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E3 2019 - Wolfenstein Youngblood angespielt: Duo Infernale

Zusammen gegen die Besatzung!

Was fällt euch als Erstes ein, wenn ihr an Wolfenstein denkt? Vermutlich dasselbe wie mir: B.J. Blazkowicz. Er ist die Säule der Serie, das Rückgrat der Erzählung. Er ist sozusagen die Lara Croft von Wolfenstein. Und doch wagt Bethesda in Wolfenstein Youngblood quasi die Abkehr von dem renitenten Nazi-Killer. Er rückt vom Mittelpunkt des Geschehens an den Rand, ist nur noch eine Nebenfigur. Die Hauptrolle spielen jetzt zwei andere, neue Gesichter: Soph und Jess.

Die jungen Frauen sind nicht nur Schwestern, sondern Zwillinge. Aber nicht irgendwelche dahergelaufenen, neuen Heldinnen. Sie sind die Töchter von B.J. und Anja, den beiden Freiheitskämpfern. Es sei schon lange geplant gewesen, dass die beiden Zwillinge haben sollten, erst später habe man entschieden, dass sie weiblich sein sollen, sagt Andreas Öjerfors von Machine Games.

Solche Titanen können ganz schön was einstecken - Stichwort: Kugelschwamm.

Die Geschichte der beiden Newcomer spielt etwa zwei Jahrzehnte nach Wolfenstein II: The New Colossus, die Geschwister sind erwachsen. Die Welt in dieser alternativen Geschichtsschreibung ist jedoch noch immer nicht vollends vom Nazi-Joch befreit. In Texas, wo sich die Familie niedergelassen hat, herrscht zwar eitel Sonnenschein. Doch an anderen Orten des Planeten herrschen die Nazis. Und bevor ihr fragt: Ja, in der gespielten Demo gab es jede Menge Hakenkreuze zu sehen, die Entwickler konnten aber nicht sagen, ob das auch in der deutschen Version so sein wird [Anm. Alex: Ned konnte zum Anspieltermin in London noch nicht wissen, wie die Deutsche Version das handhabt: Der neue E3-Trailer zeigt jedenfalls keine Hakenkreuze, es wird allerdings von 'Nazis' gesprochen.]

Weiter im Text. B.J. und Anja bilden ihre Sprösslinge höchstpersönlich aus. Liebevoll und zugleich unnachgiebig bringen sie ihnen den Umgang mit Waffen näher, trainieren die Geschwister im brutalen Nahkampf. Wie intensiv und emotional B.J. dabei vorgeht, lässt Erinnerungen an die Trainingsmission in God of War aufkommen. Im Interview mit Eurogamer verneint Öjerfors aber eine ähnliche Charakter-Progression der beiden Schwestern, die sich selbst als "geborene Nazi-Jäger" bezeichnen. Das notwendige Talent wurde ihnen von ihren Erzeugern sicherlich in die Wiege gelegt. Doch so ganz reibungslos verläuft ihre Karriere als Nazi-Killer nicht, wie der Beginn des Spiels zeigt. Ihr erster Auftrag führt sie nämlich ins besetzte Paris, wo sie einer Spur nachjagen: Ihr Vater ist auf einer geheimen Mission verloren gegangen. Beim ersten Kill ihres Lebens sind sie jedoch alles andere als cool und abgebrüht. Im Gegenteil - sie zeigen Nerven und Emotionen. Aber Wolfenstein geht damit um, wie man es von der Serie kennt: Auf Kotzen folgt erst mal eine Tüte "Zitronensaft" aus der Papiertüte - Made in Germany. Köstlich.

Nach anfänglichem Zögern erweisen sich die Blaskowizc-Nachkommen als formidable Nazi-Killer.

Diese erzählerische Basis ist zugleich die Grundlage für die spielerische Ausrichtung von Youngblood als Koop-Shooter. Jess und Soph bilden sozusagen privat und "beruflich" ein aufeinander eingespieltes Team. Man kann das Spiel aber auch solo zocken, in dem Fall übernimmt die KI die zweite Figur. Wie gut das funktioniert, kann ich nicht sagen, weil ich die Demo mit einem humanoiden Partner absolvieren durfte. "Die KI wird der Führung des menschlichen Spielers folgen", erläutert Öjerfors auf Nachfrage. "Wir hatten einige Ziele, die wir dabei verfolgten. Das Spiel sollte zum Beispiel niemals frustrierend sein. Das heißt, Spieler sollten nicht das Gefühl haben, dass die KI ihnen den Spielfluss vermiest. Also wird die KI-Begleiterin stets an der Seite des Spielers kämpfen. Wenn man scheitert, wird es am Spieler liegen, nicht der KI." Gleichzeitig soll die KI etwas Substanzielles zum Gefecht beitragen, ohne übermächtig zu wirken. Wie gut die Entwickler das hinbekommen, wird man zu einem späteren Zeitpunkt sehen. Spätestens am 26. Juli, wenn das Spiel auf uns losgelassen wird.

Über das allgemeine Gameplay kann ich dagegen mehr verraten. Zum Beispiel, dass sich Youngblood mindestens so rasant, brutal und überdreht spielt wie seine direkten Vorgänger. Wer spritzendes Spieleblut mag, wird wohl seine helle Freude haben. Insgesamt ist das komplette Spiel auf das Koop-Gameplay fokussiert: Die Level sind größer und offener, meistens gibt es zwei Wege zum Ziel, sodass mein Partner und ich von beiden Seiten vorstoßen. Immer wieder gibt es spielerische Interaktionen: Da werden gemeinsam Hebel umgelegt, Türen geöffnet, Codes gleichzeitig oder als Team eingegeben. Ihr kennt das. Aber auch die Gegnerschaft und die Waffen (mehr als früher) sind auf den kooperativen Aspekt ausgelegt. Das heißt: Speziell toughere Feinde können sich schon mal als Kugelschwämme erweisen, in die man ewig und drei Tage reinfeuern muss. Was mich ein bisschen enttäuscht, ist dabei, dass man bei solchen Elite-Gegnern keinen Vorteil davon hat, wenn man etwa taktisch denkt und ihre Versorgungstanks am Rücken attackiert. Selbst zu zweit braucht es eine gefühlte Ewigkeit, um solche Widersacher zur Strecke zu bringen. Öjerfors erklärt das damit, dass man als Spieler nicht zu mächtig werden soll, zumal es mehr Anpassungs-Optionen gibt als zuvor:

Manchmal fragt man sich schon, weshalb Gegner überhaupt Rüstungen und Helme tragen, oder?

Die Schwestern tragen zum Beispiel eine Power Armor, die sich nach eigenen Wünschen upgraden und anpassen lässt. Das gilt auch für die Waffen (mehr Schaden oder größere Magazine) und Skills wie "Dual Wielding". Laut Entwickler ist es nicht möglich, falsche Entscheidungen zu treffen und sich zu "verskillen", da am Ende eh alles freigeschaltet werden könne. Interessant ist, dass sich die Zwillinge gegenseitig mit Buffs (Pep Signals) belegen können. Für einige der Upgrades benötige ich einerseits Erfahrungspunkte, die man automatisch einsackt. Andererseits sammele ich alle Nase lang Silbermünzen, mit denen sich etwa neue Rüstungen freischalten lassen - und diese Münzen kann man auch via Echtgeld kaufen.

Wohlgemerkt: Die Rüstungen sind nicht rein kosmetischer Natur, sie bringen spezifische Fertigkeiten mit. Es sind zwar keine spielentscheidenden Attribute, sondern eher unterstützende Buffs. Trotzdem dürfte das nicht jedem gefallen. Was die Geschwister übrigens außerdem teilen, ist die Anzahl der Leben in einem Level. Stirbt man, verliert man zusammen einen Zähler vom Lebens-Counter. Sterben beide Kämpferinnen, geht es zurück zum letzten Checkpoint. Glücklicherweise könnt ihr euch gegenseitig wiederbeleben und so wertvolle Leben sparen.

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Zu der im Vergleich zu "Colossus" größeren Freiheit gehört auch, dass man die Missionen in beliebiger Reihenfolge spielen kann. Die Katakomben der Resitance in Paris dienen dabei als ein Hub, über den man sich in drei große Gebiete der Stadt bewegt und dort Aufträge absolviert. Die Entwickler vergleichen die Größe der Levels und den Grad der spielerischen Freiheit mit Dishonored. "Diesmal kann man viel mehr Erkunden und Dinge finden oder Nebenmissionen erledigen", verspricht Öjerfors.

Wolfenstein Youngblood spielt sich immer noch so geradlinig wie seine Vorgänger, zeichnet sich durch seine brutale und vollkommen überzeichnete Welt aus. Spielerisch ist der Shooter in dieser Variante aber etwas vielseitiger, wobei das auch an der Koop-Perspektive liegen mag. Hier wird es insbesondere interessant sein, ob Machine Games (und Arkane) eine gute Balance für Solospieler hinbekommen, denn ich bin mir sicher, dass es viele gibt, die das Ding zumindest teilweise auf eigene Faust erkunden wollen.

Dem einen oder anderen mag zudem aufstoßen, dass Blazkowizc keine zentrale Rolle einnimmt - ich persönlich habe ihn in der etwa einstündigen Demo nicht wirklich vermisst. Soph und Jess sind als infernales Duo durchaus in der Lage, den großen Nazi-Killer vergessen zu machen.


Entwickler/Publisher: Machine Games/Bethesda Erscheint für: PC/PS4, Xbox One - Geplante Veröffentlichung: 26. Juli - Angespielt auf Plattform: PC

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