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Flight Simulator X

Völlig abgehoben.

Wo gibt's das im echten Leben? Im Tiefflug düsen wir über die Gewässer der Karibik. Das Einzige was uns vorm Absturz bewahrt, ist ein klappriges Rohrgestell mit Sitz und Motor. Vom Hersteller hochtrabend als »Motor-Fluggleiter« bezeichnet. Unten daran gebunden sind 15 Sack voll Mehl. Die sollen wir auf eine schwimmende Plattform werfen, um im Austausch für je einen Treffer, zehn Sekunden zusätzliche Flugzeit zu bekommen. Ach ja, von dem mit bedrohlicher Präzision runtertickenden Zeitlimit hatten wir Euch ja noch gar nichts erzählt. Ist das bei Null angelangt, müssen wir landen. Außerdem wuseln noch ein paar Schnellboote auf dem Ozean herum. Ein Treffer darauf bringt uns sogar eine komplette Minute Extrazeit in der Luft ein. Und ist das Mehl mal alle, reicht eine kurze Zwischenlandung auf dem bereitstehenden Flugzeugträger, um den Vorrat wieder aufzufüllen.

Fang den Bus

Spannende Missionen: Kann die propellergetriebene Extra 300 den Raketen-Laster abhängen?

Der Flight Simulator galt ja bislang nicht gerade als Ausgeburt an Spielwitz. Realistisch, das war er. Aber außer der Freude am Fliegen, bot die Dienstälteste, noch aktive Spielereihe Normalspielern kaum einen Anreiz zum Abheben. Das soll sich mit dem zehnten Teil gründlich ändern. Für den Flight Simulator X hat Microsoft eigens einen Spieldesigner engagiert und der durfte sich frei austoben. Herausgekommen sind dabei Missionen, wie die oben beschriebene, oder so etwas: Aus dem vollen Flug heraus auf einem Bus landen! Okay, der hat eine auf dem Dach montierte Miniplattform, aber die ist auch nicht viel länger als das klobige Vehikel. Zu allem Überfluss bewegt sich der Bus. Jetzt heißt es erstmal Vollgas geben, um die fahrende Landebahn einzuholen. Dann binnen Sekunden genug abbremsen, um den Flieger der Geschwindigkeit des Busses anzupassen. Dann vorsichtig, ganz vorsichtig Höhe verlieren, bis kurz vor dem Touchdown. Und im Moment der Landung unbedingt das Gas komplett wegnehmen und auf Teufel komm raus bremsen.

Missionen dieses Kalibers gibt es noch zu Hauf, insgesamt etwa 35. Die sind aber nicht alle so knifflig. So lernen Einsteiger in mehreren Tutorials ganz entspannt, wie man überhaupt über die Startbahn kurvt. Es geht Schritt für Schritt weiter, bis Ihr auch ohne vorherige Flugkenntnisse einen Düsenjet in die Luft und auch wieder sicher runter bekommt. Lesen müsst Ihr dazu erstmal nichts, einfach nur den Anweisungen des virtuellen Fluglehrers folgen. Wer es etwas spannender mag, kann ein Rennen mit einer Propellermaschine gegen einen Truck mit Düsenantrieb bestreiten. Oder auf einem original nachgebauten Kurs eins der Red-Bull-Luftrennen absolvieren.

Missionen, die sich lohnen

Immer schön die Kurve kriegen: Beim Red Bull-Luftrennen sollte man den "Canyon-Turn" perfekt beherrschen.

Wer viel übt oder rasante Stunts absolviert, bekommt dafür auch immer eine Belohnung. Flight Simulator X führt akribisch Buch über alles, was Ihr gemacht habt. Für erledigte Missionen gibt es kleine Medaillen. Damit nicht genug: Einsteiger, die im freien Spiel Ihre erste Landung erfolgreich hinlegen, erhalten einen virtuellen Orden. Dabei gibt es auch so einiges zu entdecken. So sind etliche Boni versteckt. Eins verraten wir: Wenn Ihr alle Ringe in der Bay Area von San Franzisko durchfliegt, wartet noch einen kurzen Moment. Es erscheinen neue Kreise in einer anspruchsvolleren Anordnung. Der Lohn: eine Extra-Medaille.

Liebe Veteranen, wenn Ihr Euch jetzt ängstlich fragt, "Was ist nur aus meinem geliebten, schraubengenauen Simulator geworden?", kann ich Entwarnung geben. Denn natürlich ist auch im Flight Simulator X alles drin, was Ihr an den Vorgänger so geschätzt habt. Die komplette Welt mit rund 14.000 Flughäfen befindet sich auf zwei DVDs, die brav komplett auf die Festplatte geschaufelt werden. Dazu gibt's 21 Flugzeuge. Darunter die bewährte und extrem einsteigerfreundliche Cessna 172. Ansonsten Wasserflugzeuge, wie die deHavilland Beaver oder Grumman Goose. Ganz neu ist der Airbus A321 und der oben beschriebene Motorgleiter. Und natürlich fehlt die Boeing 747 genauso wenig, wie das DG 808S Segelflugzeug und der gutmütige Bell 206 Helikopter. Mit all dem Flieggerät kann man überall auf der Welt herumbrettern.

Mageres München

Auf den großen Flughäfen wurden sogar die Passagierbrücken animiert.

Schade, dabei zeichnen sich einige Gebiete deutlich durch besseres Design aus. New York beispielsweise sieht ganz phantastisch aus, wenn man durch das Häusermeer der Innenstadt fliegt. (im echten Leben natürlich verboten). Auch San Franzisko ist klasse und steht nun endlich tatsächlich auf Hügeln und nicht mehr einfach flach in der Gegend. Generell fällt vor allem bei Flussläufen und Küstenabschnitten der deutlich höhere Detailgrad der Grafik auf. Wellen branden an den Strand, eckige Kanten gibt es eigentlich nicht mehr. Deutlich mäßiger wird es, wenn man nach Europa kommt. Obwohl mir Entwicklungschef Shaun Feininger in die Hand hinein versprochen hat, dass dieses Mal auch die alte Welt gebührend berücksichtigt wird, sind die Städte im weltweit dichtesten besiedelten Fluggebiet erschreckend dürftig. Berlin bildet genau wie Paris mal wieder die Ausnahme. Wer aber über die Münchner Innenstadt fliegt, entdeckt jetzt zwar auch die Allianzarena. Aber ansonsten scheint Bayerns Landeshauptstadt fast komplett aus platten Texturen zu bestehen. Der Olympiaturm ragt dabei genauso hoch auf, wie das BMW-Gebäude. Eine peinliche Leistung, für eine Simulation, die für sich beansprucht die Welt abbilden zu wollen. Weil wir das nicht glauben konnten, haben wir tief in den Grafikoptionen gewühlt. Doch trotz auf Anschlag geregelter Detaildichte, wollte sich daran nichts ändern. Anderen Metropolen wie Köln oder Essen ergeht es nicht besser.

Damit kommen wir schon zum zweiten massiven Kritikpunkt: Der extrem schwachen Performance. Selbst auf einem flotten 3,6 GHz-Rechner ruckelt der Flight Simulator X sich die Seele aus dem Cockpit, vor allem wenn man in die dichter besiedelten Szenarien wie New York oder Los Angeles kommt. Dabei rechtfertigt die Grafik diese Hardwareansprüche nicht. Ja, alles sieht natürlich schöner aus als beim Vorgänger. Gemessen am aktuellen Grafikstandard ist die FSX-Optik aber bestenfalls Mittelmaß. Das gilt auch für die neuerdings auf den Straßen herumzuckelnden Autos, die aber, wenn man sie mal eine Weile beobachtet, oft schon an der nächsten Straßenkreuzung wieder verschwinden. Apropos Effekte: Ursprünglich sollte der Flight Simulator X parallel mit Windows Vista erscheinen und deshalb von Haus aus DirectX-10 unterstützen. Doch Vista wurde bekanntlich verschoben und so musste die Entwicklung komplett auf DirectX-9 weichen. Ein Vista-Upgrade soll als Patch nachgereicht werden. Allerdings wissen die Entwickler derzeit noch nicht genau, ob sich alle geplanten Effekte überhaupt mit DirectX10 wie geplant verwirklichen lassen. Immerhin (da glauben wir Microsoft einfach mal) soll die Grafik damit deutlich schneller werden.

Deutlich teurer wird es für alle, die Wert auf den neuen Mehrspielermodus legen. Denn den wird es nur in der gegenüber der Standard-Version 20 Euro teureren Luxus-Variante geben. Darin kann man durch Teamtalk oder Skype mit bis zu 15 Freunden die Lüfte unsicher machen. Der Clou dabei: Je nach gewähltem Szenario dürfen mehrere die Position des Air Controllers übernehmen. Der sieht dann auf dem Radar die eintrudelnden Maschinen und gibt über ein Mikrophon Anweisungen. Allerdings hat er keinerlei Macht diese Anweisungen auch durchzusetzen. Warum man keine Strafen vergeben kann, konnte mir bei Microsoft auch auf Anfrage niemand erklären. Der Air-Controller-Modus ist aber nicht das Einzige, was die Luxus-Edition mehr bietet. So gibt es eine Handvoll zusätzlicher Missionen, ein Glascockpit für drei Flugzeuge und das Entwicklerkit, das alle Aspekte des Flight Simulators umfassen soll. Damit könnt Ihr eigene Szenerien, Missionen und auch Flugzeuge entwickeln. Allerdings, so bestätigte uns Entwicklungschef Shaun Feininger, ist dieses Kit nichts für Einsteiger, sondern wendet sich an den erfahrenen Profi. Eins fehlt aber auch in der Luxus-Version: Ein gedrucktes Handbuch!

Jau, mit den Missionen haben die Microsoftler den richtigen Weg beschritten, um ihren Flight Simulator auch für Gelegenheitspiloten spannend zu machen. Und die Idee mit den Medaillen-Belohnungen ist echt klasse und hält die Motivation auch auf Dauer aufrecht. Allerdings haben sich die Entwickler in Sachen Technik nicht mit Ruhm bekleckert. Außerdem werden Europäer mal wieder mit viel leerer Gegend abgespeist. Trotzdem warte ich gespannt auf die Endversion, und noch viel mehr auf das Vista-Update, vor allem wegen dem versprochenen höheren Tempo.

Der Flight Simulator X soll am 13. Oktober 2006 abheben.

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