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Echo: Wie ehemalige Hitman-Entwickler euch gegen euch selbst kämpfen lassen wollen

Game Director Martin Emborg spricht über Spiel, Studio und Mainstream.

Das dänische Entwicklerstudio Ultra Ultra veröffentlicht mit Echo am 19. September sein Debütprojekt. Das im Jahr 2015 gegründete Team besteht einerseits aus früheren Mitarbeitern von IO Interactive und andererseits aus Studenten, die die Fachschule "The Game Assembly" im schwedischen Malmö abgeschlossen haben.

Im Science-Fiction-Abenteuer Echo verschlägt es euch wiederum an einen mysteriösen Ort namens "The Palace", wo euch unter anderem alte, längst vergessene Technologien erwarten. Hier kämpft ihr nur gegen euch selbst, denn alle paar Minuten erschafft der Palace Kopien von euch, die euer Verhalten aus den vorherigen Minuten kopieren und es dann gegen euch anwenden. Soll heißen: Schießt ihr primär mit eurer Waffe, schießen sie zurück. Schleicht ihr, reagieren auch die Kopien dementsprechend. Zwischendurch könnt ihr während einer kurzen Reboot-Phase, in der diese neuen "Echoes" erschaffen werden, ohne Konsequenzen agieren und all das tun, was die Echoes nicht von euch lernen sollen.

Auf jeden Fall ein interessantes Konzept, das auf dem Mainstream-Markt so vermutlich nicht möglich wäre. Mit Martin Emborg, Game-Director und Art-Director sowie einer der beiden Gründer von Ultra Ultra, unterhielt ich mich über das neue Studio, ihr erstes Projekt und darüber, wie er vor Kurzem die Trennung zwischen Square Enix und IO Interactive erlebt hat.

Emborg selbst arbeitete knapp zehn Jahre bei IO Interactive und stellte sich irgendwann die Frage: Etwas anderes machen oder an Ort und Stelle verweilen? Am Ende dachte er sich jedoch "jetzt oder nie" und wagte den Schritt in Richtung Unabhängigkeit. Er war der erste der nun bei Ultra Ultra angestellten Ex-IO-Mitarbeiter, die das Studio verließen, und beschäftigte sich erst mal mit Prototypen und Ideen für Echo.

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"Als das Konzept Substanz hatte, gab das den anderen Jungs und Mädels wohl den Ansporn, sich mir anzuschließen. Und so wurde dann Ultra Ultra geboren. Aber nicht alle der ehemaligen IO-Leute arbeiteten noch bei IO. Sie waren schon woanders beschäftigt, aber arbeiteten während meiner Zeit bei IO dort. Es war einfach so, dass die Sterne in diesem Moment günstig standen. Es war wirklich cool. Mit unserem Level-Designer hatte ich immer darüber gesprochen, etwas anderes zu machen. Ein oder zwei Jahre zuvor verließ er IO und arbeitete woanders, bis wir dann wieder Kontakt aufnahmen. Es war einfach der richtige Zeitpunkt", sagt Emborg im Gespräch mit Eurogamer.de.

Erfahrung hat Emborg jedenfalls mehr als genug. Direkt nach der Designschule fing er bei IO an, sein erstes Projekt war Kane & Lynch. Er wurde ins kalte Wasser geworfen, betrachtet seine Zeit bei IO jedoch als weitere Ausbildung.

"Es war toll, an all diesen Spielen zu arbeiten. Irgendwann dachte ich mir dann, dass es an der Zeit wäre, den nächsten Schritt zu gehen. Ich glaube, das passierte nach Hitman: Absolution, als wir mit der Arbeit am neuen Hitman begannen. Ich war in der ersten Hälfte der Entwicklungsphase noch daran beteiligt und ich bin wirklich zufrieden damit, was am Ende dabei herauskam. Sie haben ein fantastisches Hitman-Spiel gemacht. Ich kann zwar nicht für die anderen sprechen, aber es fühlte sich für mich selbst einfach so an, dass es Zeit ist, etwas anderes auszuprobieren", erklärt er.

Die Art und Weise, wie IO Interactive und Ultra Ultra Spiele entwickeln, unterscheidet sich ihm zufolge deutlich. Als kleines Studio sei man sehr viel agiler und alles laufe persönlicher ab. Besonders gut gefällt ihm, dass es keine Meetings gibt: "In einem kleinen Studio nimmt man einfach die Kopfhörer ab, wenn man mit jemandem reden möchte, schaut über den Bildschirm und unterhält sich dann einfach."

"Wenn man in einem größeren Studio arbeitet, ist man von den verschiedenen Prozessen ein wenig abgeschirmt. Man arbeitet wirklich nur an dem, womit man sich beschäftigen soll, und andere kümmern sich eben um ihre eigenen Dinge. Ich denke, in einem kleineren Unternehmen werden all diese verschiedenen Bereiche mehr in den Design- und Denkprozess eingebunden. Ich genieße das wirklich sehr, für mich persönlich ist es eine tolle Veränderung."

Finanzielle Hilfe bei der Gründung von Ultra Ultra bekam man vom "Danish Film Institute". Ebenso erhielt man weitere Zuschüsse, das Danish Film Institute hat das Ganze jedoch sehr unterstützt und man erhalte auch tolles Feedback von ihnen, sagt Emborg. Das alles sei zwar eine tolle Erfahrung gewesen, aber dennoch sei es immer schwierig, mit etwas Neuem anzufangen. Dadurch habe er nun sehr viel mehr Respekt vor all denjenigen, die genau das bewerkstelligen können. Dafür brauche man sehr viel Disziplin und müsse sich nun um all die Dinge wie die Logistik selbst kümmern, für die bei IO noch andere Leute zuständig waren. Für ihn war es definitiv eine Lernerfahrung.

Dem Triple-A-Markt möchte man dabei nicht zwangsläufig den Rücken zukehren, doch seit Emborg bei IO anfing, hat sich der Spielemarkt deutlich verändert und weiterentwickelt.

"Als ich bei IO anfing, konnte keine kleinere Gruppe etwas machen, das nur ansatzweise an die Qualität der großen Studios herankam. Aber durch all die verfügbaren Engines und die Möglichkeit, Spiele online zu veröffentlichen, ist das heutzutage für Leute wie uns machbar. Wir sind zu acht bei Ultra Ultra und unser Ziel war, etwas Hochqualitatives zu entwickeln, aber gleichzeitig auch ein kleineres Produkt. Anstatt also ein teures Spiel wie Hitman zu entwickeln, an dem hunderte Leute arbeiten, wollten wir ein Produkt auf dem gleichen Qualitätsniveau haben, aber bei der Produktion mit einem kleineren Team auf kluge Designentscheidungen setzen", sagt er.

Er ist der Meinung, dass es in Zukunft noch mehr hochqualitative Indie-Spiele geben wird, die die etablierten Triple-A-Titel herausfordern werden. Das bedeute nicht, dass er seine Zeit bei IO bereut, ganz im Gegenteil. Er hat dort viel gelernt und ist stolz auf all die Spiele, an denen er beteiligt war, aber mit einem kleineren Studio könne man eben persönlichere, mutigere Produkte entwickeln, wenn man nicht notwendigerweise darauf achten muss, den Break-even-Punkt zu erreichen oder Millionen von Kunden zufriedenzustellen.

"Wenn man will, kann man so ein paar mutige Entscheidungen treffen. Wir sind unabhängig, haben keinen Publisher und können das Spiel daher so gestalten, wie wir es für richtig halten. Und das ist toll", ergänzt er. Dabei hilft vor allem die Unreal-Engine 4, die man für Echo verwendet. Als er IO verließ, richtete er sich ein kleines Büro ein, lud die Engine runter und konnte dann sofort anfangen. Vom ersten Tag hatte man somit eine Engine auf dem Niveau von IOs Glacier 2. Und genau zu dem Zeitpunkt wurde die Unreal-Engine 4 kostenlos angeboten - man muss sie nicht kaufen, aber einen bestimmten Anteil an Epic abgeben. Das fühlte sich Emborg zufolge wie "Schicksal" an, passte es doch gut mit seinem Ausstieg bei IO zusammen.

Das Konzept von Echo resultiert aus der Idee, ein Spiel zu machen, bei dem die Gegner euren Spielstil kopieren sollten. Nahezu gleichzeitig hatte man jedoch eine gute Vorstellung davon, welche Art von Science-Fiction-Universum man erschaffen möchte. Im Vordergrund stand dabei die Idee dieser Replikation, der Anpassung an den Spieler und die Unendlichkeit eines Ortes wie dem Palace.

"Es ist schwierig, sich genau daran zu erinnern, woher die Idee kommt. Ich denke, es resultiert aus einem Gefühl und dem Wunsch, etwas zu machen, was dieses Gefühl von Ehrfurcht und Erstaunen hervorruft, wie das in der eher ruhigen Science-Fiction der 70er der Fall. Diese Art von träumerischer, intellektueller Science-Fction, nicht diese actionorientierte Science-Fiction, die man heutzutage in vielen Spielen sieht", sagt Emborg.

In Echo steckt darüber hinaus ein bisschen Hitman-DNA, wie er zugibt: "Ich denke, das ist unvermeidlich [lacht]. Das war keine Absicht, aber es ist ein Third-Person-Spiel, man schleicht herum und tut vieles von dem, was auch 47 macht." Man habe viel mit Prototypen experimentiert und wenn ihr auf Feinde trefft, könnt ihr diese entweder angreifen oder umgehen - ähnlich wie in Hitman. Dennoch unterscheiden sich laut Emborg beide Spiele. Hitman sei mehr ein "kompliziertes Uhrwerk", bei dem ihr die festen Abläufe beobachtet und entsprechend reagiert, während er das Gameplay von Echo als "dynamisches Uhrwerk" bezeichnet, da es sich im Gegensatz zu Hitman ständig verändert und an eurem eigenen Spielstil orientiert.

Über den Palace selbst will er nicht allzu viel verraten - Spoileralarm! -, betrachtet ihn jedoch als eine Art dritten Hauptcharakter in Echo, mit dem man interagieren kann. Man will damit in euch das Gefühl hervorrufen, dass ihr in etwas Unbekanntes vorstoßt: "Aber es ist unendlich, so viel kann ich sagen."

Während man mit dem Spiel experimentierte, habe man nicht immer die erwarteten Resultate erzielt. Manche Dinge sahen die Entwickler im Vorfeld als todsichere Sache an, am Ende stellten sie sich jedoch als das Gegenteil davon heraus. Und im Gegenzug führte manch simplere Idee zu einem sehr viel besseren Spielerlebnis. Ursprünglich dachte man etwa darüber nach, die KI das Verhalten des Spielers über einen längeren Zeitraum hinweg beobachten zu lassen. Das Wichtigste, was man dabei herausfand, war jedoch, dass diese Zeitspanne kurz sein muss, um möglichst dynamisch zu sein.

"Es war schwierig, einen guten Level für dieses System zu gestalten. Wir brauchten also eine KI, die Dinge sehr schnell lernt und verlernt, damit man ihr durch den Spielstil dynamisch Fähigkeiten geben und nehmen kann und sie sich bewusst ist, was ihr tut und was nicht. Und wenn diese Schleife zu lang wird, verliert man irgendwann den Überblick darüber, was sie tut, was am Ende deutlich weniger Spaß machte. Schlussendlich haben wir so ein sehr viel dynamischeres Spiel erhalten, als wir es zu Anfang für nötig erachteten", erklärt er.

Durch das Adaptieren des Verhaltens der Spieler sorgt man natürlich für einen gewissen Wiederspielwert. Viele Level bieten verschiedene Möglichkeiten, sie zu lösen. In einem Level müsst ihr beispielsweise zwei Schlüssel aufsammeln, um eine Tür zu öffnen. Wenn ihr euch nun dafür entscheidet, den rechten Schlüssel zuerst aufzunehmen, wird der Weg zum linken Schlüssel komplett anders sein, weil sich das Spiel ja euer vorheriges Verhalten anschaut. Diese Dynamik soll dafür sorgen, dass kein Durchgang dem anderen gleicht, darüber hinaus gibt es aber ebenso verschiedene Schwierigkeitsgrade.

Es soll jedenfalls nicht möglich ein, sich einfach vor eine Wand zu stellen und darauf zu warten, dass die KI genau dieses Verhalten übernimmt. Das Level-Design wird euch dazu drängen, Entscheidungen zu treffen, sagt er. Was auch immer ihr tut, ob ihr nun eine Tür öffnet, über ein Objekt springt oder Wasser durchquert, und welchen Weg ihr geht, beeinflusst das Verhalten und die Fähigkeiten eurer Feinde. Im Spielverlauf sollt ihr regelmäßig neue Dinge lernen und diese wiederum den KI-Feinden beibringen, was ihr manchmal sogar gegen diese einsetzen könnt. Mitunter müsst ihr sie aber so manipulieren, dass sie euch dabei helfen, eure Ziele zu erreichen.

Ein System, mit dem ihr im Level aufsteigt und neue Dinge freischaltet, gibt es unterdessen nicht. Ihr stoßt lediglich in den einzelnen Abschnitten des Palace auf neue Interaktionsmöglichkeiten. Ähnliches gilt für neue Waffen und dergleichen, wie Emborg anmerkt: "Nein, ihr habt nur das, was ihr mit euch in den Palace nehmt."

Erst mal wird das Spiel nur für die PlayStation 4 und den PC erscheinen, ursprünglich war es sogar nur für den PC geplant: "Wir fingen damit an, es nur auf Steam veröffentlichen zu wollen. Erst danach wollten wir uns Gedanken über Portierungen auf die Konsolen machen. Aber nachdem wir unseren Ankündigungstrailer veröffentlicht hatten, nahm Sony Kontakt zu uns auf. Wir hatten ein paar tolle Gespräche und entschieden uns dann dafür, es zeitgleich auf PlayStation 4 und Steam zu bringen. Mehr steckt da nicht dahinter", merkt er an.

Exklusiv ist das Spiel aber nicht. Emborg will zwar eine spätere Xbox-One-Version nicht ausschließen, daran gearbeitet werde derzeit aber nicht. Ähnliches gilt für die Nintendo Switch. Allerdings hat er sich mit Nintendos Konsole noch nicht allzu sehr befasst und kann nicht sagen, ob Echo überhaupt darauf laufen würde.

Einer der weiteren Vorzüge der Unabhängigkeit zeigt sich bei Ultra Ultras Zukunft. Wie beim Spiel selbst könne man hier dynamisch agieren. Was er an der Triple-A-Industrie nicht so sehr mag, ist, dass erwartet wird, Fortsetzung um Fortsetzung zu veröffentlichen. Was aber nicht heißen soll, dass das immer eine schlechte Sache ist, betont er. Als gutes Beispiel dafür nennt Emborg Assassin's Creed. Beim ersten Teil habe man etwas Neues ausprobiert, viel daraus gelernt und dann einen besseren zweiten Teil gemacht. Was sich Ultra Ultra nach Echo vornimmt, hänge von der Stimmung ab, in der man sich dann befinde, und woran man gerne arbeiten möchte. Einen Nachfolger zu Echo schließt er nicht aus, dieser müsse aber frisch und anders werden.

Als ehemaliger Mitarbeiter von IO Interactive hat Emborg natürlich die Trennung von Square Enix mitverfolgt. Und er war davon genauso überrascht wie alle anderen: "Ja, das war wirklich merkwürdig. Ich sah nur die Pressemitteilung dachte mir 'WAS?!' Es hatte überhaupt keinen Sinn. Ich denke, dass jeder ein bisschen schockiert war, denn es war nicht wirklich ein Verkauf, es klang mehr nach 'Wir unterstützen IO nicht mehr'."

"Es war wirklich merkwürdig, aber auch schön zu sehen, dass die auf ihren Füßen gelandet sind. Es ist cool, dass IO sich nun als unabhängiges Studio bezeichnen kann. Ich freue mich wirklich darauf, was sie mit Hitman anstellen werden und mit anderen Dingen, an denen sie arbeiten könnten. Ich denke, dass es eine gute Sache für IO ist. Ein neues Zeitalter könnte für sie anbrechen. Es könnte ähnlich ablaufen wie bei der Gründung von Ultra Ultra. Man erhält diesen Schub an Kreativität und Energie und will etwas Großartiges erschaffen, über das man selbst bestimmt. Ich hoffe, dass das auch bei IO der Fall sein wird", sagt Emborg.

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