Ende unterm Strich wieder hauptsächlich effektvoll um sich geschossen wird.
Entwickler/Publisher: Remedy/505 Games - Erscheint für: PS4, Xbox One, PC - Geplante Veröffentlichung: nicht bekannt - Angespielt auf Plattform: -