Return to Monkey Island im Test - Eins sage ich euch: Nicht nur das Artdesign, das ganze Spiel ist toll!
Nur dieser Guybrush lernt es wohl nie...
Okay, ich war ja auch nicht vom Stand weg begeistert. Obwohl ich es liebe, wenn Künstler neue Wege gehen, war das frisch enthüllte Artdesign von Return to Monkey Island doch zunächst gewöhnungsbedürftig. Guybrush mit Bart, die kantigen Linien. Das alles eher minimalistisch animiert statt aufwendig inszeniert: So abstoßend ich viele Äußerungen in Richtung der Entwickler auch fand, so wenig zog mich der neue Stil auf Anhieb in seinen Bann. Die ersten Spielszenen kamen und gingen genauso wie mein Interview mit Ron Gilbert, Dave Grossman und Art Director Rex Crowle. Aber eine leichte Skepsis blieb.
Und dann ging alles ganz schnell. Ende letzter Woche war das Spiel auf einmal da und hat sich vom ersten Augenblick an einfach richtig angefühlt. Da war kein Fremdeln, keine Phase des Eingewöhnens, kein schiefer Blick auf die geraden Pinselstriche: Die Musik stimmt an und schwups, hatte mich diese romantisch verklärte Piratenidylle zurück, die nie meine Lieblings-Adventures ausgezeichnet hat, aber immer wie ein schöner Urlaub war. Vor allem die Leichtigkeit, mit der Return to Monkey Island das noch genauso hinbekommt, als wären seit dem Vorgänger kaum zwei Jahre vergangen, finde ich dabei bemerkenswert.
Was natürlich auch daran liegt, dass die grauen Zellen von der ersten Minute an auf Hochtouren laufen – nicht, weil sie sofort vertrackte Kopfnüsse knacken, sondern weil sie ein Rätsel ganz anderer Art entschlüsseln. Das Abenteuer führt nämlich absolut nahtlos jene letzte Szene aus Monkey Island 2 fort, die uns dreißig Jahre lang hat rätseln lassen, was es mit dem jungen Guybrush, seinem Bruder und den Eltern der beiden wohl auf sich hat. Keine Sorge: Von mir erfahrt ihr nichts! Wenn ihr mich fragt, haben Grossman und Gilbert ihrem damaligen Abschluss mit der Serie aber eine ebenso einfache wie liebenswerte Auflösung angedichtet.
Auch zur restlichen Geschichte werde ich keine Einzelheiten verraten. Aber selbstverständlich geht es nach der Einführung bald ganz normal mit Monkey Island weiter, beziehungsweise mit Melee Island, wo Guybrush wieder einmal/noch immer/schon wieder und vielleicht endlich das letzte Mal nach dem sagenumwobenen Geheimnis der titelgebenden Insel sucht. Wenig überraschend ist dabei auch Erzfeind LeChuck mit von der Partie sowie weitere Bekannte, die sich mal mehr, oft weniger über das Wiedersehen mit dem Piraten freuen. Sucht euch aus, welchen ich meine.
Und wie wundervoll das alles noch genau wie damals klingt! Wenn sich Guybrush stammelnd immer tiefer in eine missliche Lage argumentiert, ihm ein sprechender Schädel garstige Fürchterlichkeiten androht oder ein Richter im menschenleeren Saal lauthals um Ruhe bittet, dann sind Gilbert und Grossman, die einmal mehr fürs Dreh..., Verzeihung: Spielbuch verantwortlich zeichnen, nach wie vor in ihrem Element.
Für mein Gefühl ist ihr Humor sogar noch eine Stufe feiner und erwachsener geworden, mehr mit dem Augenzwinkern eines warmherzigen Geschichtenerzählers vorgetragen als mit dem auf eine Pointe bedachten Gemüt eines Komikers. Dafür spricht nicht zuletzt die Weiterentwicklung des Schwertkampfs, den es natürlich auch hier gibt, dessen Spielprinzip – das Erlernen neue Texte – aber auf das Spinnen wilden Seemannsgarns verlegt wurde, um einen halb-geheimen karibischen Anglerclub zu beeindrucken.
Schön, dass dieser erzählerische Charme von hervorragenden Stimmen verkörpert wird, dass der Soundtrack gewohnt exotisch trommelt sowie bläst und dass die Geschichte nicht nur einen starken Anfang hat, sondern sich auch logisch und ereignisreich entwickelt. Vertraute Charakterköpfe machen eine Entwicklung durch, die zu ihnen passt, neue Figuren bringen zeitgemäße Farbe ins Ensemble und Guybrush hat viel dazugel... Guybrush kann... Guybrush ist... immer noch ganz der Alte.
Nun erkennt man zum Beispiel an den Wutausbrüchen von LeChuck, dass der Inszenierung durchaus Grenzen gesetzt waren, da seine Stimme und Animationen schwächer wirken, als der Grobian zu wüten versucht. Die meisten Gespräche sind aber herrlich treffsichere Vertonungen, zu denen Stans ausufernden Monologe, die ich mir selbstredend in ihrer Gesamtheit gebe, ebenso zählen wie die Unterhaltungen mit einem furchtbar lieben, kopfüber aufgehängten Geisterpiraten, der seine Aufgabe als abschreckendes Beispiel zwar nicht unheimlich spannend findet, sich ihrer Wichtigkeit aber schon bewusst ist.
Apropos Logik: Die Rätsel gelingen Gilbert & Co. ebenfalls ausnehmend gut. Natürlich rennt man an zwei, drei Stellen trotzdem mit einem Brett vorm Kopf durch die Karibik, weil der Groschen wegen einer unglücklichen Beschreibung partout nicht fallen will. Das sind aber Ausnahmen, die den Spaß am Knobeln nicht schmälern. Und ich hatte mich ja auch extra für den höheren der zwei Schwierigkeitsgrade entschieden. Immerhin gibt es in Return to Monkey Island erneut eine Variante mit entschlackter Rätselkost – eine Art Wandersimulator des Point-&-Click-Adventures.
Bei Bedarf kann man aufkommende Blockaden sogar einfach überspringen, weil das Spiel eine Hilfe anbietet, die in mehreren Schritten erst die grobe Aufgabe umreißt, um mit jedem weiteren Klick dann immer genauer des Rätsels Lösung zu beschreiben. Das ist klasse, weil es zum einen nichts vom restlichen Geschehen verrät, wenn man doch nur wissen will, wie man etwa an einen bestimmten Schlüssel herankommt, und es zum anderen eben nur so weit hilft, bis der entscheidende Groschen fällt. Auch die Liste aller aktiven Aufgaben tut gut, weil man dadurch nie vergisst, was wo zu tun ist.
Und sollte man doch mal über eine längere Zeit die immer gleichen Wege hin und zurück laufen, sie kreuzen und dann eine Schleife ziehen, weil man weder weiterkommt noch sich helfen lässt, dann erreicht man jeden Ort ohnehin dermaßen flott, dass es nie ermüdend ist. Überhaupt ist die Steuerung per Gamepad (über die mit Maus und Tastatur muss ich sicherlich kein Wort verlieren) so elegant, dass ich selbst am PC lieber mit dem Controller in der Hand gegrübelt habe als über den Schreibtisch gebeut!
Dabei hat man stets die Wahl, ob man Guybrush direkt vor das gewünschte, immer klar markierte Objekt stellt, um dort eine von zwei kontextsensitiven Aktionen auszuführen, oder ob man ihn einfach stehenlässt, um mit dem rechten Stick von einem Objekt zum nächsten durchzuschalten. Es gibt leider einige Situationen, in denen man ihn kurz bewegen muss, bevor er wieder interagieren kann. Das aber mehr der Vollständigkeit halber, als dass es ernsthaft stören würde.
Nicht zuletzt ist den alten, neuen Entwicklern sogar das Erzähl- bzw. Rätseltempo so gut gelungen, dass ich der exotischen Inselwelt nie überdrüssig wurde. Es gibt nur eine einzige Situation, in der man sich an mehreren Orten zunächst ein Bild davon verschaffen muss, was eigentlich überall zu tun ist und wie dieses Tun an den jeweiligen Schauplätzen die verschiedenen Kopfnüsse miteinander verbindet. Selbst dort hatte diese Erklärphase aber eine überschaubare Länge, während sich sinniges Grübeln, das Einholen neuer Information sowie spannendes Entdecken sonst ausgesprochen harmonisch die Klinke in die Hand geben.
Return to Monkey Island – Test-Fazit
Ron Gilbert, Dave Grossman und ihre Kollegen haben es ganz eindeutig noch drauf! Immerhin schließt ihre späte Fortsetzung auf ungemein sympathische und erstaunlich nahtlose Art an die erzählerischen und spielerischen Qualitäten ihrer zwei Vorgänger an, ohne deren bisherige Nachfolger zu ignorieren. Und das muss man mehr als 30 Jahre später erst mal hinbekommen! Logische Rätsel, eine erfreulich bequeme Gamepad-Steuerung, großartiges Karibik-Flair sowie ein Artdesign, das ich inzwischen nicht nur in Ordnung, sondern richtig klasse finde: Return to Monkey Island hebt das Point-&-Click-Adventure freilich nicht auf eine neue Stufe, ist aber eine ebenso zeitgemäße wie erfreulich altmodische Fortsetzung, von der ich gar nicht wusste, dass ich sie haben wollte. Ohne die mir jetzt aber etwas fehlen würde.
Return to Monkey Island:
Pro
- Ereignisreiche Geschichte und charmanter Humor
- Starkes Artdesign und stimmungsvolle Musik
- Sympathische Charaktere mit passenden Stimmen
- Fast durchgehend logische Puzzles
- Gutes Erzähl- und Rätseltempo
- Aufgabenliste und optionale, stufenweise abrufbare Hilfe
- Sehr handliche Gamepad-Steuerung
Contra
- Kleine Hänger bei Steuerung und wenigen Rätseln
- Einige emotional starke Szenen wirken matt