Elite: Dangerous - Handeln, reisen und kämpfen in den endlichen Weiten der Alpha
Die Alpha ist eine herbe Geliebte.
Alphas, Betas, Early Access: verfrühter Bezahlzugang zu halb fertigen Entwicklungsversionen sind das Finanzierungsinstrument der Stunde, ermöglichen sie es doch den Designern, unabhängig von Publisher-Interessen an ihrem Spiel zu werkeln. Für die Studios ist es - sofern sie die Kundschaft von ihrer Idee in einem Maße überzeugt haben, dass diese ihnen nicht noch lauter reinredet als sonst ihre traditionellen Geldgeber - der kreative Optimalfall. Nur daran, ob es auch für die Spielkultur ein immer eindeutiger Glücksfall ist, darf man Zweifel anmelden.
Natürlich ist ein Spieleangebot, das nicht mehr in voller Breite der Marktforschung unterliegt, prinzipiell wünschenswert und eine gute Sache. Leider sind wir Videospieler nicht gerade ein geduldiges Volk. Wähnen wir unser künftiges Lieblingsspiel einmal im Anmarsch, wollen wir es lieber früher als später erleben, immerhin haben wir ja auch genau dafür bezahlt. Dabei vergessen wir aber, dass sich selbst die besten Games in ihrer Frühphase von ihrer hässlichen Seite zeigen. Wir sollten sie so eigentlich nicht spielen. Wir verleiden uns im schlimmsten Fall sogar das Erlebnis mit der fertigen Version, weil wir ungezählte Stunden an mittlerweile von den Servern getilgte Spielstände, Abstürze und Bugs verloren und ganz allgemein der Entzauberung von etwas eigentlich wirklich Magischem beiwohnen.
Curiosity killed the bug
Meine Neugierde ist mittlerweile beruflicher Natur, was ist eure Ausrede, nach der Förderung eines Projektes auf Kickstarter nicht einfach auf die fertige Version zu warten? Elite: Dangerous ist wieder so ein Fall: Nach geschätzten zehn Spielstunden bin ich sicher, dass ich es nicht bereut hätte, dieses Projekt zu backen. Die erste spielbare Alpha überraschte mit gut aussehenden Dogfights, passend unterkühlter Weltraumpräsentation und vermittelte allgemein den Eindruck, dass man auch mit weniger als 50 Crowdfunding-Millionen ein unverschämt ambitioniertes Science-Fiction-Spiel auf die Beine stellen kann. Alpha 4, letzten Freitag erschienen, begleitete eine nervöse Vorfreude, wie ich sie selten erlebte, immerhin durfte man ab sofort in fünf frei erkundbaren Sternensystem sogar handeln und somit etwas erleben, was annähernd einer eingezäunten Version des Hauptspiels entspricht. Schade, dass ich den Freitagnachmittag und Samstagvormittag damit verbrachte, mich mit einem besonders unerfreulichen Bug auseinanderzusetzen.
Die bislang tadellos belegte Hybridsteuerung aus Joypad und Tastatur war auf einmal gelöscht und von einem auf den anderen Tag hatte Elite auch alle anderen Presets vergessen. Dafür kamen neue Kontrollfinessen hinzu, die andeuteten, dass die zehn Minuten, die Belegung wiederherzustellen, die Zeit wert sein dürften. Leider hatte ich die Rechnung ohne die Launen der Lady Alpha gemacht, die in unregelmäßigen Abständen sämtliche Kontrollen wieder löschte. Im Kopf fantasierte ich schon über die besten Handelsrouten und ging den mysteriösen Signalquellen im Startsonnensystem nach, aber meine Finger waren damit beschäftigt, ein ums andere Mal die Tastenbelegung wieder auf den Stand von letzter Woche zu bringen. Doch vergebens: Ein Problem mit den Windows-Anzeigesprache-Einstellungen verhindert aktuell in Betriebssystemversionen, die nicht aus dem Vereinigten Königreich stammen, dass mehr als ein Eingabegerät genutzt wird. Maus ist OK, Tastatur auch, ebenso der Controller. Aber immer nur eines zur selben Zeit.
Heute (Montag, 19.05.) war bislang ist noch kein Patch in Sicht - ein Samstag schnell nachgereichter Flicken behob einige Stabilitätsprobleme und dergleichen -, weshalb ich das Steuerungsmenü, das maßstabsgetreu ausgedruckt deutlich länger ist als ich, auf acht Tasten, zwei Sticks und ein Steuerkreuz herunterbrechen musste, um überhaupt spielen zu können. Es spricht für Elite: Dangerous, dass es mich selbst in so reduzierter Funktionstüchtigkeit noch stundenlang gefangen nahm. Und doch plädiere ich an dieser Stelle an alle Backer, diese Version erst noch einmal liegen zu lassen. Verfolgt seine Entwicklung, unterstützt es, bestellt es meinetwegen sogar vor, aber übt euch in Geduld, lasst es reifen, bevor ihr es spielt, und ihr habt am Ende mehr davon.
Wieder zu Hause
Von diesem kuriosen, aber letzten Endes erwartbaren Problem abgesehen, ist es langsam mal an der Zeit, den Hut vor Frontier Developments zu ziehen. Bereits erwähnte Ambition schlägt schon in dieser Frühversion voll durch. Wie die Entwickler Geist und Gefühl der Vorlage in die Neuzeit transportierten, ist schlichtweg bewundernswert. Selbst wenn ich die letzten zwei Jahre über unter einem besonders schweren Stein gelebt hätte, ich würde diesen Titel direkt als Elite erkennen. Wie schon damals ist dieses so stille, kalte und prinzipiell endlose Universum einfach unvergleichlich. Es hält nichts von Eitelkeiten, interessiert sich kaum für traditionelle Vorstellungen von Spielspaß und ist euch auch nicht böse, wenn ihr es deshalb links liegen lasst. Je nach euren Spielgewohnheiten ist Elite: Dangerous exakt genauso aufregend oder langweilig, wie es das Original war. Genau genommen ist es sogar noch ein Stück aufregender oder langweiliger als damals.
"Elite: Dangerous exakt genauso aufregend oder langweilig, wie es das Original war. Genau genommen ist es sogar noch ein Stück aufregender oder langweiliger als damals."
Wer schon damals nichts damit anfangen konnte, als interstellarer Trucker von Sternensystem zu Sternensystem zu reisen und die meiste Zeit "on the road" zwischen Nichts und vielleicht noch viel mehr Nichts zu verbringen, winkt ab. Angesichts der heute üblichen Aufmerksamkeitsspanne und der reichhaltigen Entertainment-Alternativen interessiert ihn oder sie die beinahe grenzenlose, aber doch betuliche Freiheit des Alls weniger denn je. Der Rest, das sind die Leute, wegen denen Elite: Dangerous überhaupt ins Leben gerufen wurde. Und sie leben nur für den Handel, die Kopfgelder und das nächste Upgrade für ihr schwachbrüstiges Startschiff. Egal, wie lange es dauert. Sie bekommen hier die spannendste, schönste und erstmals wirklich ausformulierte Version des Elite-Gedanken.
Fast immer beginnt die Karriere mit dem bewusst nüchternen Vergleichen von Angebot und Nachfrage auf ungezählten Raumstationen, viel Kopfrechnen und Laderaumbefüllen - sogar Stift und Papier sollte man zur Hand nehmen, um sich aufzuschreiben, was wo für welchen Preis weggeht. Auf gut Glück schlägt man niemals die größte Marge raus und Elite denkt gar nicht daran, euch bei dieser Arbeit unter die Arme zu greifen. Ich fand mich zu Beginn besonders clever, auf der ersten Station fast die Hälfte meines Geldes für Spirituosen ausgegeben zu haben. Die Lager von Azeban City waren voll davon, der Preis deutlich unter dem angegebenen galaktischen Durchschnitt. Dumm nur, dass das Zeug Stunden später immer noch meinen halben Lagerraum blockierte, weil ich keinen Abnehmer dafür fand. Zu Beginn ist es ein Stochern im Dunkeln, und das übt schon an und für sich eine spezielle Sorte Faszination aus.
Neue, alte Härte
Leicht ist das Leben unter den Sternen jedenfalls nicht. Der Sidewinder, den ich mein spartanisches Zuhause nenne, könnte dringend ein paar Upgrades vertragen, die aktuell noch finanziell in weiter Ferne liegen. Fast jeder der hübsch anzusehenden Raumkämpfe endete mit meinem zahnlosen Laser noch in einer Niederlage oder einer blinden Flucht. Elite trifft hier haargenau den Nerv der Zeit, in der Titel wie DayZ, Dark Souls oder auch Völgarr the Viking für jedes Erfolgserlebnis harte Arbeit von euch sehen wollen. Und die erkennt man nicht immer nur an den Schweißperlen auf der Stirn, sondern vor allem auch an einem langen Atem. Trotzdem gibt es genügend außerordentlich spannende Momente. Steht euer voll beladenes Schiff kurz vor der Vernichtung, steht nun mal einiges auf dem Spiel. Die Finger werden feucht und das Hirn strampelt auf Hochtouren, um der von hinten herbeigaloppierenden Panik zu entkommen. Daraus bezieht das für viele so trockene Abklappern des Universums seinen ganz eigenen Reiz. Alles kann jederzeit passieren und ein nervöser Abzugsfinger rächt sich schneller, als man den Hyperraumantrieb anwerfen kann.
"Anders als uns Star Trek glauben machen wollte, tummeln sich in den Weiten da draußen eben nicht Hunderte humanoide Völker, die versessen darauf sind, ein Bündnis mit uns einzugehen/uns zu vernichten/sich mit uns zu paaren."
Das liegt nicht nur an meiner mangelnden Ausrüstung, sondern auch daran, dass man sich an das Verhalten der Vehikel erst einmal gewöhnen muss. Die Schiffe sind von der trägen Sorte, fliegen dafür allerdings mühelos rückwärts so schnell wie vorwärts. Für Piloten, die traditionellen Atmosphärenflug - oder Raumsimulationen, die ihn emulieren - gewohnt sind, bedeutet das durchaus eine Umgewöhnung. Ist man einmal drin, fühlt es sich aber auch mit dem Controller wirklich gut an und sieht dank der schönen Lichteffekte, splitternder Cockpitverglasung und Eisblumen auf den Scheiben, wenn die Lebenserhaltungssysteme ausfallen, wirklich hübsch aus. Trotz betont geerdeter Gestaltung. Ich bin gespannt, wie sich die kommenden Flieger anfühlen werden, sobald ich mir mal einen leisten kann.
Überhaupt kann sich das Spiel doch sehr sehen lassen. Das Highlight sind wohl die Landeanflüge auf die gewaltigen Raumstationen, deren zylindrisches Inneres mit zahllosen Raumschiffparkplätzen ausgestattet sind, unter denen ihr erst einmal die euch zugewiesene Plattform finden müsst. Auch die Bildschirmanzeigen ziehen in Sachen zeitgemäßen Aussehens und Funktionalität problemlos mit den Besten der Branche mit. Lasst ihr euren Blick frei über die Armaturen schwenken, ploppen rechts und links von euch Navigations-, Kommunikations- und Systemmenüs auf, die mit dem Steuerkreuz und den Schultertasten bedient werden können, solange ihr sie anschaut. Sie sind vermutlich auf lange Sicht keine vollumfängliche Alternative für eine durchdacht belegte Tastatur, aber sie funktionieren ausgezeichnet und tun was für die Stimmung.
Schneller als das Licht
Gleiches gilt für den Verzicht auf die Zeitbeschleuniger, die damals die Sternenreisen überhaupt erträglich machten. Elite: Dangerous umgeht den immersionsschädigenden Zeitraffer, indem es mit Hyperdrive und Supercruise zwei Antriebsmodi einführt, vor denen Albert Einstein endgültig kapitulieren würde. Das Spiel bleibt damit immer in Echtzeit, während ihr euch mit raumzeitbeugender Geschwindigkeit dem stetig größer werdenden Zielplaneten nähert und den richtigen Moment sucht, um gefahrlos aus Hyperraum herunterzubremsen. Das Spiel wirkt so mehr wie aus einem Guss, auch wenn die deutlich schneller als damals überbrückten Distanzen die nahezu unendliche Spielwelt trügerisch überschaubar erscheinen lassen.
Und dann ist da noch die Frage, wie Braben und Frontier Developments das Universum mit mehr füllen wollen als toten Himmelkörpern. Anders als uns Star Trek glauben machen wollte, tummeln sich in den Weiten da draußen eben nicht Hunderte humanoide Völker, die versessen darauf sind, ein Bündnis mit uns einzugehen/uns zu vernichten/sich mit uns zu paaren. Elite nahm das immer sehr genau, weshalb die Reisen durchs All abseits der erkundeten Gebiete mitunter eine sehr ereignislose Sache sein konnten. Die Öffnung des Konzepts in Richtung Mehrspieler verspricht schon jetzt eine Rudelbildung und Interaktion, die der Urahn der Reihe nicht kannte. Vielleicht ist das schon alles, was nötig ist. Wir werden sehen, was für ein Eigenleben das annimmt, sobald es sich in der fertigen Version verselbstständigt.
David Brabens Raumsimulation hatte schon immer einen etwas nerdigen und spröden Ruf, doch darin kann ich nichts Schlechtes erkennen. Im Gegenteil. Während ringsum in der Welt der Spiele die Sternenkriege in vollem Gange waren, begriff Elite bereits: Das All ist ein einsamer, kalter Ort, an dem wir nichts zu suchen haben. Mit dem neuesten Teil trägt die Reihe die Gefahr nun im Namen.
Man muss kein großer Entdecker sein, damit sich das wie eine Herausforderung anhört.