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Heroes of Annihilated Empires

Massenschlachten mit mächtig Macken.

Was machen Elfen, die links oben auf einer Karte stehen? Richtig, sie laufen nach rechts unten. Zumindest, wenn man nicht den Fehler gemacht hat, am Mausrad zu drehen, um näher an den reichlich fitzelig wirkenden Burschen im bewährten Wald-Wiesen-Lederstiefel-Outfit heranzuzoomen. Denn statt einen näheren Blick auf unseren allerersten Helden werfen zu können, rotiert die Ansicht nur. Zum Vergrößern, so klärt uns ein alsbald eingeblendeter Text auf, muss man mit den »Entfernen«- und »Einfügen«-Tasten herumspielen. Na gut, dann eben so. Immerhin gehorcht der Bursche auf Rechtsklick. Wie, was wir hier machen? Wir bereiten uns auf den ersten Ausflug in das neueste Projekt der Cossacks-Macher vor. Mit Heroes of Annihilated Empires verlässt GSC Design eingetrampelte napoleonische Echtzeit-Strategiepfade. Eine »innovative Symbiose aus RTS und Rollenspiel« soll das neue Werk werden. Zumindest versprechen das die Entwickler. Wir sind mit der Vorabversion durch Atlans (so heißt die Welt) gestreift. Dabei haben wir im Gebirge des hehren Anspruchs die tiefe Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit entdeckt.

Platte Gegner

Zwischengegner, wie dieser Drache, hinterlassen nützliche Rüstungen und Zauber.

Nach einem letzten Kontrollblick in die Optionen - nein, es gibt derzeit keine Möglichkeit, die Tastaturbelegung zu ändern - schicken wir unseren Elf namens Elhant in Richtung der ersten Gegner. Die lassen auch gar nicht lange auf sich warten. Ein paar Ratten lauern im Gebüsch. Zum Glück ist der Waldläufer ziemlich selbstständig. Ein Rechtsklick reicht und er attackiert nacheinander die Nager. Dazu schießt er in rekordverdächtigem Legolas-Tempo Pfeile von seinem Bogen. Während er sich locker des Getiers entledigt, werfen wir einen Blick auf die Grafik. Endlich haben auch die Cossacks-Macher den Weg in die Dreidimensionalität gefunden. Die Perspektive lässt sich stufenlos drehen und Ihr könnt auch etwas heranzoomen - allerdings nie wirklich nah genug. Aber Moment, die Ratten sehen so gar nicht dreidimensional aus. Richtig, mit Ausnahme einiger Zwischen- und Endgegner verwendet die Grafikengine simple 2D-Sprites für das Feindarsenal. Zu diesem Trick mussten die Entwickler greifen, weil es genau wie in Cossacks wieder Riesenschlachten geben soll. Bis zu 64.000 Einheiten können sich gleichzeitig auf dem Bildschirm tummeln.

Spielt sich von selbst...wirklich.

Einen ersten Vorgeschmack von der Zahl der Gegner liefert uns der Zusammenstoß mit einer Gruppe Magier, die im Sekundentakt ein Skelett nach dem anderen erschaffen. Die knochigen Brüder haben natürlich nichts anderes zu tun, als stumpf in Richtung Held zu strömen und auf den armen Kerl einzuhacken. Wir schießen und schießen und schießen... und immer mehr Skelette strömen nach. Schnell füllen Dutzende den Bildschirm, dann Hunderte. Das Ganze wirkt aus der Entfernung wie eine wildwuselnde Horde Skelettameisen, die unseren Helden zu überrennen drohen. Doch der weiß sich der Monsterscharen tapfer zu erwehren. Am unteren Bildrand tauchen plötzlich drei Symbole auf. Unser Elf ist soeben einen Level aufgestiegen. Wir dürfen uns aussuchen, ob wir seine Schussfrequenz steigern, die Heilrate anheben oder lieber noch einen Level lang warten, um dadurch an noch höherwertige Verbesserungen zu kommen. Blöd dabei: Welche Upgrades jeweils zur Auswahl stehen, hängt vom Zufall ab.

Preisfrage: Wo steckt der Elf? Antwort: In der Kreismitte.

Während wir uns in aller Ruhe das optimale Update heraus suchen, kämpft unser Elf weiter. Und immer noch strömen Skelette heran. Solange die Magier nicht besiegt sind, ändert sich daran auch nichts. Aber was passiert eigentlich, wenn wir unseren Helden einfach mal eine Weile alleine weitermachen lassen? Wir nutzen die Gelegenheit und gehen einkaufen. Eine Stunde später sind wir wieder zurück. Der Elf kämpft immer noch tapfer - und hat inzwischen Level 25 erreicht! Und das, obwohl wir nicht mal vor dem Monitor gesessen haben. Ein kapitaler Fehler im Spieldesign. Wer will, kann so den gesamten Schwierigkeitsgrad aushebeln. Uns wird es aber zu langweilig, außerdem wollen wir ja noch etwas von der Spielwelt sehen. Also erledigen wir kurzerhand die Magier und der Skelettstrom reißt abrupt ab. Die Burschen hinterlassen einen interessanten Zauber, der automatisch auf der Steuerleiste am unteren Bildrand erscheint. Damit erzeugen wir Furcht und sämtliche Gegner fliehen für eine kurze Zeit. Leichtes Futter für unseren Bogen.

Immer diese lästigen Magier

Derart aufgelevelt erreicht unser Elhant endlich das Lager der Elfen, wo eine der spärlichen Zwischensequenzen abläuft. In Sprechblasen, die über dem Kopf des Helden erscheinen, erfahren wir, dass Untote das Land bedrohen. Und schon rauscht eine Horde davon heran. Die ist zwar für unseren Bogenschützen kein größeres Problem. Doch rein aus Neugierde wählen wir die herumstehenden Elfenarbeiterinnen an. Die errichten auf Kommando in altbekannter Echtzeit-Strategiemanier Produktionsstätten für Kampfelfen, Zentauren und (Tolkien lässt grüßen) Ents. Als Rohstoffe dienen Kristalle, Eisen (beides aus Minen), Nahrung (von Apfelbäumen) und Holz (Bäume). Das ist alles flott gebaut, in wenigen Minuten haben wir eine ansehnliche Armee rekrutiert. Die ist auch bitter nötig, denn mittlerweile füllen die heranrückenden Zombies beinahe den kompletten Bildschirm. Andererseits hält unser Helden-Elf die Untotenscharen auch ganz allein auf Distanz. Die Armee brauche wir eher, um das Quäntchen mehr an Gegnern zu erledigen, das benötigt wird, damit unser Heer nach unten vorrücken kann. Jetzt noch flugs die Magier ins Nirwana geschickt und schon versiegt auch dieser Monsternachschub.

Und dann hat es »Puff« gemacht. Die Zeit ist rum, die Helfer futsch.

Und so geht das immer weiter. Irgendwo stehen immer ein paar Zauberer, die Monster herbei beschwören. Nur brauchen wir die Armee bald gar nicht mehr. Denn schnell ist der Held so mächtig geworden, dass ihm praktisch niemand mehr etwas anhaben kann. Ab und an beschwören wir noch ein paar hilfreiche Waldbewohner herbei, die mit übrig gebliebenen Monstern kurzen Prozess machen. Und schon stehen wir vor dem Endgegner, der aber ebenfalls keine größere Herausforderung mehr darstellt.

Natürlich war das jetzt nur ein einziger Level, der sicher nicht stellvertretend für das komplette Spiel steht. So gibt es noch zwei weitere spielbare Rassen, das Eisvolk und die Mechaniker. Vor allem letztere sind sehr geheimnisvoll, verwenden sie doch modernste Technologien. Schon in der Vorabversion taucht plötzlich ein moderner Abrams-Panzer auf, im Trailer des Spiels sind Kampfjets zu sehen. Allerdings schweigen sich die Entwickler derzeit noch dazu aus, welche Bedeutung dieses Hightech-Equipment haben wird. Dazu gesellen sich zwölf mehr oder minder neutrale Völker, die vom Rechner gesteuert werden. Heroes of Annihilated Empires soll der erste Teil einer Trilogie werden, die auf Fantasyromanen des russischen Autors Ilya Novak basieren. Kennt Ihr nicht? Macht nichts, seine Bücher gibt’s bislang nur auf russisch.

Auf den ersten Blick wirkt Heroes of Annihilated Empires erfrischend anders. Der 2D/3D-Grafikmix sieht nett aus, dank geschickter Farbwahl bekommt das Ganze ein märchenhaftes Flair. Und selbst mit den mickrigen Zwischensequenzen kann man einigermaßen leben. Allerdings sollte das GSC-Team unbedingt an der Spielbalance arbeiten. Vor allem die endlos Gegner-generierenden Magier lassen den Helden viel zu schnell aufsteigen, so dass er solo komplette Armeen ersetzen kann. Außerdem fehlt in den Massengefechten schnell die Übersicht, wenn tausende Sprites über den Bildschirm tummeln. Meiner Meinung nach sollten die Entwickler unbedingt noch ein paar Monate Optimierungsarbeit investieren. Denn die versprochene Symbiose zwischen RTS und Rollenspiel funktioniert derzeit noch nicht so ganz.

Heroes of Annihilated Empires erscheint am 6. Oktober 2006 für den PC.

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