Elden Ring - Test: Eine neue Ära in diesem Gamer-Leben bricht an
Elden Ring schafft es, sich neu zu erfinden, die Dark-Souls-Formel in die offene Welt zu bringen und das, ohne sich in den üblichen Belanglosigkeiten einer solchen zu verzetteln.
Ich habe immer gesagt, dass es nie wieder ein Spiel wie Dark Souls geben wird. Das ist natürlich vermessen, denn eigentlich war Dark Souls nur eines in einer langen Linie solcher Spiele. Es begann wohl mit Starflight und Pool of Radiance, für mich zumindest. Ging weiter es mit Ultima Underworld, System Shock, Doom, Ultima Online, Shadow of the Colossus. Anfangs im Leben ist die Taktung höher, man kennt ja noch nicht alles und damals war es auch eine Zeit drastischerer Umbrüche. Eines Tages kam dann Demon's Souls und dann natürlich Dark Souls. Man war zurückgeworfen in eine Zeit, als alles neu schien, als man nicht wirklich verstand, was man tat und das Gefühl hatte, mit zarten Schritten eine neue Welt zu erkunden. Man darf sich wie ein virtueller Forscher fühlen, der unbekanntes Land betritt. Elden Ring wird hoffentlich nicht das letzte in meiner Reihe dieser Spiele sein. Aber dass ich es darin aufnehmen darf, dafür bin ich sehr dankbar.
Dabei könnte es auch Dark Souls 4 heißen. Das sollten wir gleich mal aus dem Weg räumen. Dieses Spiel heißt Elden Ring, weil From Software eine eigene IP haben wollte, aber sie wollten nicht wirklich ein komplett, durch und durch neues Spiel haben. Wer Dark Souls kennt, der fühlt sich von Minute Eins an zu Hause. Aber widerspricht das nicht meiner mit Pathos vorgetragenen Einleitung? Nein, wenn man Elden Ring denn länger als ein paar wenige Stunden spielt. Das erste Gebiet ist ganz genau das, was man erwarten würde. Fantasy-Mittelalter, ein wenig düster, hier und da ein monströser Gegner. Sicher, die Welt ist offen, aber das ist doch Dark Souls. Warum soll ich jetzt in Ekstase verfallen?
Nun, die Frage wann das passiert, hängt davon ab, in welche Richtung es euch zieht. Elden Ring ist sehr freizügig, was das angeht. Es zeigt euch lose ein paar Richtungen, aber das sind mehr Vorschläge. Nicht mal wirklich die offizielle Reihenfolge, wenn es denn so etwas überhaupt geben sollte. Es könnt eine neue Welt hinter dem Berg sein. Der Drache, der euch erstaunlich früh auf den Kopf fällt. Ich bin anspruchsvoller als das. Mein Moment des hängenden Unterkiefers war ein zufälliger winziger Tempel, der halt irgendwo rumstand. Ein Fahrstuhl brachte mich in eine hübsche Höhle. Sah nett aus. Ich metzelte mich mal durch. Oh, ein zweiter Fahrstuhl, der bringt mich scheinbar zurück an die Oberwelt... Oh gute Güte, sind das Sterne? Bin ich in einer Höhle? Schaue ich auf das Universum? Es ist eine neue Welt. Das Letzte, was ich erwartet hatte. Es war wundervoll und ich war zutiefst berührt, dass ich diese Momente in einem Spiel noch haben kann. Ich dachte, meine wären alle schon aufgebraucht.
Ich musste mich vor ein paar Tagen auch noch fragen lassen, ob ich nicht schon innerlich versteinert bin, wenn ich denn nicht sehe, wie toll denn etwa ein Horizon Forbidden West ist. Sicher, das ist ein optisch wunderschönes Spiel, da kann Elden Ring nicht so mithalten. Es spielt sich auch locker fluffig weg, so wie das auch bei einem Assassin's Creed der Fall ist. Das wiederum ist auch kein kleines Spiel, sicher nicht kleiner als das absurd große Elden Ring. Aber in beiden Spielen, Horizon und Creed, gibt es keine Geheimnisse. In Horizon gehe ich in eine Höhle und der zweite Fahrstuhl bringt mich dann zurück nach oben. Assassin's Creed dekliniert seine Karte bis zum Anschlag durch, sodass ich lange zuvor weiß, was mich erwartet. Elden Ring dagegen verrät mir nur nichts, es gelingt ihm immer wieder mich zu verzaubern, weil es sich mit den Überraschungen Mühe gibt.
Elden Ring stellt nicht einen Turm in die Landschaft und da sind dann drei Wachen drin. Da wartet eine Bibliothek aus einem bösen Harry-Potter-Paralleluniversum auf neue Besucher. Da steckt schon mal ein optionaler Boss in einem verborgenen Dungeon, der unter einem anderen, optionalen Dungeon sitzt. Ihr fühlt euch wie ein Entdecker, weil ihr einer seid. Und weil es etwas zu entdecken gibt. Ich habe keine Ahnung, ob die Burg, durch die ich mich die letzte Stunde gearbeitet habe, für die Story wichtig war oder nur Ausflug in eine Welt, die oft genug mit sich selbst beschäftigt scheint.
Ihr seht seltsame Karawanen vom Nichts ins Nirgendwo ziehen, erlebt kleine Schlachten, Monster, die ein Leichenfeld schänden, unheimliche Kugelwesen, deren Zyklopenaugen einen unbekannten Punkt fixieren, einen wandernden Turm und so vieles mehr. Keine Sorge, ich spoilere hier nicht wirklich was. Selbst wenn ich noch die nächsten 20 Absätze aufliste, was es alles zu entdecken und zu sehen gibt, wäre ich nicht am Ende einer unfassbaren Liste angekommen. Der gemeinsame Nenner ist sicher der einer sterbenden Fantasy-Welt in tiefer Melancholie, da bleibt From sich sehr treu. Aber innerhalb dieser zieht es alle Register. Sicher, das eine oder andere gab es in den Vorgängern zu sehen, mal geht es in Richtung des Horrors von Bloodborne, mal ein wenig mehr in das Epische, Fantastische. Aber oft genug findet es neue Facetten.
Dabei hilft die offene Welt, die sich weiter streckt, als man es die ersten Stunden überhaupt ahnen kann. Hinter Bergen warten Berge, warten Schlösser, warten Burgen, wartet dann schließlich... Irgendwas wird da dann auch noch kommen. Nichts ist prozedural hingeworfen, jede Ecke ist ausdefiniert. Mal sehr feinteilig wie eben eine Burg oder ein Dungeon, mal auf den Weitwinkelblick in die Ferne ausgerichtet. Die Abruptheit, mit der Stimmungen trotzdem gewechselt werden können, ist mitunter faszinierend. Eben reite ich noch über eine weite Ebene auf ein paar Felsformationen zu, zwischen diesen verschwindet das Licht in Schatten, ein magischer Wald und ein Hinterhalt warten. Nur für mich wurde dieser kleine Ort des Zaubers und der Gewalt geschaffen. Der Witz dabei: Es ist dem Spiel egal, ob ich ihn finde oder nicht. Er ist einfach, unabhängig von mir, dem Spieler. Wie so vieles in Elden Ring. Ich war nie lieber ein Entdecker als in diesem Spiel.
Allerdings bin ich auch regelmäßig ein toter Entdecker. Als ich sagte, dass das hier auch Dark Souls 4 heißen könnte, galt das für alles. Auch für den Bären, den ich zufällig in irgendeiner Höhle fand, der sechs Meter groß war und eine Vierer-Attackenserie in Petto hat, deren erster Schlag mir schon meine gesamte Ausdauer raubt. Bosse sind oft schnell, brutal und absurd groß. Sie sind zahlreich und abwechslungsreich. Manche täuschen mit ihrer fast menschlichen Größe über ihre Gefährlichkeit hinweg, andere bewegen sich viel schneller als ihre titanenhafte Form das andeutet. Einige der besten, die From je zauberte, sind hier. Andere sind ein wenig eher der Standard, den man erwartet.
In jeden dieser Kämpfe geht man mit einem Heidenrespekt und manchmal sind sie auf eine irgendwie gute Art unfair. Sicher, was auch immer es ist, es wird mich zehnmal töten. Ich werde manchmal im Halbschlaf grübeln, wie ich das schaffen soll. Ich grinde ein wenig. Nicht, dass es so viel bringen würde. Solche Sprünge machen die Level hier nicht. Am Ende aber werde ich einfach gut genug, kenne die Muster, habe das bisschen Glück und fühle mich dann besser, als ich es in all den Stunden in Horizon und Creed je tat.
Auch die kleinen Monster haben es in sich. Sicher, ein einzelnes ist meist kein Problem, aber sie sind nur noch selten allein. Einmal umringt, einmal in die Ecke gedrängt, dauert es nur Sekunden, auch daran hat sich nicht viel geändert. Ihr verliert nie ganz den Respekt für diese Welten, selbst wenn ihr ein Areal schon ein Dutzend Mal durchstöbert habt. Auch das macht den Reiz aus. Die Grundanspannung ist immer da, ganz besonders, wenn man eben ein Gebiet noch nicht kennt. Der Stresslevel einer Amazonas-Expedition dürfte nur minimal höher sei.
Aber ihr habt auch ein paar neue Tricks auf Lager, um der Monster Herr zu werden. Spezialangriffe und Konter sind nun nicht mehr rein an die Waffen gebunden, sondern können gesammelt und ausgerüstet werden. Das gibt dem Kampf und vor allem der Waffenwahl noch mal eine deutlich taktischere Note. Dann ist der Schild-Konter nun deutlich einfacher. Nach einem Treffer auf euren Schild habt ihr ein relativ großzügiges Fenster, um einen schweren Gegentreffer fast garantiert zu landen. Wenn der Gegner denn in Reichweite bleibt und vor allem eure Waffe schneller ist als seine nächste Attacke. Eine schnelle, schwache Waffe kann sich hier weit mehr auszahlen. Mit der könnt ihr in eine Attackenserie grätschen, während ein lahmes Großschwert zu lange ausholt und ihr schon den nächsten Treffer kassiert, diesmal ohne Schild. Ich musste ein wenig umdenken, anpassen und spiele jetzt deutlich anders als in Souls. Schneller und offensiver. Kommt wirklich gut und damit löst Elden Ring als Bindeglied zwischen Souls und Bloodborne letzteres als meinen Kampf-Liebling der From-Spiele ab.
Eine weitere wichtige Neuerung sind Geisterwesen, die ihr in bestimmten Gebieten und fast allen Boss-Arenen rufen könnt. Gleich zu Beginn bekommt ihr drei Wölfe, recht bald danach eine magische Schwebe-Qualle und danach wird es immer besser. Aber vor allem die drei Wölfe werdet ihr zum Anfang von ganzem Herzen schätzen. Sie machen nicht so viel Schaden, aber sie lenken Feinde sehr effektiv ab und verschaffen euch Verschnaufpausen und Öffnungen in der Verteidigung. Keine Sorge, diese Beschwörungen kosten ordentlich und lassen sich auch nicht beliebig wiederholen. Es ist einfach ein fairer Ausgleich für viele schmerzhafte Lebenslagen, in die euch Elden Ring so gern schubst.
Ansonsten könnt ihr euch wie gehabt Unterstützung rufen. Vor Bossen warten NPCs, wenn ihr denn ihre Quests verfolgt, ihr könnt andere Spieler rufen oder auf ihre Rufe antworten. Ihr dringt in andere Spielerwelten ein oder werdet selbst unfreundlich besucht. Nachrichten werden hinterlassen, dumme Witze damit gerissen. Nach wie vor, Elden Ring macht mitnichten alles neu. Was es aber neu macht, ist sein recht unaufdringliches Crafting. Überall in der Welt findet ihr Pflanzen, Pilze und mehr, dazu Rezeptbücher und darüber bastelt ihr dann on-the-fly Gegenstände wie Element-Bomben, Buffs oder besondere Pfeile. Dieser Crafting-Aspekt bleibt halbwegs im Hintergrund, da man dank der Rezeptbücher weiß, was man tun könnte und ungefähr auch, wo man was findet. Auf diese Weise reduziert es sich auf ein wenig Grind vor einem Bossrun, wenn man denn denkt, dass Brandbomben sinnvoll sein könnten. Ich bin kein Crafting-Freund, aber das ist ein Level, mit dem ich leben kann.
Eine wichtige Neuerung ist natürlich das Pferd und es ist wirklich essenziell, dass es da ist. Genauso wie die großzügige Verteilung von Lagerfeuern, die gleichzeitig Schnellreisepunkte sind. Die Welt von Elden Ring ist wirklich absurd groß und wie in einem Dark Souls weite Strecken des Spiels ohne oder nur mit stark eingeschränkter Schnellreise zu spielen, das wäre hier Frust pur. Nichts gegen Stimmungsaufbau durch lange Reiteinlagen, aber das war schon bei Shadow of the Colossus nicht mein Lieblingsaspekt und so wie hier ist das schon okay. Ich reite und renne auch so genug. Apropos Rennen: Solange ihr nicht im Kampf seid, habt ihr unbegrenzte Ausdauer, From sei Dank. Und apropos Schnellreise: In Dungeons dürft ihr die nicht nutzen, das hebt Risiko und Spannung da noch mal deutlich und auf die beste Art.
Und last, but not least: Nicht nur das Pferd, auch ihr selbst könnt jetzt springen. Hat ja nur ein halbes Dutzend Spiele gedauert, aber ihr hüpft jetzt schnell und fröhlich durch die weiten Lande. Das ist auch wichtig, denn einerseits eine zerklüftete offene Welt, andererseits die Bodenhaftung einer Schildkröte, das wäre nicht gut ausgegangen. Es verändert den generellen Spielablauf oder das Gefühl nicht so sehr. Es gibt Sprungangriffe, die das Repertoire noch mal erweitern, sind aber eher vorsichtige ausbalanciert, indem sie euch leicht zu Boden schlagen, wenn ihr das Timing verpasst. Eine weitere Variation im Kampf, die sehr willkommen ist, aber sicher kein Killer-Move. Da ist die höhere Lock-On-Reichweite für Armbrüste fast relevanter, die das Anlocken und Kiten einzelner Gegner aus einer wartenden Gruppe heraus vereinfacht. Nun, ich beschwere mich nicht, Elden Ring ist auch so knackig genug.
Gibt es etwas, das Elden Ring denn nicht kann? Nun, ja. Etwas, das mich auch nach zig Stunden noch auf die Palme bringt und rasant gepatcht werden sollte, das ist der Fakt, dass man mit Select auf die Karte geht, aber sie mit B verlässt. Mit noch mal Select geht es nämlich in ein Untermenü, und zwar eines, das man nie braucht. Ich weiß das, ich bin da regelmäßig. Ansonsten habt ihr hier und da die eigenwilligen Hitboxen, mit denen man zu leben lernt, die einen aber bis dahin gern mal das Leben kosten. Nichts, was man nicht aus anderen Souls kennen würde, hier etwas abgemildert, aber immer noch vorhanden. In dieser Richtung ist Elden Ring das beste der Souls, aber auch noch lang nicht perfekt.
So kann man auch die Grafik zusammenfassen. Elden Ring verzaubert euch immer wieder mit Blicken auf eine schrecklich schöne Welt, ängstigt euch mit finsteren Monstern und ist ein wahrer Meister seines Faches, wenn es darum geht, mit Stimmungen und Farben zu spielen. Was ihr nur nicht erwarten solltet, ist die visuelle Pracht anderer Next-Gen-Vorzeige-Titel. Etwas grobschlächtiger ist Elden Ring da schon, selbst wenn man die teilweise enorme Sichtweite bedenkt. Sagen wir es so: Elden Ring ist im Design und Stil ein so beeindruckendes Werk, dass ich nie auf die Idee kommen würde, die Polygone zu zählen, weil es eine Beleidigung des Künstlers wäre. Was wenig an der Tatsache ändert, dass da mehr Polygone sein könnten.
Und nun, zum wichtigsten Aspekt des Spiels: Die Beteiligung des Meisterschreibers George R.R. Martin an der Story. Wusstet ihr, dass der Mann vier Hugos und zwei Nebulas gewann, bevor das erste Game of Thrones erschien? Dank seiner ist die Geschichte von Elden Ring... tendenziell nicht anders als sie es sonst gewesen wäre. Ganz ehrlich, ich kann hier keinen großen Vibe feststellen, der sich nicht nach Souls anfühlen würde. Es wird zum Ende hin etwas konkreter, aber "handlungsgetrieben" würde ich das Spiel zu keinem Zeitpunkt nennen. Brillantes World-Storytelling, sicher, wie kaum ein anderes Spiel, immer noch ein Meister des Faches. Aber starke Charakterstrukturen, tiefere persönlichere Motivationen, verschachtelte Intrigen? Mögen hier sein. Lasst mich die Leichen, die Geister und die wortkargen NPCs fragen... Nein, wer Personen lange, bedeutungsvolle Dialoge erzählen hören möchte, ist hier nach wie vor falsch. Elden Ring hat gefühlt weniger Zeilen als das erste Kapitel von Game of Thrones. Sorry, Song of Ice and Fire. Für Leute wie mich dagegen, die jedes Bisschen wertloses Expositionsgequatsche verachten, ist Elden Ring ein Traum, der weitestgehend stumm die beste Geschichte erzählt.
Elden Ring Test: Fazit
Martin Woger: Ist ein wenig durchgekommen, dass ich Elden Ring mag? Gut. Ich stelle es gern in eine Reihe mit den wichtigsten Spielen, die mir immer in Erinnerung bleiben werden. Bei denen man beim Spielen schon wusste, dass die Welt sich ein wenig verändert hat. Dass man doch noch nicht der abgebrühte, gefühlskalte "Ich habe schon alles gesehen"-Gamer ist, sondern, dass dieses Gefühl noch da sein kann. Das Gefühl, das man beim ersten Spiel überhaupt hatte, als es das Tor zu einer neuen Welt aufstieß.
Nein, Dark Souls ließ sich nicht komplett wiederholen, das war nie möglich. Aber Elden Ring schafft etwas viel Besseres, nämlich das Konzept zu nehmen und es in einen viel größeren Kontext zu setzen. Es fordert euch in den Kämpfen, sicher, das wird erwartet. Aber viel mehr fordert es euch mit seiner absurd schönen, vielschichtigen, verschachtelten Welt heraus. Es lockt euch immer weiter, wohl wissend, dass es etwas zu bieten hat, das ihr sehen solltet. Und vor allem ist es klug genug, euch dabei nicht die Arbeit dieses Entdeckens abzunehmen. Eine unglaublich wichtige Kunst. Jedes andere Spiel schreit euch förmlich an, alles zu sehen, wofür ein Typ jahrelang an seinem Rechner schuftete. Das ist verständlich, nehme ich an. Aber hier gibt es all diese Dinge und noch viel mehr und es liegt an euch, sie zu finden. Das Gefühl, dass ihr es ward, die diesen Ort, diesen Boss oder auch nur dieses Skelett entdeckten, das wie Hamlet grübelnd auf einem modernden Thron einen endlosen Ozean überblickt, und nicht ein Quest-Marker - das wäre wohl die wichtigste Lektion, die andere Spiele von Elden Ring lernen müssen. Das und dass es etwas zu entdecken geben muss, das diese Mühe wert ist. Ich kann diesen Mut Elden Rings, gefolgt von Können, nicht hoch genug preisen.
Es ist eine Weile her, dass ich so viel und vor allem auf eine ganz besondere Weise Spaß mit einem Spiel hatte wie jetzt mit Elden Ring. Sicher, andere waren auch brillant, viele auf ihre eigene und oft ganz andere Weise. Disco Elysium, Metroid Dread, Lost Judgment, Flight Simulator, um nur die letzten Monate durchzugehen, das sind fantastische Spiele, jedes auf seine Art. Aber keines davon bot dieses Gefühl wie ein Kind vor seinem ersten Spiel zu sitzen, langsam zu verstehen und sich immer mehr darin zu verlieren. Natürlich wird es bessere Spiele als Elden Ring geben. Wenn sie dann eines Tages kommen, werde ich sie mit der gleichen Freude spielen. Aber es ist gut, dass Elden Ring so umfangreich ist, denn das dauert meist eine ganze Weile. Spiele wie dieses gibt es nur sehr, sehr selten. Das liegt in der Natur der Sache. Sonst wären es ja nicht die Besten, die jeweils ihre Ära eines Spielerlebens definiert haben. So wie jetzt Elden Ring eine neue Ära für sich beansprucht.
Sebastian Thor: Viele Spiele sind furchtbar einfach zu packen, am liebsten samt definierter Abfolge aus Aufgaben, Türmen, Crafting, mehr Aufgaben, mehr Türmen und viel mehr Crafting. Entlang der spielerischen Schweißnähte dämmert die Erkenntnis, dass Spielinhalte besonders in offenen Welten Kategorien bedienen und alles darin letztlich einer Angleichung an erforderliche Bauweisen unterliegt. Nach einer Woche mit Elden Ring habe ich diese Nähte nicht gefunden: Regelmäßigkeiten, Muster, Sammelicons der kompetenten Langeweile, wie sie die Erscheinung anderer Karten bestimmen. Elden Ring steht darüber, auf die beste denkbare Art. Für Souls-Fans in erster Linie, aber auch für aufgeschlossene Jäger und Sammler, wenn sie ein Spiel als emotional vereinnahmendes Mysterium statt als fluffig-genormte Wohlfühloase erleben möchten. Hinter jeder Ecke kann eine Parallelwelt versteckt sein, mit rollenden Foltermaschinen, die euch verschlingen und in Vulkanhäusern ausspucken.
Dieses Spiel ist wirklich so großartig wie erhofft, das sage ich aus vollstem Herzen. Nichts darin findet seinen Platz nur aus dem Grund, dass jemand ein Videospiel mit Tätigkeiten füllen musste. Man kann nie sagen, wohin ein auf den ersten Blick unscheinbarer Gang führt und ob man nicht gerade den Geheimnissen des Universums auf der Spur ist. Und diese handgezeichnete Karte. Die feinen Details. Die Beschaffenheit der Landstriche, an denen man mit dem Finger entlangfahren kann. From Software zieht den künstlich gemapmarkerten Riesenkarten unserer Zeit die Zähne mit einer inhaltlich verschwenderisch detaillierten Welt und echten Entdeckungen statt Klick-und-weg. Mal als kitschig-schönes Neuschwanstein, oft als brutaler Brecher, den man erwartet, immer gewinnend und gegenüber der bekannten Open-World-Totenstarre geradezu entwaffnend.