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Eiyuden Chronicle Hundred Heroes im Test: Dieses JRPG möchte wohl nur was für Nostalgiker sein

Qual-ity of Life

Eiyuden Chronicle schafft es zwar, den gewissen Charme der 90er einzufangen, zeigt sich allerdings an vielen Stellen inkonsequent. Allen voran fehlt es an sinnvollen Komfortfunktionen. So schafft das Spiel es trotz viel Herzblut nicht, in den oberen Reihen heutiger JRPGs mitzuhalten.

Eiyuden Chroncile Hundred Heroes ist ein brandneues JRPG von den klugen Köpfen hinter Suikoden, die sich von Konami gelöst und durch eine Kickstarter-Kampagne einem spirituellen Nachfolger gewidmet haben. Dieses Projekt will das klassische JRPG aus den 90ern verkörpern und vor allem Suikoden-Fans glücklich machen. Dabei stellte Eiyuden Chronicle: Rising aus 2022 nur einen kleinen Lückenfüller dar, der die Vorgeschichte zu Hundred Heroes erzählen sollte.

Ich gehe allerdings nicht aus der Sicht eines Suikoden-Fans an diesen Test, sondern aus der Perspektive einer JRPG-Spielerin, die das Genre zu schätzen weiß. Zuvor habe ich keinen Suikoden-Teil gespielt, würde aber gerne die Magie hinter dem Franchise verstehen, was Eiyuden sich ja zum Ziel gemacht hat. Außerdem gehe ich davon aus, dass Suikoden-Fans, die den Kickstarter unterstützt haben, das Spiel sowieso bereits besitzen und vielleicht bereits die ganze Ladung Nostalgie feiern. Also als Nicht-Backer des Kickstarters: Lohnt sich Eiyuden Chronicle Hundred Heroes aus heutiger Sicht?

Eiyuden Chronicle Hundred Heroes - Test

Wir beginnen unsere Reise als Abenteurer "Nowa", der früh eine Gruppe von Söldnern findet, denen er sich gleich anschließt. Darunter eine aufgedrehte Faustkämpferin und ein starker Wolf, der uns schnell in unsere erste Mission beim Militär einweist. Bereits in den ersten Stunden entdecken wir wichtige Orte und Figuren einer lange Reise voller Intrigen und Kriege, die uns mindestens 40 Spielstunden kosten wird. Die Geschwindigkeit der Erzählung gestaltet sich angenehm und sät oft Motivation, indem sie die Perspektive der Hauptfiguren wechselt und sogar ganz neue Städte und Völker vorstellt.

Leider schafft es Hundred Heroes es nicht, einen emotionalen Bezug zu den Hauptfiguren oder der über 100 spielbaren anderen Figuren herzustellen, der über eine Sympathie beim ersten Eindruck hinaus geht. Das sorgt natürlich dafür, dass die Wendungen innerhalb der Geschichte, an denen sich Rabbit & Bear Studios häufig versuchen, nicht ganz so schockieren, wie sie vielleicht sollten. Dass auch die Lokalisierung dabei wenig hilfreich ist, sowie weitere Kritikpunkte seht ihr im obigen Video.

Zu weiteren Problemen führt leider vor allem das Gameplay, das oft zu krampfhaft an JRPG-Elementen aus den 90ern festhält. Das wirkt sich gerade auf die Spielgeschwindigkeit negativ aus. Seien es unberechenbare Zufallskämpfe, Backtracking, auf das man lieber verzichten würde, andere Kleinigkeiten, die die Immersion zerstören, unüberspringbare Animationen bei großen Schlachten oder ein begrenztes Inventar. All das erinnert mich daran, dass ich heutige JRPGs doch mehr wertschätzen sollte. Quality-of-life-Optionen absichtlich wegzulassen, damit das Spiel nostalgisch wirkt, um diese dann viel zu spät im Spiel in Form von sammelbaren Figuren einzuführen, macht für mich nur dann Sinn, wenn man es geschickt und kreativ genug anstellt. Bedauerlicherweise fehlt diese Kreativität bei Hundred Heroes an vielen Stellen.

Übrigens, wenn ihr eure Nerven schonen wollt: Wie ihr die Schnellreise freischaltet, erfahrt ihr gleich hier.

Aber natürlich ist Eiyuden Chronicle Hundred Heroes deshalb nicht gleich ein Reinfall. Auf der PlayStation 5 hatte ich keine Grafik-Probleme und die Performance kann sich durchaus sehen lassen. Es gibt schon merkwürdige Passagen, in denen Dialoge unerwartet hängen bleiben und man einige Sekunden warten muss, bis es weitergeht, aber das fällt im Großen und Ganzen nicht wirklich negativ auf. Das Spiel beeindruckt zudem mit seinem verträumten Stil.

Die Mischung aus 2D-Pixelfiguren und 3D-Hintergründen kommt während der Rundenkämpfe und Dungeons positiv zum Tragen. Obwohl ich beispielsweise Star Ocean: The Second Story R als die hübschere Version dieser Ästhetik empfinde, so wussten die Entwickler bei Eiyuden Chronicle sichtlich, wie man so ein Design während der Kämpfe auf ein neues Level bringen kann. Die 3D-Animationen gewisser Attacken schaut man sich einfach gerne an, während man die Gruppe von sechs Kämpfern immer wieder durchwechselt. Hinzu kommen kreative Helden-Combos, die später sogar von mehr als zwei Figuren gleichzeitig ausgeführt werden können. Die vielen Animationen im Kampf animieren nicht nur zur Erkundung, sondern auch dazu, weitere Figuren zu sammeln. Im weiteren Verlauf der Geschichte bilden die Charaktere manchmal eigene Cliquen, was sich ebenfalls in den Kämpfen widerspiegelt.

An diese Dynamik gewöhnt man sich bei den eher leichten Zufallskämpfen schnell, allerdings wirken gängige Kämpfe trotz Auto-Modus und der Option, schwache Gegner laufen zu lassen, eher nervig. Im Gegensatz dazu stellen aber gerade die Bosskämpfe, in denen man zusätzlich mit der Umgebung interagieren kann, echte Highlights dar, weil sie alle positiven Elemente des Kampfsystems sowie das Design herrlich ausschöpfen.

Ebenso erfreulich sind die vielen Minispiele, die man im Laufe der Geschichte auftut. Auch Kleinigkeiten, wie das aktienartige Handeln mit Gegenständen oder der Umgang mit Ressourcen belebt die Welt. Übrigens soll es bis zu 120 Figuren geben, die Zahl der spielbaren Figuren geht also ein gutes Stück über die angekündigten 100 Charaktere hinaus. Bei Weitem nicht alle Figuren sind dabei für die Geschichte relevant. Dennoch ist es schön zu sehen, wie jeder Dialog vertont wurde. Auch die musikalische Untermalung sticht an vielen Stellen positiv hervor, schwankt aber insgesamt auch eigenartig in ihrer Qualität.

Eiyuden Chronicle Hundred Heroes im Test - Fazit

Der Heldengeschichte von Nowa, die gleich an Geschichten aus der Kindheit erinnert, fehlt es etwas an Tiefe, um lange im Gedächtnis zu bleiben. Trotzdem beinhaltet Eiyuden Chronicle Hundred Heroes eine Menge Spielspaß in Form von Minispielen, Erkundung, dem markanten Stil von Suikoden und allen voran dem Sammeln von unzähligen Figuren mit ihrem eigenen Charakter, Attacken und Werten. Während die Zufallskämpfe genauso nervenzerrend wirken können wie die fehlenden Komfortoptionen, bilden ausgerechnet die Bosskämpfe ein echtes Highlight, das viele positive Elemente aus dem Rest des Spiels zusammenführt. Diese Schwankung zwischen Faszination und Ermüdung fallen in vielen Bereichen negativ auf.

Hundred Heroes ist insgesamt ein gewollt alt-wirkendes JRPG, das etwas zu krampfhaft an der Vergangenheit festhält. Nostalgie bedeutet nicht immer, Bequemlichkeiten wegzulassen. Da aber Suikoden-Fans, die dieses Projekt mitfinanzierten, im Zweifel genau das wollten, kann man dem Spiel nicht unbedingt einen Strick daraus drehen. Für JRPG-Fans, die bereits eine bessere Geschwindigkeit und kreativere Lösungen für Zufallskämpfe gewohnt sind, gibt es jedoch andere Spiele, die einzelne Elemente aus Eiyuden nostalgisch besser aufarbeiten. Das mit viel Herzblut entwickelte Spiel schafft es daher leider nicht, sich in diesem starken JRPG-Jahr bei den besonders starken Anwärtern einzureihen.

Eiyuden Chronicle Hundred Heroes
PROCONTRA
  • Liebevoll gestaltete Welt mit einer schönen Mischung aus 2D-Figuren und 3D-Modellen
  • Zahlreiche Spielelemente sind schön kreativ und lassen die Welt richtig groß wirken
  • Neue Motivation wird durch schlau platzierte Perspektivwechsel geschöpft
  • Rätsel in Dungeons machen Spaß und haben eine angenehme Schwierigkeit
  • Große Schlachten beeindrucken gerade anfangs
  • Musik untermalt das JRPG-Gefühl meist sehr gut
  • Jeder Dialog ist auf Englisch und Japanisch sehr gut vertont und sehr gut besetzt bei über 100 Figuren
  • Burg-Management macht richtig Spaß...
  • Viel Backtracking, begrenztes Inventar, viele Zufallskämpfe, Schnellreise fehlt zu lange, unlogisch platzierte Grind-Passagen
  • Schlechte deutsche Lokalisierung
  • Essenzielle Quality of Life Elemente wurden unregelmäßig auf Figuren ausgelagert
  • Bequemlichkeiten werden gegen Nostalgie getauscht - allerdings nicht konsequent
  • Geschichte baut nur oberflächlich eine emotionale Bindung zu Hauptfiguren auf, Nebenfiguren fehlt es an Tiefe
  • Qualität des Soundtracks schwankt, während einige Lieder eigenartig platziert sind
  • Benutzeroberfläche wirkt unfertig (gerade bei Dialogen)
  • Nicht überspringbare Animationen bei großen Schlachten (gerade deshalb nervig, weil sie gut herausfordernd sind)
  • Selbst die Burg wird irgendwann ermüdend

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