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Red Steel

Wir sind platt.

Es scheint eine Ewigkeit her, da war Nintendos Wii noch Nintendos Revolution. Erinnert Ihr Euch? Dabei sind seitdem gerade mal fünf Monate vergangen. Die amerikanische Zeitschrift Game Informer enthüllte damals die ersten Revolution-Screenshots überhaupt. Auf den eindrucksvollen Bildern war Ubisofts Egoshooter Red Steel zu sehen. Krass. Ein Third Party-Hersteller machte den Anfang, noch vor Big N. "Muss ja ein sehr wichtiges Spiel sein", war mein Gedanke.

Mittlerweile ist bekannt, dass Red Steel doch nicht so doll aussieht, wie alle mal dachten. Trifft eigentlich auf jeden Wii-Titel zu, aber das macht mir persönlich nicht mehr so viel aus. Die Spiele, die ich während der Games Convention ausprobieren und begutachten durfte, haben etwas in mir ausgelöst, das über den üblichen "Dieses-NextGen-Spiel-sieht-geil-aus-Faktor" hinaus geht - und alles nur wegen der Steuerung.

Wii Remote und Nunchuk sind kein bloßer Versuch, verschiedene Kontrollmöglichkeiten in eine einzige Packung zu quetschen. Es entsteht tatsächlich ein völlig neues Spielgefühl und ein überraschend intuitives obendrein. Muss man selber erleben, um es wirklich zu verstehen. Am Beispiel von Red Steel will ich trotzdem versuchen, die schlichte Genialität dahinter zu vermitteln.

Big in Japan

Ok, es sieht nicht so fett aus, aber es macht riesigen Spaß.

Alles dreht sich um einen Ami, dessen Verlobte entführt wurde. Ihren Vater, ein Yakuza-Boss, hat man bei der Gelegenheit gleich mal gekillt. Also ab in den Flieger, auf nach Tokio, Verlobte retten und die Schuldigen bestrafen. Klingt nicht so spektakulär, ich weiß. Red Steel wird erst zu etwas Besonderem, wenn Ihr mit Wii Remote und Nunchuk in den Händen ins Spiel eintaucht. Meine anfängliche Verwirrung wurde durch ein Tutorial gedämpft. Darin brachte mir ein Lehrer den Schwertkampf bei. Mit der rechten Hand schwang ich die Wii Remote und versuchte dabei lässig auszusehen. Mein Gefuchtel wurde 1:1 auf dem Screen umgesetzt, selbst kleinste Bewegungen registriert. "Kann man eigentlich auch zu pieksen?", hab ich mich gefragt. Also kurz mit der Wii Remote auf den Screen zu gestochen. Klappte wunderbar.

Gegnerische Attacken blockte ich mit dem Nunchuk in der linken. Das mit dem Abwehren und Parieren hatte ich zwar nicht so gut drauf, doch in der kurzen Zeit, die ich spielen durfte, verbesserte ich mich zusehends. Ich lernte, dass wildes Geschwinge nichts bringt. Blocken, parieren und warten, bis das Gegenüber die Deckung aufmacht, lautete die Devise. "Ich kann Schwertkämpfen! Jetzt bringe ich Euch alle um!", schrie ich laut. Dabei sah ich vermutlich aus wie ein kleines Kind, das sich darüber freut, zum ersten Mal alleine aufs Klo gegangen zu sein. Peinlich.

Gar nicht mal so easy

Red Steel ist also leicht zu erlernen, schwer zu meistern und wahrscheinlich deshalb so motivierend. Selbst das einfache Öffnen einer Tür erforderte Umdenken. Um das zu tun, drückt Ihr keinen Button, sondern schüttelt kurz den Nunchuk, während Ihr auf eine Tür zugeht. Dessen Stick bewegt obendrein die Spielfigur und mit den Schultertasten geht Ihr in die Hocke oder springt. Kommen wir zur Wii Remote. Damit wird gezielt und geballert, durch kurzes Drücken der A-Taste wechselt Ihr zwischen Gehen und Rennen. Anfang dauert es einen Moment, bis man die Schose verinnerlicht und nicht wenige Red Steel-Rookies dürften die ersten paar Minuten etwas unbeholfen durch die Gegend hampeln. Bei mir war es zumindest so.

Japaner perforieren

Cool ist, dass man Umgebungsobjekte zerstören kann.

Nach dem Schwert-Duell lotste mich das Spiel ins Freie. Überraschung! Bewaffnete Yakuza eröffneten auf offener Straße das Feuer. Panisch riss ich meine Schusshand in die Höhe. Bamm Ba Bamm! Teile der Umgebung futsch, die meisten der Nipponkrieger leider nicht. Trotzdem nett, dass man Objekte wie beispielsweise Autos, Lampen und Kisten zerstören kann. Glücklicherweise war die Gegner-KI in der GC-Demo noch sehr "entspannt" und ich überlebte die Szene, trotz mieser Leistungen. Zur Wahrung meiner Ehre muss ich aber anfügen, dass mir bei einigen Japano-Gangstern sogar Headshots gelangen. Das führte mich zu der Erkenntnis, dass zukünftig eine Berücksichtigung der unterschiedlichen Trefferzonen gar nicht mal so dumm wäre.

Casino Royale

Juhu, eine neue Waffe! Mit einer Shotgun sollte ich ein Casino säubern. Eine ideales Aufräumutensil! Als überzeugter Feigling versteckte ich mich ständig und lud dabei die Schrotflinte nach, was übrigens recht lang dauerte. Geht das in Wirklichkeit auch so lahm? Jedenfalls steuerten sich die Schießereien intuitiv, doch genaueres Zielen entpuppte sich in Stresssituationen als schwierig. Nicht, weil die Technik dafür zu ungenau war. Während die feindliche Übermacht Löcher in mich reinmachen wollte, fiel es mir einfach schwer, Gegner ruhig anzuvisieren. Die dafür nötige Coolness erlangt man wohl erst nach ausgiebiger Spielzeit.

Bullet-Time extrem

Danach kam ich in das aus vielen Videos bekannte Aquarium-Zimmer. Die beiden Fischbehälter hab ich natürlich sofort mit Kugeln verziert, worauf sich der Inhalt inklusive der Kiemenviecher über den Boden ergoss. Nun war es an der Zeit den Focus-Modus zu testen. Das ging so: A-Taste gedrückt halten, um das Geschehen "einzufrieren". Nun hatte ich kurz Zeit, Punkte auf den Körpern meiner Gegner zu markieren. Dann ließ ich den A-Button los, worauf automatisch auf die markierten Punkte gefeuert wurde, während das Spiel wieder im Normaltempo weiter lief. Ein ideales Feature, um gleich mehrere Typen gleichzeitig zu erwischen oder zu entwaffnen.

Schönheit vergeht

Die typisch japanische Bauweise des Fahrzeugs beweist: Wir sind in Nippon unterwegs.

"Wir wollen das Rennen nicht in Sachen Technik gewinnen. Wir wollen das Rennen in Sachen Gameplay für uns entscheiden.", ließ mich die Ubisoft-Sprecherin wissen. Hässlich ist Red Steel beileibe nicht, aber eben nicht so hübsch, wie man es von einem NextGen-Titel erwartet. Kaschiert wird das Manko durch viele Details, wie zerstörbare Umgebungsobjekte oder Licht, das durch die Einschusslöcher dünner Papierwände strahlt. Stellt Euch ein grafisch eindrucksvolles Gamecube-Spiel vor. Ungefähr so sieht Red Steel aus.

Gameplay wäre wichtiger als die Optik, heißt es. Hätte Nintendo seinem Wii mehr Grafikpower spendiert, wäre ich trotzdem glücklicher. Was mich wundert: Die Screenshots, die uns Ubisoft zur Verfügung stellte, kommen in einer Auflösung von 1181 mal 945 Pixeln daher. Wii soll aber keine HD-Auflösung unterstützen. Die High-Res-Shots können also zwei Gründe haben. 1. Entwickler-Bildchen sind manchmal höher aufgelöst als das finale Produkt. 2. Wii wird doch HD-Funktionalität bieten. Da ich ein Träumer bin, klammere ich mich an Möglichkeit Nummer 2.

Goldene Zukunft

Ich bin von meiner Red Steel-Session nicht nur so begeistert, weil Ubisoft damit ein wirklich intensives Spielerlebnis liefert. Ich denke nämlich weiter. Was gewiefte Shooter-Macher wohl in Zukunft noch aus der Wii-Steuerung kitzeln werden? Mein Spatzenhirn bietet gar nicht die nötige Kapazität, um diese Frage auch nur ansatzweise zu beantworten. Aber in den Entwicklerstudios sitzen genug kluge Leute, die genau das tun werden.

Abschließend möchte ich gestehen, dass mir Red Steel die Augen geöffnet hat. Meine Angst, dass sich Nintendos Wii lediglich als eine Plattform für exotische Angelspiele und EyeToy-Hampeleien entpuppen könnte, ist mittlerweile wie weggefegt. Das Teil kommt mir definitiv ins Haus und Ubisofts Red Steel ist ebenfalls vorbestellt.

Red Steel erscheint zum Wii-Launch. Dieser soll noch im Herbst über die Bühne gehen.

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