Ein friedvolles Zelda – Tears of the Kingdom: Hat Tchia die coolste Fortbewegung aller Zeiten?
So lässig wie beim Baumschnippen seid ihr noch nie vorangekommen!
Dieses Spiel kommt für mich aus dem Nichts. Ein kleines Team mit Wurzeln in Neukaledonien schafft hier eine kleine, aber feine Action-Adventure Anlehnung an das Grüppchen Inseln, das grob zwischen Neuseeland und Papua-Neuguinea liegt. Tchia ist ein herziges Erkundungsspiel mit großem Entspannungspotenzial, aber auch einem gewaltigen Sandbox-Faktor. Denn auf diesen Inseln ist extrem viel interaktiv, und die Tricks, die man mit der Zeit lernt, lassen einem schon nach ein paar Stunden anspielen den Kopf schwirren.
In der Demo spielte ich das als Titelpatin fungierende Mädchen Tchia, das auf der nördlichen der beiden fiktiven Inseln mit den Bewohnern gemein macht, Aufgaben für sie löst und Herrscher Meavora das Handwerk legen muss. Letzteres weiß ich aus der Steam-Beschreibung des Titels, nicht, weil es bisher besonders kämpferisch zugegangen wäre. Die wenigen Konfrontationen mit geisterhaften Stoffwesen verlaufen nicht nach dem klassischen Schwert-Schild-Ausweichrolle-Muster und sind recht schnell geschafft. Das Entdecken und Erkunden steht bis hierhin fest im Vordergrund – und es macht eine Menge Spaß.
Denn Tchia verfügt über eine besondere Gabe: Sie kann in die Körper von Tieren und auch in viele Gegenstände schlüpfen und diese dann kontrollieren! Der riesige Tausendfüßler vor euch? Schlüpft per “Soul-Jump” hinein. Ihr seht vom Strand aus einen Delfin? Übernehmt seinen Körper, solange eure Seelenanzeige reicht! Sogar Vögel sind gegen Tchias Zauber nicht gewappnet, binnen Sekunden erreicht ihr schwindelnde Höhen, ploppt am gewünschten Gipfel mit einem Supersprung aus dem Federvieh heraus.
Nicht jede Kreatur hat eine eigene Fähigkeit, zumindest so weit ich das bisher sehen konnte. Viele laufen nur umher. Aber als zum Beispiel die Ketten, die eine Schatztruhe verschlossen hielten, nach den kräftigen Scheren einer Palmendieb-Krabbe verlangten, hatte ich ungelogen tatsächlich einen dieser Riesenkrebse im Inventar (hatte ich schon erwähnt, dass man die Tierchen auch in seinen Rucksack packen kann?). Also herausgeholt und in seine Schale hineingeschlüpft!
Es gibt augenscheinlich recht viel Sammelkram in Tchia, der aber in der Regel – bisher – nur Kosmetisches freischaltet. Wer also lieber strikt der Geschichte folgt oder die Landschaftssilhouette nach den skizzierten Umrissen auf diversen Schatzkarten absuchen will, hat freie Fahrt. Aber ich muss sagen: Obwohl ich sonst Sammelsachen nicht so zugetan bin, hat mir auch dieser Aspekt gemacht, denn Tchia ist eines der Spiele, in denen es viel Freude bereitet, einfach nur unterwegs zu sein. Nicht zuletzt, weil die Karte eure genaue Position nur dann anzeigt, wenn ihr an einem Wegweiser steht. Tut ihr das nicht, müsst ihr genau eure Umgebung untersuchen, wollt ihr euren Standort lokalisieren.
Noch wichtiger ist aber das Wie: Zurück zum Flug als Vogel vom Beispiel gerade eben. Fast immer folgte auf den anschließenden Supersprung aus dem Gefieder das Aufspannen meines Gleiters und darauf die Suche nach einem geeigneten Ort zum Landen. Der war in meinem Fall oft genug ein starkes Gefälle bis ins nächste Tal hinunter. Denn wie Tchia sich auf den Hosenboden wirft, um endlos einen Hang herunterzurutschen, das ist schlichtweg genial. Es ist wundervoll, wie fließend und mit welchem Tempo man sich in Tchia fortbewegt.
Spiele, in denen man so lange schlittern kann, wie nun mal der Berg reicht, haben bei mir seit jeher einen Stein im Brett (danke Apex Legends, für diese Lektion!). Ich mache generell in Games fast nichts lieber, als aus vollem Sprint in einen langen Slide zu gehen – und doch hat Tchia noch eine Fortbewegungsmethode mitgebracht, die ich noch cooler finde: Das “Baumschnippen”, wie ich es in Ermangelung eines besseren Begriffes nenne.
Schafft es Tchia unter Einsatz ihrer Ausdauer bis in die Krone eines der vielen Bäume, kann man auf ihr hin und her schaukeln, den Baum dabei stark verbiegen und sich dann mit diesem Schwung selbst wie einen besonders niedlichen Popel 30, 40 Meter weit zu schnippen. Optimalerweise gleich in die nächste Baumkrone hinein, wo das Spiel weitergeht. Erst seit heute früh weiß ich, dass man in der Luft auch noch Tricks machen kann, eine Rolle zum Beispiel, um besonders hart anzugeben. Kombiniert man all diese Skills und Moves, kann man sich sehr kreativ über diese Inseln bewegen. Wer wollte nicht schon immer mal als Felsen eine Schlucht hinunterpurzeln? Ich mag diese frei drehende Experimentierfreude.
Auch davon abgesehen überzeugt Tchia, mit gewinnendem, unschuldigem Charme und einem tollen Minispiel auf einer magischen Ukulele. Die beeinflusst nicht nur die Tageszeit, sondern hat noch ein paar andere nützliche Zauber auf Lager, die in bestimmten Situationen weiterhelfen, etwa, wenn man einen längeren Tauchgang geplant hat. Und natürlich sind da noch die vielen herzerwärmenden zwischenmenschlichen Szenen, wenn man zum Beispiel eine Freundschaft zu einer Insulanerin und ihrer Mutter entwickelt.
Verträumte Südseemusik mit Ohrwurmcharakter, verschmitztes Figuren-Design, eine toll umgesetzte virtuelle Fotokamera, Segeln, das nicht komplett von selbst abläuft … in Tchia kann man exzellent die Seele baumeln lassen, auch wenn ich weiß, dass am Horizont vermutlich noch ein ernsterer Konflikt heraufzieht.
Woran Entwickler Awaceb noch arbeiten muss, ist die Technik. Ich liebe, wie das hier aussieht, aber die Performance geht noch zu häufig in die Knie, um dem fließenden Spielablauf wirklich gerecht zu werden. Aber ansonsten? Wer hätte das gedacht, nicht wahr? Ich bin nicht ganz sicher, wohin die Reise geht, aber nach gut fünf Stunden auf diesem traumhaften Eiland, sitze ich ein bisschen ungeduldig auf gepackten Koffern.
Tchia soll recht früh in diesem Jahr auf PC, PS4 und PS5 erscheinen