Skip to main content

Enshroudeds Bausystem ist eine Offenbarung – vor allem, wenn man nicht gern baut

Wo geht sie nur hin, meine Zeit?

In diesem Job kommt es selten vor, dass man auf einem Spiel auch nach der Testphase noch hängen bleibt. Oft spielt man mehrere Titel gleichzeitig, der Übergang von einem zum nächsten ist fließend und irgendwo liegt auch noch Hardware auf dem Tisch, über die man ein paar Takte sagen wollte. Zeit, zu Games zurückzukehren, die einem besonders gut gefielen, bleibt selten besonders viel. Wenn es eines schafft, mich dann doch wieder “zurückzuholen”, will – und sollte – ich das aber nicht unerwähnt lassen.

Noch einmal über Enshroudeds besonderen Reiz zu sprechen, lag mir hauptsächlich deshalb auf dem Herzen, weil ich nicht darauf eingestellt war, dass mich der Bauaspekt dermaßen packen würde. Auch wenn im Early Access Test schon anklang, dass ich sehr angetan war, sprengt das, was ich hier tue, mittlerweile jeden Rahmen. Im Normalfall mache ich nämlich, was das angeht, nur das Nötigste.

Klar, auch ich klopfe mir in dieser Sorte Spiel gern einen kleinen Verschlag zurecht und schaue, dass alles da ist, was man so braucht. Eine gewisse Basis-Gemütlichkeit muss mein Domizil immer haben. Eine glaubwürdige, plausible Behausung gehört für mich zur Illusion, diesen feindseligen Welten ein Stück Leben abzutrotzen. Ohne bin ich nicht wirklich “hier”. Doch echten Ehrgeiz, mich architektonisch in virtuellen Welten zu verwirklichen, sodass es vorzeigbar ist und auch anderen gefällt, spüre ich nie. Ich spielte auch Minecraft in erster Linie als Survival-Abenteuer. Und jetzt das hier:

Enshroudeds Bausystem bringt mich um meine Freizeit

Ich glaube, ich habe ein Problem. Das Bauen in Enshrouded ist dermaßen einfach und zugleich befriedigend, es verleitet gewissermaßen von selbst dazu, sich darin zu verlieren. Allein das Geräusch, mit dem sich einzelne Blöcke an andere heran ploppen, ist ein Stück Audiokunst, das schon einen Großteil des Reizes ausmacht. Es passt gut zur Einfachheit eines Konstruktionsmechanismus, der nicht daran interessiert ist, euch mit Nebensächlichkeiten zu nerven. Ein System, das nur das Resultat im Blick hat, das ihr euch gerade vorstellt.

Sofern das Material da ist, klickt ihr binnen Minuten etwas zusammen, das sofort recht wohnlich aussieht, oder zumindest fast von selbst suggeriert, was man verbessern könnte. Hier eine Wand ein Stück nach rechts? Eventuell etwas Raumgewinn durch eine versetzte Rückwand setzen? Decke höher? Keller tiefer? Eine Säule in die Mitte? Kein Problem! Oh, ein neues Material für die Wände!

Schon tauscht man Baustoffe eins zu eins, nimmt unterdessen natürlich noch kleine Optimierungen am Grundriss vor und merkt plötzlich, dass man bei Etage drei angekommen ist und es doch schön wäre, das Schlafzimmer ins Dachgeschoss zu packen. Es baut sich irrsinnig präzise und flink, Gedanken werden in Minuten bequeme Realität. Hier bin ich jetzt, habe seit dem Test sage und schreibe eine Quest geschafft, bevor mir in den Sinn kam, dass mein Schreiner, Schmied, Alchemist und Jägerin viel besser in einem Turm untergebracht wären, der per erhöhter Brücke mit meinem Anwesen verbunden ist. Für einige Legokinder unter euch mag das keine große Sache sein, für mich ist es gerade eine Offenbarung ungeahnter Ausmaße, welch kreative Ausdruckslust dieses Spiel in mir weckt.

Gestern Abend lag ich auf der Couch und ertappte mich dabei, wie ich den stillgelegten Schornstein in der Ecke des Wohnzimmers mit einem gedachten Mauscursor wegklicken wollte. So ins reale Leben rübergeschwappt sind in der Vergangenheit für mich nur die aller intensivsten Spiele.

Schon gelesen?