Eine lohnende Investition - Project CARS
Sie bezahlten für möglichst viel Realität, ihr dürft sie ihnen bald abkaufen.
Ein Spiel als eine Art einfach gestrickte Aktiengesellschaft? Mit Investoren, die später am Gewinn beteiligt werden, wenn es dann in den Verkauf geht? Bei allem, was Project CARS sonst auszeichnen mag, bin ich am meisten gespannt, ob dieser Teil des Konzepts aufgeht. Im Grunde lief es so, dass Slightly Mad Studios einen Teil des Geldes mitbrachte - 1,5 Millionen Euro - und die, die an den Erfolg glauben, den Rest - ca. 2,3 Millionen Euro (laut dem internen Forum). Wer ein sogenanntes „Toolpack" gekauft hat, dem gehört aber mehr als nur ein Anrecht auf einen Early-Access-Zugang, sondern er kann sich auch so weit in die Entwicklung einbringen, wie es ihm möglich ist. Der Zugang geht bis auf die Entwicklungsebene und in den Foren wird es sehr technisch, wenn man da als versierter Enthusiast eintauchen will. Das einzige Problem an der Sache ist, dass ihr derzeit keine Toolpacks mehr kaufen könnt. Alle sind weg, das Spiel fürs Erste finanziert und jetzt stellt sich natürlich die Frage: Wird das was?
Die kurze und simple Antwort lautet: Oh ja, das sieht schon sehr ordentlich aus. Damit meine ich nicht nur die Automodelle der zahlreichen Fahrzeuge, die sogar live auf der Piste daran erinnern, woher diese in idealen Augenblicken geschossenen Screenshots kommen. Es ist nicht nur die großzügige Streckenauswahl, die vom California Highway bis hin zu zig Klassikerkursen der Rennwelt - Nordschleife inklusive - alles abdeckt, worauf man schnell und schick fahren kann. In erster Linie ist es das Gefühl des Realismus, das man sich hier ins heimische Zimmer holen kann. Ein 40-Zoll-„Monitor" und ein Lenkrad sind da schon ein guter Anfang, aber ich muss mir jetzt wirklich und endlich so ein Oculus Rift an Land ziehen. Die Cockpit-Ansichten sind so schon ansprechend, aber das Ganze auch noch direkt mit der Kopfbewegung zu verbinden - ich denke nicht, dass ich viele Shooter in der Virtual Reality spielen werde, aber das hier, ja, ich glaube das wird ganz groß.
Ein wenig Technik sollte aber schon bereitstehen, vor allem eben besagtes Lenkrad. Project Cars lässt sich ziemlich weit den eigenen Vorstellungen vom Schwierigkeitsgrad anpassen und eine Vielzahl von Fahrhilfen steht zur Verfügung, um auch Einsteiger auf der Piste zu halten. Was aber zumindest im Moment noch keine echte Option ist, das ist das Gamepad. Selbst nach viel Einstellerei mit der Feinfühligkeit der Sticks funktioniert es immer noch so gut, wie man es erwarten würde, wenn man einen Supersportwagen mit einem Daumenstick lenken möchte. So, als würde man jede Feinkorrektur bei Tempo 250 mit einer 45-Grad-Drehung am Lenkrad einleiten. Das andere Ende des Spektrums - nämlich dass es zu zahm reagiert - ist auch möglich, aber den Sweetspot in der Mitte, den habe ich noch nicht gefunden. Über das Keyboard müssen wir nicht reden, es bleibt das Lenkrad und damit ist man dann auch im Auto direkt drin. Mit dem Pad in der Hand bewundere ich stets, wie weit es Spielen wie Forza und Gran Turismo gelingt, „Realismus" auf ein Pad zu bringen. Eine Simulation wie das hier mit der richtigen Hardware ist eine andere Welt.
Es kann auch eine sehr harsche andere Welt sein. Schaltet ihr voller Enthusiasmus einfach mal eine Runde alles an Fahrhilfen ab, was ein solches Auto nicht auch in der Realität mitbringt, denn man weiß ja, wie es geht - ich danke immer noch den tausend Gizmos in diesem Porsche GT3, die dafür sorgten, dass ich nicht sehr, sehr hohe Schulden abzahle, sondern mich brav auf der Straße hielten -, dann merkt man erst mal, was für Biester das sein können. Selbst ein im Vergleich zu anderen Kandidaten eher braver SLS AMG will bei Tempo nahe der 300 all eure Aufmerksamkeit. Die Strecke wird schmal und jede kleine Unebenheit des Eifelwald-Kurses - ein Namensplatzhalter für den Nürburgring -, die Project Cars netterweise berücksichtigt, bringt mich ins Schwitzen. Ich würde sagen, dass die beiden wichtigsten Unterschiede zur Realität die leider fehlenden Beschleunigungskräfte sind, sowie all die anderen glücklicherweise ebenfalls fehlenden Kräfte, die mich an der Bande in unerfreuliche menschliche Reste zerlegt hätten. Project Cars zu fahren ist in seinen schönsten Momenten der beste Genuss, den man bei maximalem Stressfaktor haben kann.
Es gibt aber noch viel zu tun, bis das Spiel, das auch für Xbox One und PS4 eines Tages erscheinen soll, wirklich bereit ist, auf eine etwas weniger enthusiastische - sprich Beta-gesottene - Spielerschaft losgelassen zu werden. Die Menüs sind noch ganz schön konfus, es gibt viele Platzhalter, bei denen man raten muss, wo die durchaus schon existente Funktionalität stecken könnte, und Abstürze sind dem aktuellen Client auch nicht fremd. Dass diese Dinge gelöst werden, daran habe ich aber ehrlich gesagt relativ wenige Zweifel. Man fühlt die wuselige Aktivität hinter der Kulisse des Clients in den Foren, in denen sich Entwickler, Enthusiasten und Tester austauschen und alles in einem von außen betrachtet leicht undurchsichtigen Chaos voranbringen.
Um noch einmal auf den derzeit berühmtesten Aspekt von Project CARS zu kommen: Die unglaublich und ehrlich gesagt auch sehr retuschiert wirkenden Screenshots und Videos. Ich sage nicht, dass sie alle echt sind, es sind sicher hier und da ein paar unterwegs, bei denen jemand noch mal nachgeholfen hat. Wer aber mit den verscheiden Ansichten außerhalb des Wagens herumspielt, die kleinen Kunststücke dreht und wendet und dank geschickter Lichteffekte in der Sonne glänzen lässt, der bekommt diese Qualität hin, das Spiel sieht so aus. Was man dabei jedoch nicht vergessen darf, ist, dass die Landschaft bei Pause und näherer Betrachtung oder auf einem geraden Stück Strecke, bei dem man nicht nur mit sich und dem Wagen beschäftigt ist, dann doch noch weit steriler wirkt, als es eine Momentaufnahme vermittelt. Sie ist alles andere als hässlich, jede der Strecken hat ganz öffentlich viel Liebe beim Entwurf und der Umsetzung erfahren, aber es ist halt ein Faktor, der einen von Zeit zu Zeit daran erinnert, dass man eben nicht in einem echten Auto sitzt. Das und dass der Aufprall bei fast 300 Sachen nicht eine persönliche Tragödie, sondern nur den Neustart des Rennens bedeutet. Die kleinen Tragödien halt.
Ich bin bewusst noch nicht auf die zahllosen Details dieses zu Recht so genannten „Projekts" eingegangen. Das ist eine Simulation, die ich in den nächsten Monaten genauer verfolgen werde und dann auch im Detail ein wenig beleuchten will, seien es eben die nicht alltäglichen, sehr spezifischen Auto-Varianten und Modelle oder die feineren Optionen hinter dem schönen Look. Von dem, was ich bis hier sah, bin ich durchaus schon angetan, das Ganze bewegt sich in eine sehr vorteilhafte Richtung und so sehr ich meine Forzas und Konsorten für ihre Pad-Bequemlichkeit schätze und genieße - es macht Spaß, daran erinnert zu werden, was für giftige Ungetüme solche Sportwagen sein können. Unglaublich viel Spaß. Project CARS erinnert sehr deutlich und greifbar daran, dass dieses „einmal einen Sportwagen besitzen" im Hinterkopf doch nie ganz von der Liste der in diesem Leben zu erledigenden Dinge verschwand.